Nach dem Hickhack um das Heizungsgesetz kündigt sich in der Bundesregierung ein weiterer Streit um ein wichtiges Reformprojekt an. Diesmal geht es um das sogenannte Generationenkapital, das auch unter dem Begriff „Aktienrente“ bekannt ist. Es soll das Umlageverfahren mit einem Kapitalstock ergänzen: aus Sicht vieler Ökonomen ein längst überfälliger Schritt. Das Projekt wurde vor allem von der FDP vorangetrieben.

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Finanzierung über „Sondervermögen“

Dass die Grünen wenig Gefallen an der Aktienrente finden, ist keine neue Erkenntnis. Bereits im Dezember 2022 hatte Markus Kurth die Pläne von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kritisiert. Ziel der Aktienrente in ihrer jetzigen Form ist es, zusätzliches Kapital anzusparen, um das Rentenniveau ab Mitte der 2030er Jahre zu stabilisieren und einen notwendigen Anstieg der Rentenbeiträge zu verhindern. Denn immer mehr Altersrentnern stehen künftig immer weniger Personen im erwerbsfähigen Alter gegenüber. Hierfür sollen zunächst zehn Milliarden Euro einem öffentlich-rechtlichen Fonds anvertraut werden. In den kommenden Jahren entscheidet dann die jeweilige Regierung, wie viel Geld in den Fonds fließt. Ziel ist es, ihn jährlich mit frischem Geld zu füttern.

Der federführende Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Christian Lindner seien sich weitestgehend einig, berichtet das „Handelsblatt“ aus Regierungskreisen. Bedenken melde hingegen das von Robert Habeck (Grüne) geführte Bundeswirtschaftsministerium an.

Die Grünen haben ein Gutachten beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags beauftragt, und treffen damit Christian Lindner an einem wunden Punkt. Lindner betont stets, wie wichtig es ihm sei, die Schuldenbremse einzuhalten und die Staatsverschuldung nicht in die Höhe zu treiben. Doch das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die Aktienrente verfassungsrechtlich bedenklich ist. Grund ist ausgerechnet die Schuldenbremse, denn die Finanzierung könnte allein darauf abzielen, diese zu umgehen.

Konkret ist geplant, dass der Bund die 10 Milliarden Euro für das Generationenkapital zunächst als Kredit aufnimmt und sie an die Stiftung überträgt, der das Generationenkapital als rechtlich selbständiges Sondervermögen verwalten soll. Ein Sondervermögen sei aber nur zulässig, wenn es nicht primär den Zweck habe, die in der Verfassung geregelte Schuldenbremse zu umgehen, so heißt es laut „Handelsblatt“ in dem Gutachten. Da mit dem Vermögen keine eigenen Sachaufgaben verbunden seien (z.B. die Schaffung von Wohnraum bei einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft), sondern es ausschließlich zur Finanzierung von Bundesaufgaben verwendet werde, liege der Verdacht nahe, dass mit der Finanzierung die Schuldenbremse umgangen werden solle.

Darüber hinaus sehe Thomas Weck von der Frankfurt School of Finance & Management wettbewerbsrechtliche Bedenken, berichtet das „Handelsblatt“ weiter. Der Staatsfonds sei am Kapitalmarkt Wettbewerber privater Altersvorsorge-Anbieter. Bekomme er Vorurteile gegenüber den privaten Anbietern eingeräumt bekommen, so könnten diese als verbotene staatliche Beihilfen gewertet werden. So ist zum Beispiel denkbar, dass der Bund Kredite unter dem marktüblichen Zins aufnehmen kann - ein möglicher Verstoß gegen EU-Beihilferecht.

Kapitalstock ohnehin zu niedrig?

Dass ein Kapitalstock als Ergänzung zum Umlageverfahren sinnvoll ist, darüber sind sich viele Ökonomen einig. Doch auch aus diesen Kreisen kommt Kritik. Die angedachten Beträge seien viel zu niedrig, um überhaupt einen wirksamen Effekt auf den Rentenbeitrag erzielen zu können. Im Jahr 2060 müssten schon 860 Milliarden Euro angespart worden sein, um das Rentenniveau zu sichern, so hatte Jochen Pimpertz gewarnt, Rentenexperte am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. Zum Vergleich: der Norwegische Staatsfonds als größter derartiger Kapitalstock der Welt verwaltete 2021 ein Vermögen von 1,16 Billionen Euro. Allein im ersten Halbjahr des letzten Jahres erwirtschaftete er eine Rendite von rund 95 Milliarden Euro: fast das Zehnfache dessen, was die Bundesregierung als Anschub investieren will.

Diesen Kritikpunkt nimmt Grünen-Experte Markus Kurth auf. „Ein Element der Kapitaldeckung im Umlagesystem müsste ein gewaltiges Finanzvolumen im mittleren dreistelligen Milliardenbereich haben, um überhaupt spürbare dämpfende Effekte auf den Beitragssatz zu erzielen“, sagt Kurth dem „Handelsblatt“. Ein Beitragssatzpunkt entspreche gut 17 Milliarden Euro jährlich.

Stattdessen setzen die Grünen auf die Ausweitung des „Erwerbspersonenpotenzials“ – also darauf, mehr Ältere, Frauen und Zuwanderer als Beitragszahler zu gewinnen. Das überrascht insofern, weil sich die Grünen noch 2019 ebenfalls für einen Staatsfonds ausgesprochen haben, der in ihrem Modell allerdings die Riester-Rente als Vorsorgemöglichkeit ersetzt. Doch dieser Staatsfonds sollte Kern der privaten Altersvorsorge sein und somit nicht Teil der öffentlich-rechtlichen Pflichtsysteme.

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