Ergo-Vorstand: „Wir müssen’s so einfach machen, dass man’s einfach machen muss!“
Viele kleine und mittlere Unternehmen verzichten noch immer auf eine betriebliche Altersversorgung – trotz guter Rahmenbedingungen. Woran liegt das? Marc Braun, ist Mitglied des Vorstands der ERGO Vorsorge Lebensversicherung AG und verantwortlich für die betriebliche Altersversorgung, benennt im Exklusiv-Interview mit Versicherungsbote konkrete Hindernisse, skizziert einfache Lösungen und erklärt, warum die Politik jetzt für Klarheit sorgen sollte.
Versicherungsbote: Die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) ist ausbaufähig. Worin sehen Sie die Probleme?
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Marc Braun: Insgesamt ist die Infrastruktur in der bAV schon recht gut aufgestellt. Ich sehe drei große Herausforderungen, um hier noch besser zu werden: Bürokratie verringern, Digitalisierung erhöhen und ganz allgemein Vereinfachen, wo immer es geht.
Insbesondere in den neuen Bundesländern hinken die Zahlen noch deutlicher als im Bundesgebiet hinterher? Welche Faktoren spielen dabei eine entscheidende Rolle?
Ich sehe eher einen Gegensatz zwischen Großunternehmen einerseits – mit sehr guter bAV-Durchdringung – und kleinen und mittleren Unternehmen andererseits, wo noch einiges mehr ginge.
Welche besonderen Herausforderungen gibt es für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei der Einführung einer bAV?
Bei den kleinen und mittleren Unternehmen ist das Wissen über die Vorteile der bAV für Arbeitgeber und Arbeitnehmer leider nach wie vor noch nicht ausreichend verbreitet. Und es gibt dort häufig keine eigens mit der bAV betrauten Mitarbeitende in den Personalabteilungen. Hier ist es besonders wichtig, mit einfachen, unbürokratischen und aufwandsarmen digitalen Verwaltungslösungen zu überzeugen. Ich sage immer: Wir müssen‘s so einfach machen, dass man’s einfach machen muss!
Wie bewerten Sie die bisherigen Maßnahmen der Politik zur Förderung der bAV?
Da geht Vieles in die richtige Richtung. Jetzt kommt es darauf an, die aktuellen Ideen und Diskussionsbeiträge auch gesetzgeberisch umzusetzen – und in diesem Zug nicht wieder zusätzliche und unnötige Komplexität reinzubringen. Sondern eher im Gegenteil: sich im Zweifel für die einfache Regelung zu entscheiden.
Kritiker erachten die Anzahl und Durchführungswege zu komplex und undurchsichtig. Was entgegnen Sie dieser Kritik?
Ich finde, dass mehrere Durchführungswege erst einmal gut sind, weil sie viele Optionen bieten und damit bedarfsgerechte Lösungen für jede Kundensituation ermöglichen. Es ist die Aufgabe von Anbietern und Vermittlern, adäquate Lösungen bereitzustellen und die Arbeitgeber entsprechend zu begleiten. Denn bei allem Enthusiasmus für digitale Services: Ohne persönliche Beratung geht es in der bAV nicht. Für uns Anbieter gilt dabei: Wir müssen auch den Vertriebspartnern die Arbeit erleichtern. Zum Beispiel, indem Experten direkt ins Kundengespräch eingebunden werden können – ein echter Mehrwert. Oder durch zusätzliche bAV-spezifische Rechtsberatung. Arbeitgeber erhalten so nicht nur ein Versorgungskonzept, sondern auch die Gewissheit, dass alles rechtlich sauber aufgesetzt ist. Genau das ist der Inhalt unseres Expertennetzwerks bAV-Einfachmacher bei der Ergo Vorsorge.
Sind die Anreize durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) ausreichend oder braucht es weitere Reformen?
Nach meiner Meinung ist die bestehende bAV-Infrastruktur richtig gut. Die gilt es zu nutzen. Wir Anbieter müssen digitale Lösungen zur Vereinfachung weiter ausbauen. Und von Seiten der Politik würde ich mir wünschen, dass auch dort eine Vereinfachungsinitiative kommt. Ganz konkret wäre wünschenswert, dass die sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Grenzwerte harmonisiert werden und dass Anspar- und Leistungsphase gleichermaßen in allen Zweigen der Sozialversicherung begünstigt werden.
Was sind die häufigsten Vorurteile oder Missverständnisse, die Arbeitgeber gegenüber der bAV haben, und wie können diese abgebaut werden?
Das häufigste Vorurteil: bAV ist aufwändig und komplex. Das sehe ich anders – gleichwohl der Fülle von rechtlichen Rahmenbedingungen. Persönlich bin ich fest davon überzeugt, dass wir hinreichend einfache und attraktive Lösungen bereit haben und vor allem lassen wir den Arbeitgeber nicht allein, sondern begleiten ihn auf der Suche nach der für sein Unternehmen passenden Lösung und setzen diese gemeinsam mit ihm um.
Welche Kommunikationsstrategien könnten helfen, mehr Vertrauen in die bAV zu schaffen?
Da möchte ich noch einmal unsere bAV-Einfachmacher erwähnen. Wenn wir als Anbieter die Dinge auf allen Ebenen erlebbar einfacher machen, ist das die beste Kommunikation pro bAV.
Viele Geringverdiener verzichten auf eine bAV, weil sie Angst haben, dass sie später auf die Grundsicherung angerechnet wird. Braucht es hier gesetzliche Nachbesserungen oder mehr Aufklärung?
Auch hier ist Kommunikation gefragt: Altersversorgung ist eine langfristige Sache; wer weiß schon, was in 20 oder 30 Jahren ist. Deswegen ist es wichtig, sich durch eigene Vorsorge eine eigene Basis zu schaffen. Gleichzeitig gilt: Eine ehrliche Transparenz zu schaffen über den Zustand unseres gesamten Altersversorgungssystems – insbesondere auch in Bezug auf die gesetzliche Rente– das wäre sicherlich nicht verkehrt.
In Zeiten des Fachkräftemangels könnte eine attraktive bAV ein Wettbewerbsvorteil sein. Warum tun sich viele Unternehmen trotzdem schwer damit, betriebliche Altersvorsorge als Argument für die Mitarbeiterbindung zu nutzen?
Da bin ich nicht so sicher. Unsere Wahrnehmung ist, dass das Thema zusätzlicher Benefits neben Lohn und Gehalt in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Und die betriebliche Altersversorgung einschließlich der Absicherung zusätzlicher Bereiche wie beispielsweise der Berufsunfähigkeit spielt hier eine hervorgehobene Rolle – gerade auch in Bezug auf die Bindung an ein Unternehmen, das sich auch um die Zukunft seiner Beschäftigten sorgt.
Auf der betrieblichen Ebene können manche Dinge im Kollektiv viel leichter und effizienter abgesichert werden als auf der individuellen Ebene – Stichworte Gesundheitsprüfungen in der Berufsunfähigkeit oder auch Krankenzusatzversicherungen.
Sollte die Politik stärker eingreifen, z. B. mit einer automatischen Opt-in-Lösung für Arbeitnehmer, sodass sich Beschäftigte bewusst gegen die bAV entscheiden müssen statt andersherum?
Wir würden es sehr begrüßen, wenn die Politik es ermöglichte, dass Arbeitgeber auch auf betrieblicher Ebene Entgeltumwandlungslösungen mit Opt-Out einführen könnten. Dies geht aktuell nur auf Basis von Tarifverträgen. Das würde die Teilnahmequoten sicherlich deutlich steigern.
Wie könnte ein nachhaltiges Konzept aussehen, um die Marktdurchdringung der bAV in KMU und in den neuen Bundesländern nachhaltig zu steigern – und wer trägt dabei welche Verantwortung?
Wenn alle Beteiligten – Gesetzgeber, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Arbeitgeber, Vermittler und Anbieter an einem Strang und in die gleiche Richtung ziehen, um Bürokratie zu verringern, Digitalisierung zu erhöhen und ganz allgemein zu vereinfachen, wo immer es geht, dann wäre viel gewonnen. Als ERGO Vorsorge stehen wir selbstverständlich dafür bereit.
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