Fast jede zehnte Schadenmeldung, die bei deutschen Versicherern eingeht, ist verdächtig und prüfungswürdig. Das zeigt eine aktuelle Sonderauswertung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Der Dachverband der Versicherer hat dafür mehr als 600.000 Schadenmeldungen aus drei Jahren ausgewertet. Untersucht wurden 200.000 gemeldete Einbruchschäden in der Hausratversicherung sowie 400.000 Schadenmeldungen in der Kraftfahrt-, Privathaftpflicht- und Tierhalterhaftpflichtversicherung.

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Der GDV schätzt den Schaden, der den Schaden- und Unfallversicherern durch Versicherungsbetrug entsteht, auf jährlich 5 Milliarden Euro. Zugleich schränkt der Verband ein, dass nicht jede auffällige Schadenmeldung bedeutet, dass hierbei auch betrogen wird. Der Schaden könne schlicht auch Merkmale aufweisen, die statistisch gesehen eher selten sind.

Um Versicherungsbetrug zu erkennen, setzen die Versicherer vermehrt spezielle Softwaretools und künstliche Intelligenz ein. Zusätzlich verfolgen spezialisierte Mitarbeiter und Gutachter Fälle, die von der Software noch nicht erkannt werden können. Allein durch eine Plausibilitätsprüfung könne häufig schon festgestellt werden, ob sich der Schaden tatsächlich so ereignet hat, wie er geschildert wurde. In der Kfz-Versicherung wird hierbei zum Beispiel anhand physikalischer Kriterien analysiert, ob die Schilderung des Schadens mit dem tatsächlichen Schadenbild übereinstimmen: etwa anhand von Masse, Geschwindigkeit und zurückgelegter Wegstrecke.

Versicherungsbetrug ist eine Straftat

Während viele Versicherungsbetrüger ihre Tat als Kavaliersdelikt betrachten, handelt es sich nach § 263 des Strafgesetzbuches (StGB) um eine Straftat. Bei einer Verurteilung drohen den Betrügern hohe Geldstrafen oder - je nach Schwere des Falles - sogar Freiheitsstrafen. Wird einer Person Versicherungsbetrug nachgewiesen, so kann der Versicherer nicht nur vom Vertrag zurücktreten und die Schadenszahlung verweigern. Zusätzlich muss der Betrüger auch die Sachverständigenkosten erstatten.

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  • Fingierte Schadenfälle: Bei einem fingierten Ereignis ist ein realer Schaden eingetreten, der nicht versichert ist. Doch der Schaden wird so gemeldet und entsprechend konstruiert, dass ein Schaden angenommen werden kann. Zum Beispiel, wenn der Besitzer eines Smartphones dieses fallen lässt und das Display kaputtgeht - und dann ein Freund überredet wird den Schaden seinem Haftpflichtversicherer zu melden, damit dessen Haftpflichtversicherung zahlt.
  • Fiktive Schadenfälle: Wie der Begriff schon sagt, werden bei fiktiven Schäden Ereignisse geltend gemacht, die nie stattgefunden haben. Sie werden daher auch als „Papierschäden“ bezeichnet. Häufig sind Personen beteiligt, die selbst in der Versicherungsbranche tätig sind und entsprechende Dokumente fälschen. Aufsehen erregte beispielsweise ein Fall in Bayern, bei dem ein Versicherungsmakler gefälschte Arztrechnungen bei einem Krankenversicherer einreichte und so einen hohen fünfstelligen Betrag ergaunerte.
  • Provozierte Schadenfälle: Bei provozierten Schadenfällen wird ein Schaden durch den Geschädigten selbst herbeigeführt, um die Versicherung der Gegenseite zur Zahlung zu verpflichten. Der Versicherungsnehmer weiß in der Regel nichts von dem Vorhaben und wird somit selbst zum Opfer. Klassisches Beispiel sind die so genannten Autobumser: vorsätzlich herbeigeführte Verkehrsunfälle, bei denen die Täter oft mit Werkstätten kooperieren, die dann völlig überhöhte Reparaturkosten in Rechnung stellen.
  • Ausgenutzte Schadenfälle: Hier nutzen die Täter ein reales Schadenereignis, um den tatsächlich entstandenen Schaden vorsätzlich zu erhöhen und somit eine höhere Summe gegenüber dem Versicherer geltend zu machen. Dies lässt sich unterteilen in „verlagerte Schadenfälle“, bei denen im Schadensfall andere Personen oder ein anderer Schadentag angegeben wird, um Versicherungsschutz zu erhalten. Und in „betrügerische Vertragsgestaltung“, bei der der Versicherungsnehmer bereits bei Vertragsabschluss bestimmte Tatsachen vortäuscht, die für die Höhe der Prämie entscheidend sind oder überhaupt dafür, dass der Vertrag zustande kommt.

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