Getsafe gibt Versicherungslizenz zurück
Das Heidelberger Insurtech Getsafe gibt seine Versicherungslizenz zurück. Statt selbst Risiken zu tragen, setzt das Unternehmen künftig auf Partnerschaften mit etablierten Versicherern. Der Fokus liegt nun auf Technologie, Flexibilität und schnellem Wachstum.

Das Insurtech Getsafe vollzieht die Rolle Rückwärts. Bis Ende 2017 war das Heidelberger Unternehmen noch als Online-Makler aufgetreten und hatte sich auf einen digitalen Vertragsordner spezialisiert. Im September 2018 trennte sich Getsafe vom Maklergeschäft. Das junge Unternehmen wollte sich künftig auf die eigene Versicherungs-Plattform konzentrieren. Käufer des Bestandes ist die ProSiebenSat.1-Tochter Verivox. Seither bastelte das Unternehmen am eigentlichen Kerngeschäft. Zunächst war Getsafe als Assekuradeur aufgetreten und hatte unter anderem Policen in den Bereichen Haftpflicht, Hausrat, Zahnzusatz und Rechtsschutz auf den Markt gebracht.
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Um das Tempo zu beschleunigen, hatte sich das Insurtech im Juni 2019 frisches Kapital besorgt. Über 15 Millionen Euro waren damals in einer Series-A-Finanzierungsrunde eingesammelt worden. Größter Geldgeber war der Münchener Investor Earlybird. Ende 2020 kamen in einer Series-B-Finanzierungsrunde weitere 25 Millionen Euro hinzu. Lead-Investor war der Schweizer Rückversicherer Swiss Re. Über eine Erweiterung der letzten Finanzierungsrunde wurden weitere 55 Millionen Euro in die Kriegskasse gespült. Damit wurden in Summe gut 80 Millionen Euro eingesammelt.
Mit dem frischen Kapital sollte unter anderem die eigene Versicherungslizenz finanziert werden. Im Oktober 2021 erhielt Getsafe schließlich die Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Im Zuge dessen durfte der junge Digitalversicherer seither Schaden- und Unfallversicherung verkaufen.
Im vergangenen Jahr schaffte das Insurtech endlich den wirtschaftlichen Turnaround. Denn allein im ersten Geschäftsjahr 2024 hat die Getsafe Insurance einen Gewinn im Versicherungsgeschäft von rund 700.000 Euro erzielt, nachdem 2023 noch ein Verlust von 1,4 Millionen Euro verzeichnet worden war. Bei der Getsafe-Gruppe sehe es jedoch noch anders aus: Diese werde die Gewinnschwelle voraussichtlich 2025 erreichen.
Nach dem Aufbau eines profitablen Sachversicherungsgeschäfts will Getsafe in die nächste Wachstumsphase. Herzstück der Strategie ist der Ausbau der eigenen Technologieplattform, hieß es im April 2025. Damals war Christopher Lohmann, ehemaliger Vorstandschef der HDI Deutschland AG, als neues Mitglied im Board vorgestellt worden. Das soll insbesondere durch den intelligenten Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) geschehen. Parallel dazu forciert das Unternehmen seine Expansion in die Sparten Lebensversicherung und Krankenversicherung. Ziel sei es, per Mobile-First-Strategie die führende digitale Versicherungsplattform für eine neue Kundengeneration zu werden.
Turnaround und Rückgabe der Versicherungslizenz
Doch etwas überraschend schlägt das Unternehmen nun ein neues Kapitel auf. Denn künftig wird das Start-up keine eigene Versicherungslizenz mehr besitzen. Trotz eines profitablen Versicherungsgeschäfts zieht sich Getsafe bewusst aus der Rolle des vollregulierten Versicherers zurück. „Die Lizenz bietet uns keinen Wettbewerbsvorteil mehr. Deshalb werden wir sie im Laufe des Jahres zurückgeben“, erklärt CEO Christian Wiens gegenüber dem "Handelsblatt".
Der Strategiewechsel bedeutet jedoch nicht den Ausstieg aus dem Versicherungsgeschäft. Getsafe will weiterhin Versicherungen in allen Sparten anbieten. Dies soll aber als Assekuradeur geschehen. In dieser Rolle übernimmt das Unternehmen Vertrieb, Schadenabwicklung und Kundenbetreuung, überträgt das Risiko jedoch an Kooperationspartner. Diese Flexibilität soll das Wachstum beschleunigen und den Weg zur führenden digitalen Versicherungsplattform ebnen.
Die eigens entwickelte Technologieplattform bleibt das Herzstück des Geschäftsmodells. Über die App erhalten die rund 500.000 Kunden unter anderem KI-gestützte Beratung und eine automatisierte Schadenregulierung. Damit sieht Wiens das Unternehmen gut aufgestellt für eine Ära, in der Kundenerlebnis und digitale Services entscheidender sind als die formale Lizenz.
„Für unser Ziel, die führende Versicherungsplattform für digitale Kunden zu werden, ist der Weg über eigene Lizenzen zu langsam und weniger flexibel“, so Wiens. Schon heute erzielt Getsafe einen Großteil seines Umsatzes als Assekuradeur. Hier könne das Unternehmen insbesondere mit Vermittlungen in der Lebens- und Krankenversicherung punkten. Laut Unternehmensangaben liegt das vermittelte Beitragsvolumen bei über 500 Millionen Euro.
Zuletzt hatten sich auch andere Insurtechs wie Mailo oder Wefox von der eigenen Lizenz verabschiedet. Im Unterschied dazu erfolgt die Entscheidung bei Getsafe strategisch und aus einer Position der Stärke. Für die Kunden soll sich durch den Strategiewechsel nichts ändern. Bestehende Verträge werden nahtlos auf neue Risikoträger übertragen. Wiens zieht dennoch ein positives Fazit: „Als Bafin-lizenzierter Versicherer haben wir in den letzten Jahren Glaubwürdigkeit im Markt aufbauen können.“ Diese will das Unternehmen nun als digitale Plattform mit gestärktem Fokus auf Innovation und Wachstum weiter ausbauen.