Versicherungsbote: Der Großteil der deutschen Versicherer hat in diesem Jahr massiv die Wohngebäudeprämien angehoben. Gründe dafür sind u.a. der gestiegene Baupreisindex, die Lohnkosten für das Baugewerbe, die enormen Schadenkosten durch das Unwetter 'Bernd' und die aktuelle Inflation. Gibt es aus Ihrer Sicht weitere Faktoren, die für diese Preisentwicklung verantwortlich sind?

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Obwohl alle Gesellschaften seit vielen Jahren versuchen, ihre Schadenquoten in den Griff zu bekommen, zählt die Wohngebäudeversicherung nicht erst seit 'Bernd' (2021) zu den Verlustsparten in der Kompositversicherung. So betrug die Schaden-Kosten-Quote des Gesamtmarktes im Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre (2000 bis 2019) rund 106 Prozent. Selbst im Zeitraum von 2014 bis 2018, als die Branche vergleichsweise wenig Elementarschäden zu verzeichnen hatte, lag die Quote bei rund 98 Prozent.

Die Gründe für diese negativen Entwicklungen sind vielfältig. Die Wohngebäudeversicherung ist eine Sparte, die sich in den letzten Jahren unterschiedlichen Herausforderungen ausgesetzt sah. Zunehmende Wetterextreme wie 'Bernd' in 2021, aber auch veraltete Gebäudestrukturen bzw. Bausubstanzen (vor allem Rohr- und Leitungssysteme), machen Anbietern von Wohngebäudeversicherungen und Kunden in Form von zahlreichen sowie teuren Schäden schon länger zu schaffen. Diese Ursachen sind seit Jahren bekannt. Die Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung der Versicherer (Solvency II) und der damit verbundene Ertragsdruck verstärken dies noch zusätzlich. Vor diesem Hintergrund ist mit einer weicheren Marktsituation in der Gebäudesparte aktuell nicht zu rechnen.

Was ist Ihre Prognose für 2024 – müssen wir uns dort erneut auf Preissteigerungen in der Wohngebäudeversicherung einstellen?

Die Kosten, die für Reparatur oder Wiedererrichtung eines Gebäudes benötigt werden, steigen Jahr für Jahr im Rahmen der Inflation. Wären Wohngebäude zu einer festen Versicherungssumme versichert, dann würde die vereinbarte Versicherungssumme schon nach kurzer Zeit nicht mehr ausreichen, um einen Totalschaden eines Gebäudes abzudecken. Um eine solche Unterversicherung zu verhindern, gibt es die Versicherung zum gleitenden Neuwert.

Für 2023 stieg der Anpassungsfaktor im Vergleich zum Vorjahr um knapp 15 Prozent. Im Durchschnitt lag der Anstieg in den letzten 10 Jahren bei etwa 3 Prozent pro Jahr. In einer Zeit steigender Inflation, hoher Bau- und Energiekosten treffen diese massiven Anpassungen viele Hausbesitzer hart, zumal viele Versicherer aus den genannten Gründen zusätzliche Beitragsanpassungen fahren. Maklerkollegen berichten mir von Beitragssteigerungen in der Spitze von 30 Prozent je nach Tarifmodell.

Meine Prognose für 2023/2024: Die allgemeinen Baukosten und Bauzinsen werden weiter steigen, allerdings nicht mehr im selben Tempo wie im Vorjahr. Dennoch wird es auch zum Jahreswechsel wieder eine spürbare Anpassung geben. Ein Ende ist noch nicht in Sicht.

Wie lautet Ihre Empfehlung, wie Vermittler Ihren Kunden die massiven Preissteigerungen erläutern sollen? Geht es hier primär darum, Verständnis zu wecken oder haben Sie andere Empfehlungen? Umdeckung zu anderen Versicherern zum Beispiel? Gibt es hier smarte Vertriebsansätze?

Eine pauschale Empfehlung ist schwierig. Hier ist sicherlich Augenmaß gefragt. Ein Jurist würde sagen: 'Es kommt darauf an!' Nicht jedes Gebäude ist gleich - nicht jeder Tarif aktuell. Grundsätzlich empfehlen wir unseren Kooperationspartnern das Thema proaktiv bei den Kunden anzusprechen und die Hintergründe zu erläutern. Vorschnell sollte kein Verbraucher seine Gebäudeversicherung kündigen - speziell bei älteren (unsanierten) Gebäuden oder Immobilien mit Vorschäden haben diese Kunden dann Schwierigkeiten, neuen (bedarfsgerechten) Versicherungsschutz zu erhalten.

Wir als Makler haben unterschiedliche Optionen, auf die derzeitigen Beitragssteigerungen zu reagieren. Neben der Einführung einer Selbstbeteiligung (damit ist ein Nachlass verbunden) bieten einige Gesellschaften auch einen Stufenplan mit Mehrjährigkeit an. Eine Umdeckung in einen neuen Rahmenvertrag, der Ausschluss einer versicherten Gefahr (hier ist Vorsicht geboten) kann im Einzelfall kurzfristig helfen. Eine Kompensation aus anderen Sachsparten bzw. die Bündelung von Risiken (damit ggf. Bündelnachlass) kann ein Mittel sein, die Beiträge zu reduzieren.

Immobilienbesitzer sollten in Zukunft deutlich mehr das Thema Prävention in den Blick nehmen. Einer meiner Leitsätze war schon immer: Schadenverhütung ist immer besser als Schadenregulierung!

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Vor allem die neuen Möglichkeiten der digitalen Vernetzung, die das smarte Zuhause bietet, können präventiv eingesetzt werden. Ein Beispiel dafür ist der sogenannte Wasserwächter. Dieser überwacht die Wasserleitungen und warnt den Hausbesitzer bei Leckagen, minimiert Wasserschäden und verhindert Wasserverschwendung. Im Schadenfall wird das Wasser automatisch abgestellt und der Eigentümer benachrichtigt. Hier bieten wir unseren Gebäude-Kunden bereits heute eine (kostenlose) Lösung gemeinsam mit einem Risikoträger an.

Wohngebäudeversicherung: Einführung von SB-Tarifen wird zunehmen

Wie ist Ihre Prognose für das Thema Wohngebäude an sich auf mittelfristige Sicht – wird sich durch die Beitragssituation die Attraktivität des Abschlusses der Versicherung für Kundinnen und Kunden reduzieren? Und der Vertrieb des Produktes aufgrund der gesteigerten Schwierigkeit?

Das glaube ich nicht. Die Bedeutung der Wohngebäudeversicherungen wurde nicht zuletzt im vergangenen Jahr durch das Unwettertief 'Bernd' wieder mehr als deutlich. Das Eigenheim ist in der Regel die größte Investition im Leben vieler Menschen. Die Gebäudeversicherung bleibt für viele Hausbesitzer eine existenzielle Absicherung.

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Der Markt an Wohngebäudeversicherungen ist gesättigt. Hinzukommen eine weitere Technisierung und Digitalisierung der Gebäude, neue Risiken sowie die Kundenwünsche an schnelle und unkomplizierte Antrags- und vor allem Schadenbearbeitungsprozesse.

Vielmehr wird es mittelfristig noch mehr auf die Beratungskompetenzen des Vermittlers ankommen und im Zuge der Digitalisierung ergeben sich auch neue Chancen im Sinne der Prozess(kosten)optimierung. Die Einführung von SB-Tarifen wird auf Sicht zunehmen - aber auch der Makler muss seine Gebäude-Bestände im Blick behalten und regelmäßig überprüfen.

Herr Streker, „Quo vadis, Wohngebäude?!“ ist Thema des Webinars von ASSPICK am 16. März. Was verbirgt sich hinter diesem Titel – und was können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von der Veranstaltung als Mehrwert(e) erwarten?

Fast täglich lesen wir in der Fachpresse, dass sich Versicherungsgesellschaften vom Gebäudeversicherungsmarkt ganz oder teilweise verabschieden wollen, müssen oder es bereits getan haben. Ebenso mussten wir uns als Makler zum Jahresende mit massiven Prämienerhöhungen oder Änderungskündigungen auseinandersetzen.

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In unserem Webinar (hier geht es zur Registrierung) wollen wir über die aktuellen Entwicklungen am Gebäudemarkt sprechen und den Maklerkollegen Lösungen aufzeigen, wie man mit diesen Herausforderungen im Sinne des Kunden umgehen kann, ohne ausschließlich über Beitragsanpassungen zu diskutieren. Zusätzlich geben wir einen Einblick in unsere Produktwerkstatt (Stichwort nachhaltige Tarife, Smart Home, Energieausweis) und sprechen auch über die Debatte zur Pflichtversicherung einer Elementarschadenversicherung und aktuelle Urteile (Stichwort Fugenschäden) - quasi ein bunter Mix an aktuellen Themen rund um die Gebäudeversicherung. Vertriebliche Impulse gibt es natürlich inklusive. Bei Fragen zum Thema oder zum Webinar freuen wir uns über eine Nachricht!

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