Im Jahr 2023 werden voraussichtlich 84,25 Milliarden Euro als Bundeszuschuss in die Deutsche Rentenversicherung fließen. Das ist eine hohe Summe, die von Boulevardmedien wie der BILD-Zeitung gerne skandalisiert wird und als Argument für die mangelnde Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente herhalten muss. Mit diesem Geld werden aber auch sogenannte versicherungsfremde Leistungen finanziert. Dahinter verbergen sich, vereinfacht gesagt, gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die der Rentenversicherung aufgebürdet werden und die nicht durch die Beiträge der gesetzlich Rentenversicherten gedeckt sind. Denn große Bevölkerungsgruppen wie Selbständige, Rechtsanwälte, Ärzte etc. zahlen bekanntlich nicht oder nur wenig in die Rentenkasse ein.

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Versicherungsfremde Leistungen nicht klar abgegrenzt

Aber was genau zählt zu den versicherungsfremden Leistungen, wie viel kosten sie - und sind die hohen Bundeszuschüsse angemessen? Oder fallen sie sogar zu niedrig aus, sodass die gesetzlich Rentenversicherten zu Unrecht für Aufgaben aufkommen müssen, die eigentlich gesamtgesellschaftlich zu finanzieren wären? Der Bundesrechnungshof kritisiert in seinen aktuellen Bemerkungen 2023, dass hier eine große Unklarheit herrscht. Denn die Politik drückt sich davor, genau zu definieren, was alles dazu gehört - und was eben nicht. „Welche Leistungen der Rentenversicherung konkret versicherungsfremd sind, ist nicht geklärt. Es gibt keine gesetzliche Abgrenzung, nur verschiedene Vorschläge von unterschiedlichen Institutionen, wie man versicherungsfremde Leistungen von Versicherungsleistungen abgrenzen könnte“, so schreiben die Finanzprüfer in ihrem Bemerkungen.

Der Bundesrechnungshof weist darauf hin, dass die gesetzliche Rentenversicherung Bund mit einem engen und einem weiten Begriff der versicherungsfremden Leistungen arbeitet. Die enge Abgrenzung bezieht sich hierbei auf eine Definition vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger aus dem Jahr 1995. Darunter fallen zum Beispiel:

  • Leistungen, die Kindererziehung honorieren,
  • Rentenzuschläge für Personen mit vormals niedrigen Einkommen wie die Grundrente und
  • Zeiten, die rentenerhöhend wirken, in denen jedoch keine oder geringe Beiträge entrichtet wurden.

Dem entgegen steht eine erweiterte Abgrenzung, die mehr Leistungen umfasst - und entsprechend, wenn man sie als Grundlage nimmt, auch mehr Bundeszuschüsse erfordern würde. Sie basiert auf einem Bericht der Bundesregierung an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 2004. Sie stuft zusätzlich Folgendes als versicherungsfremd ein:

  • Teile der Hinterbliebenenrenten und
  • Teile der in den neuen Bundesländern gezahlten Renten, da erworbene Ansprüche aus DDR-Zeiten ebenfalls nicht vollständig durch Beitragszahlungen gedeckt sind.

Pauschale Zahlungen - und fehlender Überblick

Im Jahr 2022 habe der Bund rund 108 Milliarden Euro an die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt, berichtet der Bundesrechnungshof. Auf die Bundeszuschüsse entfielen hierbei 81 Milliarden Euro. Dabei haben die Bundeszuschüsse eine doppelte Funktion: Einerseits sollen sie die finanzielle Stabilität der Rentenversicherung in der alternden Gesellschaft gewährleisten. Und andererseits eben die versicherungsfremden Leistungen pauschal abgelten.

Der pauschale Charakter der Zahlungen trage dazu bei, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Höhe der Bundeszuschüsse und der Höhe der versicherungsfremden Leistungen gebe, schreiben die Prüfer. Es bestehe aber die einhellige Auffassung, dass versicherungsfremde Leistungen nicht durch die Beitragszahler, sondern die Steuerzahlenden -„also die gesamte Gesellschaft“- zu finanzieren seien. Versicherungfremde Leistungen, zum Beispiel aufgrund von Kindererziehungszeiten, seien nicht beitragsgedeckt, aber „gesamtgesellschaftlich erwünscht“.

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Bundesregierung äußert sich nicht zur Höhe der Ausgaben

Der Haken: Das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) äußert sich nicht zur Höhe der versicherungsfremden Leistungen. Zwar ist es nach dem Sozialgesetzbuch verpflichtet, jährlich einen Rentenversicherungsbericht vorzulegen, in dem Parlament und Öffentlichkeit über die Höhe der Rentenausgaben, der Beitragseinnahmen und der Bundeszuschüsse informiert werden. Zu den Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen äußert sich das Ministerium jedoch nicht.

Stattdessen wird die Höhe der versicherungsfremden Ausgaben in unregelmäßigen Abständen vom Spitzenverband der Rentenversicherung ermittelt. Und hier gibt es je nach Definition eine enorme Bandbreite. Nimmt man die enge Abgrenzung als Grundlage, bezifferten sich im Jahr 2020 die Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen auf 63,3 Milliarden Euro. Gemäß der erweiterten Abgrenzung betrugen sie sogar 112,4 Milliarden Euro.

Die Bundeszuschüsse liegen nun innerhalb dieser Bandbreite zwischen enger und erweiterter Abgrenzung, berichtet der Bundesrechnungshof. Im Jahr 2020 betrugen sie zum Beispiel 75,3 Milliarden Euro. Allerdings bewegen sie sich eher in Nähe der Ausgaben gemäß der engen Definition.

Kein Interesse an mehr Transparenz?

Wiederholt haben sich Anfragen im Bundestag den versicherungsfremden Leistungen gewidmet, berichtet der Bundesrechnungshof weiter. Doch das zuständige Bundesarbeitsministerium habe genaue Aussagen hierzu verweigert. „Das BMAS hat erläutert, dass in den gesetzlichen Regelungen keine Koppelung der Bundeszuschüsse an eine Höhe der versicherungsfremden Leistungen angelegt sei. Insoweit sei es nicht weiterführend, die versicherungsfremden Leistungen auszuweisen“, heißt es hierzu im Bericht. Und da die Leistungen auch nicht eindeutig definiert seien, sei es auch nicht möglich, Ausgaben hierfür detailliert aufzulisten.

Eine Auflistung würde auch nicht zu mehr Transparenz beitragen, wies das Ministerium die Kritik stets zurück. Das Argument: Die Diskussion um die versicherungsfremden Leistungen würde häufig nicht aus Gründen der Transparenz geführt. Vielmehr gehe es - je nach Interessenlage - darum, die Forderung nach höheren oder niedrigeren Bundeszuschüssen zu begründen. Auch die Frage der unzureichenden Definition trage nicht zu mehr Transparenz bei. Es sei nicht Aufgabe des Gesetzgebers, eine Leistung als „versicherungsfremd“ oder „nicht versicherungsfremd“ einzustufen. Der Gesetzgeber entscheide transparent sowohl über den Leistungskatalog der Rentenversicherung als auch über die Art der Finanzierung.

Bundesrechnungshof mahnt: Mehr Transparenz auch ohne exakte Definition möglich

Das aber sieht der Bundesrechnungshof anders: Und fordert mehr Transparenz ein. „Zwar gibt es keine gesetzliche Regelung, die einen direkten Zusammenhang zwischen der genauen Höhe der Bundeszuschüsse und der genauen Höhe der versicherungsfremden Leistungen herstellt. Allerdings ergibt sich sehr wohl ein sachlicher Zusammenhang, weil gesamtstaatliche Aufgaben von der gesamten Gesellschaft, also aus Steuermitteln, und Versicherungsleistungen aus Beitragsmitteln zu finanzieren sind“, heißt es im Text der Bemerkung. Andernfalls würden die Beitragszahlenden Leistungen finanzieren, die Aufgaben des Gesamtstaates sind, oder die Steuerzahlenden entsprechend Versicherungsleistungen, wenn zu hohe Bundeszuschüsse fließen. "Deshalb ist es sinnvoll, die Höhe der versicherungsfremden Leistungen offenzulegen. Dies würde Transparenz bei den versicherungsfremden Leistungen schaffen", schreiben die Finanzprüfer.

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Es gehe auch gar nicht darum, die versicherungsfremden Leistungen exakt zu definieren, argumentiert der Bundesrechnungshof weiter. Was dazu gehöre und folglich gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, darüber werde es immer unterschiedliche Ansichten geben. Die Transparenz stiege aber schon deutlich, wenn das BMAS die versicherungsfremden Leistungen regelmäßig in der engen und in der erweiterten Abgrenzung ausweisen und quantifizieren würde. Dies sei auch mit einer gewissen Bandbreite möglich.

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