Es dauerte bis Anfang 2022, bis mit der Omikron-Variante das Thema Corona zunehmend an Bedeutung verlor. Mit der russischen Invasion der Ukraine begann im Februar 2022 jedoch direkt die nächste große Krise. Die durch dieses Ereignis ausgelöste derzeitige Wirtschaftskrise äußert sich durch eine sprunghaft angestiegene Inflation (insbesondere bei den Energiekosten) und höhere Zinsen – bei gleichzeitig einbrechendem Wirtschaftswachstum.

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Philipp Kanschik

Philipp Kanschik

Dr. Philipp Kanschik ist Geschäftsführer von Policen Direkt und dort verantwortlich für Technologieentwicklung und Maklernachfolge.

Wie schlägt sich die Assekuranz in diesen Krisenzeiten? In einer zweiteiligen Serie stelle ich die Auswirkungen der Coronakrise und der aktuellen Krise auf die Assekuranz gegenüber. Im 1. Teil geht es zunächst um die Kernthemen Prämien / Neugeschäft und Kosten / Schäden

Schlimmer als Corona: Höhere Prämien und ein Einbruch des Neugeschäfts

Entgegen vielen Erwartungen verzeichnete die Assekuranz in der Coronakrise nur einen temporären Umsatzeinbruch und blieb in Summe relativ stabil. Vor allem das Neugeschäft in der Lebensversicherung sank zwar 2020 stark. Schon 2021 – also in einem Jahr, in dem im 1. Halbjahr weite Teile des öffentlichen Lebens stark eingeschränkt waren – wuchs die Branche bereits wieder langsam, sogar bei den Lebensversicherungen.

Ein Grund dafür war, dass sich die Kunden während der Pandemie verstärkt mit ihren Finanzen und Versicherungen beschäftigt haben, da viele andere Aktivitäten nicht möglich waren. Das führte nicht nur in der Assekuranz zu einem Boom: Viele Kunden sind in der Krise zum ersten Mal Aktionäre geworden und die Nutzerzahlen von Apps wie Trade Republic kletterten in ungeahnte Höhen.

Die aktuelle Krise dürfte wesentlich stärkere Auswirkungen auf die Umsätze der Assekuranz haben. Zunächst einmal führt die derzeitige Inflation zu höheren Prämien, vor allem in den Sachversicherungen. In Sparten wie der Wohngebäudeversicherung steigen die Prämien flächendeckend um 15-25%. Die höheren Prämien reflektieren vor allem die höheren Kosten der Versicherer. Makler und andere Vertriebswege profitieren zunächst von den höheren Prämien, da sich die Bestandscourtagen erhöhen.

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Gleichzeitig zeigen aktuell viele Frühindikatoren einen Einbruch der Neuabschlüsse im Personengeschäft an. Das Geld der Verbraucher ist knapp und immer weniger Kunden schließen eine private Altersvorsorge ab. Auch das zuletzt boomende Geschäft mit Einmalbeiträgen verliert deutlich an Attraktivität. Das Neugeschäft wird in diesem und im nächsten Jahr vermutlich spürbar sinken. Das ist eine deutliche Delle für viele Versicherer und auch Makler – sehr viel deutlicher als in der Corona-Krise.

Kosten / Schäden: Höhere Schadenquoten, höherer Serviceaufwand

Viele Marktteilnehmer waren überrascht, dass der Wegfall von vor Ort-Kontakten für die Kunden während der Pandemie fast keine Rolle gespielt hat. Eine persönliche Vor-Ort-Beratung hat sich in weiten Teilen sowohl für Makler als auch Versicherer als überflüssig erwiesen; der Service konnte vollständig digital oder telefonisch abgebildet werden. Entsprechend sinken für Makler und Versicherer in der neuen Post-Corona-Welt die Kosten, da viel weniger (oder gar keine) Bürofläche benötigt wird.

Ebenso positiv haben sich die Schäden 2020 und 2021 entwickelt. Für Corona-bedingte Betriebsschließungen musste die Assekuranz nur zu geringen Teilen aufgekommen. In vielen Bereichen sind die Schäden hingegen zurückgegangen. So haben in Folge der Pandemie viele Kunden im Homeoffice gearbeitet, waren wenig unterwegs und haben so weniger Schäden verursacht. Davon profitierten nahezu alle Sachversicherungssparten und insbesondere der Bereich KFZ.

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Genau das Gegenteil ist jedoch derzeit der Fall. Durch die Inflation steigen die Schadenquoten der Versicherer in den Sach- und KFZ-Versicherungen. So sind zum Beispiel die Reparaturkosten deutlich gestiegen. Besonders hart trifft es nun jene Versicherer, die in den Corona-Jahren im Neugeschäft sehr aggressiv waren und die Kunden mit niedrigen Prämien geködert haben.

Im Vergleich zu den Versicherern sind Makler von den Kostensteigerungen bei den Schäden nicht direkt betroffen. Die Aufwände der Makler steigen jedoch durch ein höheres Serviceaufkommen. Der Redebedarf des Kunden mit seinem Makler steigt in Zeiten von Prämienerhöhung – und dieser Redebedarf erhöht für den Makler die Servicekosten erheblich.

Fazit: Die aktuelle Krise wird zu deutlichen Marktverschiebungen führen

Die Coronakrise traf die meisten Marktteilnehmer der Assekuranz auf eine vergleichbare Weise. Nach einer kurzen Panik zu Beginn konnten sich die meisten Versicherer und Makler gut mit der Pandemie arrangieren. Insgesamt wurde die Branche und die meisten ihrer Teilnehmer profitabler.

Ganz anders sieht es aktuell aus. Die Krise trifft die die verschiedenen Akteure sehr unterschiedlich – je nach Fokus und Ausrichtung. In Summe ist mit einer insgesamt weniger profitablen Assekuranz zu rechnen, die für die stärksten Marktteilnehmer die Möglichkeit bietet zu wachsen und den eigenen Marktanteil auf Kosten schwächelnder Mitbewerber zu erhöhen.

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Wer als Versicherer oder Makler in einem Prämien-inflationären Umfeld aufgrund der eigenen operativen Exzellenz die Prämien für seine Kunden stabil halten kann, wird überproportional gewinnen und sich langfristig treue Kunden und Weiterempfehlungen sichern. Anders gesagt: in unserer aktuellen Krise trennt sich in der Assekuranz die Spreu vom Weizen.

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