Der Wirtschaftsweise Martin Werding, Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum, fordert eine Reform der Beamten-Pensionen. "Die Beamtenversorgung im Alter ist langfristig nicht tragfähig. Da kommt ein großes Problem auf uns zu“, sagte Werding der BILD-Zeitung. Vor allem bei den Bundesländern hätten sich mittlerweile große Pensionsansprüche angehäuft, die nicht durch Rücklagen gedeckt seien.

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„Einerseits sind die Beamtenversorgungen sehr großzügig, da besteht Handlungsbedarf", sagte Werding. „Anderseits sollte darüber nachgedacht werden, ob wirklich in allen Fällen hoheitliche Aufgaben erfüllt werden, also eine Verbeamtung wirklich notwendig ist“. Da gebe es „sicherlich viele Fälle, in denen man die Situation kritisch hinterfragen muss“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler.

Mit jeder Verbeamtung müssten zugleich Rücklagen für die Altersvorsorge gebildet werden, fordert Werding. Dadurch würden die Folgen für die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen auch zugleich spürbar.

Fehlende Rücklagen und drohende Ruhestands-Welle

Konkrete Zahlen nennt Werding nicht: doch diese sind bereits an anderer Stelle kommuniziert worden. Zum Jahresende 2019 summierten sich allein die Rückstellungen des Bundes für Pensionen und Beihilfen auf 809 Milliarden Euro, so zeigt die Vermögensrechnung des Bundes. Die Beamten, die über Länder und Kommunen versorgt werden, sind hierbei nicht eingerechnet, obwohl sie das Gros der Bediensteten stellen: Lehrer und Polizisten sind als größte Beamtengruppe über die Länder abgesichert. Nach Zahlen des Deutschen Beamtenbunds (dbb) arbeiteten 2021 bundesweit rund 5,096 Millionen Menschen im öffentlichen Dienst, hiervon sind rund 37 Prozent verbeamtet.

Gerade die Bundesländer und Kommunen verzichten aber darauf, ausreichend Rückstellungen für zukünftige Pensionen zu bilden. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) Köln hatte 2020 in einem Aufsatz gewarnt, dass die tatsächliche Schuldenlast für Bund und Länder nicht sichtbar werde. Obwohl die Pensionen den Staatsdienern gesetzlich zugesichert sind, müssen die zukünftigen Ausgaben bei den sogenannten Maastricht-Kriterien nicht erfasst werden, wonach der Schuldenstand eines EU-Landes nicht mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen darf. Deshalb spricht das IW von „impliziten Schulden“: Sie sind quasi unsichtbar. Erst, wenn die Beamten tatsächlich in den Ruhestand gehen, werden die Zahlungen erfasst: obwohl sie die Ansprüche bereits zuvor erworben haben.

Wie hoch die staatlichen Pflichten gegenüber Beamten schon heute sind, rechnet das Institut für Wirtschaft am Beispiel aktueller Werte vor. Der Barwert der Pensionszusagen –der aktuelle Wert künftiger Zahlungsverpflichtungen- erreiche demnach enorm hohe Summen, die künftig deutlich steigen werden, warnen die Rheinstädter Ökonomen:

  • Einschließlich Beihilfen beläuft sich beim Bund der Barwert der Pensionszusagen zum Stichtag 31. Dezember 2019 auf rund 809 Milliarden Euro (laut Bundesfinanzministerium),
  • Bei den Bundesländern auf weitere geschätzt 1.230 Milliarden Euro, also rund 1,2 Billionen Euro. Da seien die Pensionszusagen der Kommunen noch gar nicht mit eingerechnet. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt des jeweiligen Bundeslandes liegen die Barwerte der Pensionszusagen im Jahr 2019 zwischen 20 und knapp 50 Prozent, berichtet das IW.

Die Folge: Immer mehr Steuergelder müssten in die Versorgung von Beamten im Ruhestand gesteckt werden. Und fehlen dann, um notwendige Investitionen zu tätigen, etwa für die Infrastruktur oder Digitalisierung, warnt das IW Köln. Die Finanzierung dieser Pensionszusagen werde künftig ein schwieriges Unterfangen.

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2021 erhielten Beamte im mittleren und einfachen Dienst durchschnittlich 2.318 Euro Pension, Beamte im gehobenen Dienst 3.339 Euro und im höheren Dienst 4.973 Euro, so zeigen Zahlen des Bundeninnenministeriums. Zum Vergleich: Dem entgegen lag die durchschnittliche Altersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung bei 778 Euro. Hierbei gilt es zu bedenken, dass Beamte, in der Regel privatversichert, die Beiträge zur Krankenversicherung im Rentenalter voll selbst zahlen müssen - und bei den Pensionen auch eine Komponente eingerechnet ist, die bei Beschäftigten der Betrieblichen Altersvorsorge entsprechen würde.

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