Die gesetzlichen Krankenkassen stehen vor einem erheblichen finanziellen Defizit. Bereits in diesem Jahr wird ein Minus von mindestens 17 Milliarden Euro erwartet, weshalb die Bundesregierung den durchschnittlichen Zusatzbeitrag für 2023 um 0,3 Prozentpunkte erhöht hat. Dieser Zusatzbeitrag, der zusätzlich zum allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent erhoben wird, beläuft sich derzeit auf 1,6 Prozent des Bruttolohns. Die Hälfte davon wird vom Arbeitgeber getragen.

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Auch für 2024 rechnen die Krankenkassen damit, dass der Zusatzbeitrag weiter steigen muss. Demnach wird ein weiteres Plus von 0,2 oder 0,3 Prozentpunkten erwartet. Auch im Bundesgesundheitsministerium stellt man sich laut dem Bericht auf eine weitere Beitragserhöhung ein. Sollte der Zusatzbeitrag im kommenden Jahr um weitere 0,3 Prozentpunkte steigen, müssten die Versicherten bis zu 180 Euro im Jahr mehr für ihren Krankenschutz zahlen.

Aufgrund des Milliardendefizits in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fordern die Parteivorsitzenden von SPD und Grünen eine stärkere Belastung für Besserverdienende. GKV-Mitglieder, die mit ihrem Bruttogehalt über der Beitragsbemessungsgrenze liegen, sollen demnach deutlich mehr zahlen.

Die Beitragsbemessungsgrenze in der GKV gibt die Höhe des Einkommens an, das mit Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung belastet werden kann. Bis dahin ist das Einkommen beitragspflichtig, alles darüber ist beitragsfrei. Derzeit liegt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung bei 59.850 Euro pro Jahr bzw. monatlich 4.987,50 Euro.

Neben gestiegenen Gesundheitsausgaben lässt auch die steigende Lebenserwartung die Kosten weiter ansteigen. „Wenn also Mehreinnahmen im Gesundheitswesen benötigt werden, um diese Kostensteigerung zu bewältigen, dann kann die maßvolle Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze meines Erachtens ein vernünftiger Weg sein.“, sagte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken dem Handelsblatt. In die gleiche Kerbe schlägt auch die Grünen-Chefin Ricarda Lang: „Pauschale Beitragserhöhungen sind langfristig nicht die Lösung“

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Auch SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt fordert eine „deutliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze“ in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Anhebung sollte auf das Niveau der Rentenversicherung (7.300 Euro/West; 7.100 Euro/Ost) erfolgen.

Wiederkehrendes Thema: Beitragsbemessungsgrenze

Es ist nicht das erste Mal, dass Politiker eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze fordern. Vor knapp einem Jahr hatten die Grünen im Bundestag das Thema zuletzt ins Spiel gebracht. "Wir müssen mehr Solidarität im System schaffen“, sagte Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen, damals gegenüber der Presse-Agentur "dpa". Starke Schultern müssten gerade in "Krisenzeiten mehr Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen“. Deshalb dürfe es kein Tabu sein, die Beitragsbemessungsgrenze raufzusetzen.

Brisant heute wie damals: Im Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen ist nicht vorgesehen, diese anzuheben. „Aber damals waren uns auch die enormen Preissteuerungen noch nicht absehbar“, sagte Dahmen vor Jahresfrist. Die gesetzliche Krankenversicherung brauche höhere Einnahmen, gleichzeitig müssten viele Beitragszahlende entlastet werden. „Wir können einem Großteil der Menschen in naher Zukunft nicht auch noch höhere Krankenkassenbeiträge zumuten“, so der studierte Notfall-Mediziner damals.

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Anno 2023 scheint der Druck auf die Kassen noch höher zu sein als im Vorjahr. Deshalb wird auch darüber diskutiert, die Versicherungspflichtgrenze und damit die Hürde für den Wechsel in die private Krankenversicherung (PKV) anzuheben. Dies würde auch einen Schlag für die Private Krankenversicherung bedeuten, da nur Arbeitnehmer mit einem Spitzengehalt die Gesetzliche Krankenkasse verlassen könnten. Da die FDP für die Wahlfreiheit zwischen GKV und PKV ist, zeichnet sich ein weiterer Konflikt in der Koalition ab.

Scharfe Kritik zu den neuerlichen Plänen kommt unter anderem von der Vereinigung der Bayrischen Wirtschaft (vbw). Eines der wichtigsten Argumente der Wirtschaftsvereinigung: Eine solche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze wäre ein klarer Standortnachteil: „Die angedachte Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) belastet sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber stark. Die Folgen für die Lohnzusatzkosten wären erheblich und ein klarer Standortnachteil. Bei den Arbeitgebern würden die von der Kranken- und Pflegeversicherung verursachten Lohnzusatzkosten um bis zu 46,4 Prozent steigen. Eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze wäre nichts anderes als eine Sondersteuer auf den Faktor Arbeit. Daher sagen wir klar: Der Wettbewerb zwischen gesetzlichen und privaten Krankenkassen muss erhalten bleiben“, so vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.

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