Moderne Autos messen und verwenden mehr Daten, als es jeder Spion aus Fleisch und Blut je könnte. Wer sich wann und wo hinbegibt, wie lange das Auto fährt und steht, aber auch, wie der Fahrer lenkt, bremst und beschleunigt: all das können Autos rein theoretisch abbilden. Ohne derartige Daten würde zum Beispiel ein Tesla viele Services, die zum Standard gehören, gar nicht anbieten können. Dank Navi und Navigationsdiensten können Fahrzeuge im Zweifel sogar Auskunft geben, ob der Fahrer gern Kaffee trinkt oder chinesisch isst und welche Musik er bevorzugt - je nach angesteuertem Reiseziel oder Playlist. Autos sind längst eine Datensammel-Maschine von erschreckender Präzision.

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Wer die von Autos gesammelten Daten erheben und verwenden darf, darüber tobt seit Jahren ein Streit. Bisher bleibt es primär den Autobauern vorbehalten, diese zu nutzen und abzugreifen. Wobei auch die Versicherer in bestimmtem Umfang Zugriff darauf erlangen können, wie sogenannte „Pay as you drive“-Tarife zeigen. Dabei werden mittels App oder Blackbox Fahrzeug-Daten an den Versicherer ermittelt, der die Höhe der zu zahlenden Prämie anhand des Fahrverhaltens berechnet. Wer vorsichtig fährt, erhält Rabatte.

Dennoch gilt aktuell: Es sind die Autohersteller, die sämtliche Daten vernetzter Autos kontrollieren. „Nur die Hersteller wissen, welche Daten die Fahrzeuge zu welchen Zwecken senden. Eine Weiterleitung etwa von Unfall- oder Pannenmeldungen an Dritte ist oft selbst dann nicht möglich, wenn der Autofahrer das möchte“, berichtet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in einem Pressetext. Ein Ende des Datenmonopols werde seit Jahren von verschiedenen Mobilitätsdienstleistern gefordert. Dazu zählen zum Beispiel Versicherer, Leasing-Anbieter, Werkstätten und Automobilclubs.

EU-Gesetz droht zu scheitern

Auch die EU-Kommission sieht das Datenmonopol der Autohersteller skeptisch. Sie wollte ein Gesetz vorstellen, das es auch anderen Dienstleistern erlaubt, die Daten unter bestimmten Voraussetzungen zu nutzen. Doch dieses Gesetzgebungs-Verfahren droht nun zu scheitern. „Der zuständige EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, Thierry Breton, führt das Gesetzgebungsverfahren offenbar nicht fort – mit der Gefahr, dass das Datenmonopol der Autohersteller auch in dieser EU-Legislaturperiode nicht beendet werden kann“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Aus diesem Grund appelliert der GDV nun sogar an die Bundesregierung. „Angesichts der erneuten Verzögerungen fordern wir die EU-Kommission auf, den Gesetzgebungsprozess nicht zu verzögern. Auch die Bundesregierung sollte ihr politisches Gewicht für eine rasche Fortsetzung einsetzen, um das Datenmonopol noch in dieser EU-Legislaturperiode zu beenden“, sagt Asmussen. Konkret sei das entsprechende Vorhaben von den Gesetzgebungs-Instanzen in den Regulierungskontrollausschuss zurückgegeben worden, was eine Verabschiedung des Gesetzes vor der Europawahl 2024 unwahrscheinlich mache.

Die Versicherer argumentieren, dass das Datenmonopol der Autobauer einen freien und fairen Wettbewerb behindere und Verbraucher benachteilige. So müssten die Autofahrer höhere Preise für Services akzeptieren, weil es keine Konkurrenz auf dem Markt gebe. Beispiele hierfür sind Unfall- und Pannendienste sowie Werkstattleistungen. Viele Versicherer kooperieren mittlerweile mit Autowerkstätten oder betreiben gar selbst ein Netz, wobei die Versicherten von günstigeren Prämien profitieren, wenn sie diese Werkstätten nutzen.

Vorschlag der Versicherer: Treuhänder soll über Daten wachen

Bereits im Jahr 2018 hatten die deutschen Versicherer vorgeschlagen, dass ein unabhängiger Treuhänder über die Verwendung der Daten wachen soll. „Wichtig ist dabei, dass weder die Autohersteller, die Versicherer noch andere beteiligten Interessengruppen einen exklusiven Zugang darauf bekommen“, hatte sich damals Allianz-Vorstand Joachim Müller positioniert.

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Doch die Automobilbranche ließ die Versicherer eiskalt abblitzen. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hatte vor einem Missbrauch der Daten gewarnt und den Vorschlag abgelehnt: Warum die Daten bei einem Treuhänder aber weniger sicher sein sollen als in den Händen der Autobauer, hatten sie nicht begründet. Es geht um ein Mega-Geschäft: Eine Studie von McKinsey hat ermittelt, dass Unternehmen weltweit mit den von Autos gesammelten Daten bis zum Jahr 2030 einen Umsatz von rund 750 Milliarden US-Dollar generieren können. Vor allem datenbasierte Dienstleistungen stünden hierbei im Fokus.

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