Versicherungsbote: Frau Dr. Handerer, Sie sind Deutschlands erste freie Maklerbetreuerin. Was hat Sie dazu bewogen, diesen Weg einzuschlagen, und welche Lücke haben Sie im Markt erkannt?

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Dr. Alexandra Handerer: Nachdem ich als „klassische“ Maklerbetreuerin mit der Gründung und dem Ausbau meines Jungmaklernetzwerks Young Professionals zu schnell gewachsen bin, bin ich leider recht schnell an innerbetriebliche Grenzen gestoßen. Nach einer objektiven Sondierung der Marktlage erkannte ich, dass manche Versicherer trotz vieler moderner, positiver Ansätze einfach noch nicht so weit sind, ihre internen Prozesse an die Anforderungen der nachwachsenden Maklergeneration anzupassen. Das steht meiner starken Vision zu meinem Beruf Maklerbetreuung entgegen, vor allem durch die Arbeit mit jungen Maklern hatte er sich bereits zur Berufung entwickelt, so dass ich etwas zurückgeben wollte. Deswegen bin ich das Risiko eingegangen, nicht wie sonst üblich ein neues Arbeitsverhältnis bei einem Mitbewerber anzunehmen, sondern mich als Deutschlands erste freie Maklerbetreuerin komplett selbstständig zu machen.
Ich sehe mitten in diesem Beziehungsgeflecht zwischen Maklern, Maklerbetreuern und Gesellschaften noch einige Lücken, aber eben auch Perspektiven und Chancen, die ich positiv mitgestalten will.

Welche Vorteile bietet dieses Modell gegenüber klassischen Maklerbetreuern, die an einen Versicherer gebunden sind?

Wenn eine SELBSTSTÄNDIGE Maklerbetreuerin SELBSTSTÄNDIGE Makler unterstützt – was eigentlich eine logische Konsequenz ist – hat das natürlich vor allem den Vorteil der Transparenz und Auswahl.
In Seminaren und Coachings kann ich aufgrund der Ungebundenheit zu Unternehmen ganz objektiv über Vor- und Nachteile von Anbindungen oder Produkten sprechen, kann Insidertipps verraten, die sonst nur Topmakler kennen. So richtig zum Tragen kommt der Unterschied aber vor allem in der alltäglichen Arbeit mit Maklern in meinem Projekt Deluxe-Maklersupport. Mein Netzwerk und ich haben ein Anforderungsprofil für Kooperationen im Direktanbindungsbereich entwickelt, dass es uns ermöglicht, als Einkaufsgemeinschaft viel effizienter mit denjenigen Unternehmen zusammenzuarbeiten, die sich prozessual weiter herauswagen und uns wirklich nachhaltige Unterstützung bieten wollen. Dazu gehört z.B. das Erlassen von VSV-Gebühren, das Ermöglichen einer direkten Kommunikation mit vertriebsnahen Risikoprüfern durch mich, die Mitbetreuung durch von uns mitausgewählten Key-Accounts und vieles mehr. Mit dem innerbetrieblichen Insiderwissen einer ehemaligen Kollegin kann ich andere Deals für unser Makler-Netzwerk verhandeln als ein Einzelmakler. Das gilt auch für die Anbindungen an Pools oder Rabatte bei technischen Dienstleistern.
Ich verhelfe vor allem Einzelmaklern zu mehr Power: Mehr Service, mehr Courtage, mehr Netzwerk. Durch meine Selbstständigkeit und der daraus resultierenden Nähe zu Maklern kann ich ihnen noch überzeugender als ein Firmenangehöriger weitergeben, welche Vorteile ihnen die Loyalität zu Gesellschaften und Pools bieten kann, also ist das Konzept auch gut für sie. Ich entlaste das Arbeitspensum meiner Key-Account-Kollegen, z.B. durch die Abnahme des Risikoprüfungs-Themas und das Sammeln und Multiplizieren von Fragen und Antworten. Sie wiederum helfen mir und meinem Netzwerk bei fachlichen Details, Wir spielen uns alle die Bälle zu. Ich denke meine neue Position ist ein enormer Vorteil für alle Seiten, ganz besonders natürlich für die Makler.

Sie haben das Young Professionals Netzwerk gegründet. Welche Ziele verfolgen Sie mit diesem Netzwerk, und wie unterstützt es junge Maklerinnen und Makler konkret?

Unser Netzwerk vereint junge Makler, die alle an einem freien nachhaltigen Geschäftsmodell interessiert sind, diese Persönlichkeiten mit ähnlichem Mindset führe ich zusammen. Jedes Mitglied arbeitet mit mir in verschiedenen Konstellationen zusammen und genießt durch mein Verhandlungsgeschick mit Steakholdern oder durch meine persönlichen Netzwerke, wie z.B. zu Risikoprüfern, zahlreiche Benefits. Es geht darum, ihnen die Vorteile einer (Einkaufs)gemeinschaft zu bieten, ohne dass sie einen hohen (Courtage)preis dafür zahlen müssen. Hervorragender Service muss weder viel Geld kosten, noch die Aufgabe des eigenen Markennamens auf der Police bedeuten. Einmal im Jahr findet eine offline Convention statt, für die ich vorher alle Themen sammle, die die Makler gerade interessieren und dann andere Makler aus diesem Kreis bitte, über das Thema zu referieren. Also ein kollegialer Austausch von Maklern für Makler. Unsere Premiumpartner bei den Versicherern sind an diesem Tag auch dabei, machen aber keine Produktschulungen. Der Tag endet mit einem Eventteil und gemeinsamen Abendessen. Am 30.6. ist unser diesjähriger Termin.

Als Inhaberin des 4. DAN im Taekwondo verfügen Sie über Disziplin und Durchhaltevermögen. Wie haben diese Fähigkeiten Ihre berufliche Entwicklung geprägt?

Die beiden Entwicklungen fanden zeitlich fast parallel statt. Ohne diese zwei Eigenschaften hätte ich die Versicherungsbranche schon längst verlassen. Mein Lehrer im Taekwondo fasziniert mich immer wieder, weil er mir diese Eigenschaften seit über 20 Jahren vorlebt, allen Widerständen zum Trotz. Als Meistergrad im Traditionellen Taekwondo und als Deutschlands erste freie Maklerbetreuerin arbeite ich jeden Tag daran, meiner eigenen Vorbildfunktion gerecht zu werden. Mein Ziel ist es, mein unmittelbares Umfeld positiv mitzuprägen und so andere zu inspirieren, dasselbe weiterzugeben.

Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie für junge Maklerinnen und Makler in der heutigen Versicherungslandschaft, und wie unterstützen Sie sie dabei, diese zu meistern?

Anhand des großen Angebots von Pools, Versicherern, Vertrieben kann es schon mal zu Überforderung und Orientierungslosigkeit bei jungen Maklern kommen. Falsche Versprechungen oder Fehlinformationen ziehen häufig einen anstrengenden Wechsel von Konzepten und Anbindungen nach sich. Letztlich ist es wie bei einem Umzug: Es hält zeitlich extrem auf und es geht immer was kaputt. Wenn noch schnelle Gründungen mit anderen Geschäftspartnern und kurz darauf wieder Trennungen von ihnen dazu kommen, ist das Chaos perfekt. Dann sind menschliche Enttäuschungen und Frust, z.B. aufgrund mangelnder Klarheit über gerechtfertigte Courtagehöhen vorprogrammiert. Die jungen Makler, die mich kontaktieren befinden sich oft mitten in diesem Durcheinander. Ich helfe ihnen dabei, erstmal ihre eigene Souveränität wiederzufinden, ihr echtes Mindset für ihren Weg zu formulieren. Dann überlegen wir gemeinsam, wie sich das in der alltäglichen Arbeitssituation umsetzen lässt: Welcher Pool, welche Gesellschaft passen wirklich dazu? Dieser Prozess kann anfangs etwas Zeit in Anspruch nehmen, ist dann aber längerfristig zeitsparend, weil man sich bewusst ist, warum man welche Entscheidung getroffen hat und diese dann auch länger verfolgt. Ich ermutige jeden Makler dazu, ein nachhaltiges, freies Geschäftsmodell aufzubauen. Das kann auch ein Berufseinsteiger schaffen. Wenn sich das mit seinem Mindset deckt, können wir längerfristig im Rahmen des Deluxe-Maklersupports zusammenarbeiten, dann kann ich im Tagesgeschäft auch richtig viel für ihn tun. Zusätzlich kann er unser Young Professionals Netzwerk für einen Austausch nutzen.

Sie haben erwähnt, dass es in der Versicherungsbranche wenige Frauen im Vertrieb gibt. Woran liegt das Ihrer Meinung nach, und was kann getan werden, um mehr Frauen für diesen Bereich zu gewinnen?

Mehr offene Kommunikation, mehr Empathie, weniger Ellenbogenmentalität in manchen Führungsetagen. Mehr Frauen als Mentorinnen fördern.

Viele junge Maklerinnen und Makler haben Schwierigkeiten, sich am Markt zu etablieren. Welche konkreten Tipps würden Sie einem Berufsanfänger geben, um sich erfolgreich in der Branche zu positionieren?

Als Erstes: Gib keine Kohle aus, die Du nicht hast. Bei spektakulären Angeboten schalte Deinen gesunden Menschenverstand ein. Wenn Du nicht bereit bist, wirklich zu arbeiten oder mit Misserfolgen nicht umgehen kannst, mach lieber etwas anderes. Unsere Produkte helfen Menschen in beschissenen Situationen, wenn Du dafür kein Herz hast, verlasse bitte die Branche, denn dann schadest Du ihr mehr, als Du ihr nützt. Egal, was Dein Umfeld sagt: Sei stolz auf Deinen Job, denn er ist relevant und wichtig! Gründe kein Unternehmen mit Geschäftspartnern, die Du nicht mindestens 10 Jahre lang in all ihren Up and Down-Phasen kennengelernt hast. Suche Dir Netzwerke mit Gleichaltrigen zum Erfahrungsaustausch, aber achte darauf, Dir auch Tipps von Menschen zu holen, die länger als 10 Jahre in der Branche sind. Lies alle Verträge für eine Zusammenarbeit (z.B. Courtagevereinbarungen) genau und durchdenke worst-case-Szenarien, bevor Du eine Unterschrift leistest. Traue Dich, Fragen zu stellen, wenn Du etwas nicht verstehst. Wer Dir auf unbequeme Fragen keine Antwort geben will – Finger weg! Wer sich Zeit für Dich nimmt, dem solltest Du auch Deine Zeit schenken. Einen sehr guten Ruf kann man sich immer noch durch hohe Zuverlässigkeit und eine schnelle Reaktionszeit auf sämtliche Anfragen aufbauen. Werde Dir bewusst, was ein Kaufmannsehrenwort ist und steh zu Deinem, auch wenn es mal unbequem wird. Bau keinen Mist, denn die Branche ist klein und man begegnet sich immer wieder. Lasse prüfen, ob Dein Geschäftsmodell wirklich zu Deinem Mindset passt. Triff bewusst Entscheidungen für oder gegen Partnerschaften mit Versicherern und Pools und arbeite ein paar Jahre erstmal konzeptionell im Rahmen dieser Entscheidung, ohne nach rechts und links zu schauen.

Die Versicherungsbranche befindet sich durch Digitalisierung und neue Technologien im Wandel. Welche digitalen Tools oder Strategien sollten Makler unbedingt nutzen, um konkurrenzfähig zu bleiben?

Digitale Tools sind wichtig, welche gut sind, Geschmackssache und am Ende austauschbar. Da lassen sich keine pauschalen Aussagen treffen. Sie sollten aus meiner Sicht organisatorische Themen erleichtern, Verwaltungsaufwand abnehmen oder Daten sammeln. Wer allerdings das Beste für seinen Kunden in sensiblen Bereichen wie der Risikoprüfung wünscht, braucht genau das Gegenteil von digitalen Lösungen: Eine individuelle Risikoprüfung. Hier und im Leistungsfall gilt: Er braucht Menschen auf Gesellschaftsseite, die er direkt kontaktieren kann, damit die Probleme des Kunden gelöst werden – und hier rede ich nicht von einer Mail an den Sammelpostkorb. Der Kunde erwartet das nämlich von ihm und empfiehlt ihn auf dieser Grundlage weiter. Jeder Makler, der seinen Job ernst nimmt, sollte sich a) fragen, ob er diese Menschen kennt und b) noch viel wichtiger, ob er die Beziehung zu ihnen auch wirklich pflegt. Die Wahrscheinlichkeit ist mit der Zeit äußerst groß, dass er sie mal braucht.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, um die Versicherungsbranche nachhaltig zu verändern – was wäre das?

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Meinen Wunsch hierzu habe ich mit meinem Konzept bereits in die Tat umgesetzt: Die von mir betreuten Makler und ich erhalten im Sinne einer effizienten Problemlösbarkeit für den Kunden attraktive Vorteile in der Versicherungsbranche, obwohl wir keine kurzfristige Skalierbarkeit versprechen, sondern eben auf Qualität und langsames, stetiges Wachstum setzen. Bisher bekommen wir hier viel Zuspruch und Unterstützung, was mich sehr positiv stimmt, dass wir alle miteinander auf dem richtigen Weg sind.