Wechselflut bei Krankenzusatz verhindern

Dr. Dirk Schmidt-GallasDr. Dirk Schmidt-GallasSenior Partner und Leiter der globalen Versicherungs-Practice bei Simon-Kucher & PartnersSimon-Kucher & PartnersWachsende Unsicherheiten auf Kundenseite – eine Entwicklung, die vielen Verantwortlichen im Vertrieb die Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Und auch wenn die Inflation zuletzt zurückgegangen ist, dürfte sie aufgrund der einsetzenden Lohn-Preis-Spirale ein anhaltendes Thema bleiben. Ein Aspekt, der die Kunden weiter verunsichern kann. Die große Frage, die Versicherer seit Beginn der Inflation daher beschäftigt, ist: Wie reagieren ihre Kunden darauf? Eine aktuelle Studie von Simon-Kucher zeigt, dass es bei mehr als der Hälfte der Befragten eine höhere Wechselbereitschaft bei ihren Krankenzusatzversicherungsprodukten gibt als vor der Inflation – wobei diese bei Männern deutlich höher liegt als bei Frauen. Und hinsichtlich der Altersgruppen sind es die 25- bis 44-Jährigen, die Versicherer am stärksten im Blick behalten sollten. Denn die Millennials und die Generation Z würden im Vergleich am ehesten mit ihrer Krankenzusatzversicherung zu einem anderen Anbieter abwandern.

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Unsichere Zeiten – und doch keine Ebbe im Portemonnaie?

Dr. Bastian WalterDr. Bastian WalterDirector in der globalen Versicherungs-Practice bei Simon-Kucher & PartnersSimon-Kucher & PartnersParadoxerweise ist mit der Inflation und der wachsenden Unsicherheit auf Versichertenseite jedoch auch die Zahlungsbereitschaft bei ihren Krankenzusatzversicherungen gestiegen. Fast zwei Drittel der Befragten sind bereit, bei den Krankenzusatzversicherungen tiefer in die Tasche zu greifen – und das bei gleichbleibenden Leistungen. Doch Goldgräberstimmung sollte unter den Versicherern deswegen dennoch nicht aufkommen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine „one size fits all“-Lösung hier nicht zum gewünschten Vertriebserfolg führt: Denn Frauen sind deutlich preissensitiver als Männer. Außerdem spielen das Alter und das Einkommen eine wichtige Rolle. Je älter die Kunden, desto mehr achten sie bei ihren Krankenzusatzversicherungen auf den Preis. Beim Einkommen sind es wiederum die Kunden im Segment zwischen 3.000 € und 4.000 €, die am stärksten auf Preisänderungen reagieren.

Um das Risiko einer Kündigung zu minimieren und gleichzeitig die erhöhte Zahlungsbereitschaft der Bestandskunden auszuschöpfen, sollten Versicherer also ihre Zielgruppen für Krankenzusatzversicherungsprodukte gut kennen. Dann haben sie auch die Chance, zusätzliches Potenzial zu heben. Denn zwei Drittel der Befragten sind bereit, einen höheren Beitrag zu zahlen, wenn ihnen vom Versicherer zusätzliche Leistungen und Services geboten werden, die zu ihren Lebensumständen passen – der gezielte Einsatz von Value-Adds ist Trumpf. Wichtig dabei ist jedoch: Die Leistungen müssen einen positiven Deckungsbeitrag bringen, ansonsten gibt es keine Entlastung vom Kostendruck.

Mit Vaule-Adds die Chancen auf Zusatzumsätze nutzen

Obwohl die Versicherten aufgrund der Inflation unsicherer geworden sind und die Zahlungsbereitschaft daher im Schnitt geringer ist, lässt sie sich auch im Neukundengeschäft deutlich steigern. Laut der Studie akzeptieren etwa 48 Prozent der Studienteilnehmer höhere Preise bei ihrer Krankenzusatzversicherung, wenn im Gegenzug Leistungen und Services on top kommen. Dass sich solche gezielten Value-Adds für Versicherer bei Krankenzusatzversicherungen lohnen, zeigt der Vergleich: Bleiben bei steigenden Preisen die Risiken gleichbleibend abgesichert, wären nur knapp 40 Prozent der Neukunden dazu bereit, mehr zu bezahlen – die Zusatzleistungen machen ein Plus von 21 Prozent aus.

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Nichtsdestotrotz müssen Versicherer darauf achten, ihre Produkte im Neugeschäft so zu positionieren, dass sie auch bei gestiegenen Preisen gegenüber dem Wettbewerb attraktiv sind. Schließlich vergleichen mehr als Dreiviertel der potenziellen Neukunden gelegentlich beziehungsweise häufig beim Abschluss einer Krankenzusatzversicherung die Angebote. Durch die von der Inflation ausgelösten Unsicherheiten bei den Versicherten hat die Absicht, einen Versicherungsvergleich vorzunehmen, bei mehr als zwei von drei Befragten sogar zugenommen – wie die Studie deutlich macht.

Entgolden als goldener Mittelweg

Ein weiteres Mittel, mit dem Krankenversicherer bei Zusatzversicherungen aktives Price-Management betreiben und Kosten senken können, ist die Entgoldung ihrer Produkte. Das bedeutet: Die Zugpferde behalten und unnötige Leistungen aus dem Angebotsspektrum entfernen. Immerhin gaben mehr als sechs von zehn Befragten an, dass Krankenzusatzversicherungsprodukte Leistungen enthalten, die sie nicht wertschätzen oder benötigen – was vor allem auf Männer und die Altersgruppe der 25-34-Jährigen zutrifft. Der goldene Mittelweg ist demnach bei den Krankenzusatzversicherungen gefragt.

Mit einer cleveren Strategie dem Vertrieb neue Impulse verleihen

Damit Krankenversicherer trotz Inflation, unsicheren und preissensitiveren Versicherten sowie einer stärkeren Vergleichs- und Wechselbereitschaft bei Krankenzusatzversicherungen ihre Kunden behalten und neue gewinnen können, sollten sie bei ihrer Preisstrategie strategisch vorgehen. Dabei hilft es, die einzelnen Kundensegmente und Märkte hinsichtlich ihrer Zahlungsbereitschaft im Blick zu behalten. Außerdem sollten sie Produkte, Packaging und Preise so optimieren und anpassen, dass sie zu den Kundensegmenten und den Zahlungsbereitschaften passen.

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Auf der kommunikativen Seite ist hingegen die Entwicklung einer attraktiven Preis-Wert-Kommunikation, die ihren Fokus auf dem Wert für die Kunden und nicht den zusätzlichen Kosten hat, wichtig. Berücksichtigen Versicherer bei Krankenzusatzversicherungen diese Punkte, haben sie die Chance, die Wechselbereitschaft ihrer Bestandskunden zu reduzieren, die Akzeptanz von Preiserhöhungen zu verbessern, die Conversion Rate bei der Neukundengewinnung zu steigern und ungenutztes Potenzial zu heben.

Doch damit der Erfolg der Maßnahmen auch eindeutig gemessen werden kann, muss die Umsetzung gesteuert und kontrolliert werden. Dazu gehört, im Rahmen des Preis-Controlling Transparenz zu schaffen, indem der Versicherer etwa Prämien-Kennzahlen festlegt. Außerdem hilft es beim Monitoring, Prozess und Richtlinien durch Prämiendurchsetzung zu etablieren und bei der Verkaufssteuerung Softwareprogramme einzusetzen.
Behalten Versicherer bei den Krankenzusatzversicherungen all das im Blick, können sie auch raue Gewässer sicher durchqueren.

Trotz Inflation und Unsicherheiten bei den Versicherten die Wechselbereitschaft reduzieren und die Zahlungsbereitschaft erhöhen

Empfehlungen für Versicherer bei Krankenzusatzversicherungsprodukten:

  1. Schöpfen Sie die zusätzliche Zahlungsbereitschaft im Bestand aus, aber differenzieren Sie nach Kundengruppen und Märkten.
  2. Setzen Sie gezielt Value-Adds im Bestand ein, um das Kündigungsrisiko zu reduzieren, aber verschlimmbessern Sie nicht.
  3. Schöpfen Sie die zusätzliche Zahlungsbereitschaft im Neugeschäft aus, aber achten Sie dabei auf die steigende Vergleichsbereitschaft.
  4. Positionieren Sie Ihre Produkte im Neugeschäft so, dass die erhöhten Preise auch beim intensiveren Vergleichen noch attraktiv sind.
  5. Bieten Sie im Neukundengeschäft zusätzliche Leistungen und Services an, um die erhöhte Zahlungsbereitschaft auszuschöpfen, aber achten Sie darauf das richtige Maß zu finden.
  6. Entgolden Sie Ihre Produkte, um in passenden Segmenten Kosten zu reduzieren, aber verlieren Sie nicht die Zugpferde.


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