Mit den Themen „Aktienrente“ und „Generationenkapital“ oder den Empfehlungen der „Fokusgruppe Altersvorsorge“ nahm die Debatte um zusätzliche Altersvorsorge in diesem Jahr deutlich Fahrt auf. Klar ist auch: Der demografische Wandel rüttelt an den Grundfesten des Umlagesystems. Und wachsen die Bundeszuschüsse zur Rentenkasse in einem ähnlichen Ausmaß wie bislang, droht dem deutschen Staat Handlungsunfähigkeit. Bereits 2024 sind 127 Milliarden Euro Bundeszuschuss für die Rentenkasse eingeplant – der mit Abstand größte Posten im Bundeshaushalt.

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Politiker scheuen die nötige Rentenreform

Aber trotz dieser alarmierenden Gemengelage scheuen politische Verantwortungsträger bislang den Versuch einer großen Rentenreform. Die Folge: Zusätzliche Altersvorsorge wird vernachlässigt, weil sich Bürger angesichts des Reformstaus in falscher Sicherheit wiegen oder Ergebnisse einer Rentenreform abwarten wollen.

Dass eine solche Haltung sich bitter rächen kann, zeigen nun Berechnungen der Geldanlage-Plattform WeltSparen. Ziel der Berechnungen ist es, die Größe der Rentenlücke für Durchschnittsverdiener in verschiedenen Altersklassen aufzuzeigen – und zu verdeutlichen, welcher Geldbetrag schon heute auf dem Konto liegen müsste, um die Rentenlücke vollständig zu schließen.

So hat WeltSparen gerechnet

Als Grundlage für die Berechnungen dienen die durchschnittlichen Bruttoeinkommen aus 2022 von Stepstone und die Angaben des Statistischen Bundesamts zur Lebenserwartung in Deutschland. Darauf basierend wurden anhand der gegebenen Durchschnittseinkommen die Nettogehälter für die einzelnen Altersgruppen berechnet. Hierfür wurde jeweils eine Person mit Steuerklasse 1 und Wohnsitz in den alten Bundesländern angenommen.

Die möglichen Ersparnisse beruhen auf einer Sparquote von zehn Prozent des Nettogehaltes, das sich zwischen den gegebenen Datenpunkten bei 30, 40, 50 und 60 Jahren jeweils konstant verändert und ab 60 Jahren bis zum Renteneintritt unverändert bleibt. Die angegebene Rentenlücke wurde mit dem Raisin Pension-Cockpit berechnet. Angenommen wurde dabei ein Berufseinstieg mit 25, ein Renteneintrittsalter von 67 sowie ein Rentenbezug bis 81 Jahre (und in der Rentenphase eine Inflation von zwei Prozent sowie Rentensteigerungen in Höhe von 1,5 Prozent pro Jahr). Die Daten wurden am 05.07.2023 erhoben.

Rentenlücke: So viel brauchen 30- und 40-Jährige schon jetzt

Daten des Karriere-Portals Stepstone zeigen, dass 30-Jährige im Durchschnitt über ein Jahreseinkommen von 44.606 Euro verfügen. 2023 entspricht dieser Wert einem Nettogehalt von 2.438 Euro im Monat. Für eine unverheiratete, kinderlose Person, die seit ihrem 25. Lebensjahr in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt, würde sich daraus eine Netto-Rente in Höhe von 1.386 Euro ergeben.

Will diese Person im Alter den eigenen Lebensstandard auf dem Niveau von etwa 2.400 Euro halten, würden durchschnittlich 1.014 Euro fehlen – jeden Monat. Unterstellt man einen Renteneintritt mit 67 Jahren und eine Rentenbezugsdauer von 14 Jahren, würden fast 170.000 Euro fehlen. 30-Jährige, die ab sofort zehn Prozent ihres monatlichen Netto-Einkommens zur Seite legen, könnten bis Renteneintritt rund 122.000 Euro ansparen, schreibt WeltSparen.

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Doch damit wäre die rechnerische Rentenlücke noch immer nicht gestopft. Die restlichen 48.000 Euro müssten 30-Jährige bereits heute auf ihrem Konto liegen haben, um die Rentenlücke später vollständig schließen zu können und ihren Lebensstil im Alter nicht einschränken zu müssen, so die Experten.

Wieviel Geld 40-Jährige brauchen, um ihre Rentenlücke zu schließen

Wer 40 Jahre alt ist, verdient durchschnittlich 52.221 Euro brutto im Jahr. Das entspricht 2023 etwa 2.775 Euro netto im Monat. Nach aktuellem Stand würde sich daraus eine monatliche Netto-Rente in Höhe von 1.578 Euro ergeben. Um den Lebensstandard von 2.800 Euro zu halten, wären bei Renteneintritt zusätzlich 1.222 Euro pro Monat notwendig.

Unterstellt man eine Rentenbezugsdauer von 14 Jahren, fehlen 205.000 Euro. Mit einer monatlichen Sparrate von zehn Prozent könnten voraussichtlich 91.000 Euro angespart werden. Zum vollständigen Ausgleich der erwarteten Rentenlücke fehlen aber immer noch 114.000 Euro.

Rentenlücke: 50- und 60-Jährige brauchen deutlich höhere Rücklagen

Das von Stepstone ermittelte jährliche Bruttogehalt von 50-Jährigen beträgt 53.720 Euro, 2.840 Euro netto im Monat. 60-Jährige verdienen durchschnittlich 53.549 brutto im Jahr und damit 2.832 Euro netto im Monat. Ausgehend davon ergeben sich Rentenansprüche von rund 1.882 Euro (1.615 Euro netto) für 50- und 1.887 Euro (1.659 Euro netto) für 60-Jährige.

Um den aktuellen Lebensstandard auch ab 67 aufrechtzuerhalten, fehlen 50-Jährigen durchschnittlich 1.185 Euro pro Monat, sodass sich bei ihnen eine Rentenlücke von 199.000 Euro ergibt. Sparen sie zehn Prozent ihres jeweiligen Nettogehalts, kommen noch 58.000 Euro zusammen – 141.000 Euro sollten sie also bereits im Alter von 50 Jahren auf dem Konto haben. 60-Jährige kommen mit einer Sparquote von zehn Prozent des Nettogehaltes bis zur Rente mit 67 nur noch auf Ersparnisse in Höhe von 24.000 Euro. Bei einer Rentenlücke von rund 192.000 Euro sollten sie dementsprechend bereits 168.000 Euro für einen finanziell sorgenfreien Ruhestand gespart haben.


Die Berechnungen in der Übersicht

In einer Grafik hat Versicherungsbote die WeltSparen-Berechnungen zusammengefasst: a) Alter; b) Erspartes; c) Sparpotential (bei 10 Prozent Sparquote) und d) Rentenlücke bei einer Rente ab 67. Das Ergebnis sieht wie folgt aus:

Versicherungsbote Fachmagazin 02-2023

Was bei den Berechnungen zu bedenken ist

Die Berechnungen von WeltSparen könnten für viele Deutsche positiver ausfallen als die reale spätere Situation. Denn WeltSparen unterstellt eine maximale Rentenbezugsdauer von 14 Jahren. Das geht aber schon heute an der Realität vorbei. So zeigt der jüngste Rentenatlas der Deutschen Rentenversicherung, dass die durchschnittliche Rentenbezugsdauer 2022 bei Männern rund 18,8 Jahre und bei Frauen rund 22,2 Jahre betrug. Allerdings ist die Erhebung von WeltSparen älter als der Rentenatlas 2023.

Und sicher lässt sich auch gegen die Methodik von WeltSparen argumentieren. So wird unterstellt, dass das Ersparte gar nicht verzinst wird. Die Rentenlücke erscheint dadurch natürlich größer. Im Gegenzug wurde aber auch „nur“ eine Inflation von zwei Prozent angenommen – hier könnten reale Inflationswerte die Annahmen der Rechnung sogar optimistisch erscheinen lassen.

Kritisieren könnte man zudem, dass die angenommene Steuerklasse Berechnungen nur für Single-Haushalte ausweist. Aber die einfache Rechnung dient der Anschaulichkeit des Problems. Wenngleich anderer Steuerklassen vorteilhafter scheinen, wird die Rentenlücke dennoch groß sein.

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Hintergrund: Der Text erschien zuerst im neuen kostenfreien Versicherungsbote Fachmagazin 02-2023. Das Magazin kann auf der Webseite beim Versicherungsbote bestellt werden.

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