In jüngerer Vergangenheit kam es zu mehreren spektakulären Angriffen von Klimaaktivisten auch gegen Kunstwerke. Versicherungsbote nahm das zum Anlass, diesen Markt, der sonst weniger im Fokus des öffentlichen Interesses steht, genauer zu beleuchten.

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Im ersten Teil dieser Serie ging es um die Kluft zwischen versicherten Werten und Prämienvolumen im Kunstmarkt. Ein Aspekt, der dabei mit betrachtet werden sollte, ist die Staatshaftung. Damit soll das Ausstellungsrisiko für den öffentlichen Leihnehmer abgesichert werden. Doch unumstritten ist die Staatshaftung keinesfalls. Versicherungsmakler Stephan Zilkens (Fine Art Insurance Broker) warf die Frage‚ ob Staatshaftung ein sinnvolles Instrument oder latente Überforderung öffentlicher Haushalte sei, bereits 2020 auf dem 9. Kölner Versicherungsgespräch auf (PDF).

Versicherungsbote wollte wissen, wie Anbieter zur Staatshaftung stehen. Es antworten Ergo, Hiscox, Allianz und Gothaer.

Julia Ries, Leiterin ERGO Art and Values:
Kunstwerke in Museen sind Teil einer Fundusversicherung (Kunstwerke als Teil eines Museumsbestands). Dahinter stehen oft nicht einzelne Versicherer, sondern Versichererkonsortien.
Die Staats- oder Landeshaftung kann bei Museen der öffentlichen Hand greifen, wenn keine privatwirtschaftliche Versicherung öffentlicher Kunstsammlungen vorhanden ist. Leihgaben von Dritten sind aber meist zusätzlich über eine gesonderte Police privatwirtschaftlich versichert.

Alina Sucker, Underwriting Manager Art & Private Clients, Hiscox:
Die Staatshaftung kann für öffentliche Museen eine Möglichkeit sein, das Thema Versicherung kostenschonend zu „lösen“. Gerade bei größeren Schadenfällen stellt sich aber die Frage, inwieweit diese Deckung dann so entschädigen kann, dass ähnliche Werke wieder beschafft werden können oder in höchster Qualität restauriert werden können. Bei Museen, die nicht in öffentlicher Hand liegen, sondern durch bspw. ein Stiftungsvermögen finanziert sind, sehen wir eine höhere Bereitschaft weitumfänglichen Versicherungsschutz zu erwerben. Am Ende ist es eine Frage der finanziellen Mittel, bzw. der Entscheidung des Museumsmanagements welche Art von Deckung in ihren Augen im Schadenfall den besseren Schutz für die Sammlung darstellt.

Eric Wolzenburg, Leiter Kunstversicherung bei der Allianz Versicherungs-AG:
Haftungsgarantien der öffentlichen Hand (z.B. durch den Bund oder durch die Länder) sind steuerfinanziert und für ein Museum „beitragsfrei“. Uns ist dabei nicht bekannt, ob für einen durch Klimaaktivisten verursachten Schaden die Staatshaftung einspringt.

Ein Dilemma der Staats- oder Länderhaftung steckt aus unserer Sicht darin, dass eine solche Mechanik kaum Anreize zur fortlaufenden Überprüfung und Verbesserung von Schutzmaßnahmen hinsichtlich Präsentation, Beschädigung oder Diebstahl von Kunst auslöst. Eine kommerzielle Kunstversicherung hingegen wird ein Museum gern beim Risikomanagement beraten, Kundenerfahrungen in die Produktgestaltung einfließen lassen oder auch Schadenexpertise bereitstellen – alle diese Leistungen bietet eine Staatshaftung nicht.

Anette Schwarz, Komposit Industrie, Underwriter Fine Art bei der Gothaer:
Die Staatshaftung ist ein komplexes Thema. In Deutschland folgt sie einem anderen Haftungskonzept, als zum Beispiel in den Niederlanden oder in Japan.

Die Staatshaftung führt klar dazu, dass für uns als kommerzieller Versicherer weniger Prämie übrig bleibt. Gleichzeitig sind bei Blockbuster-Ausstellungen die Budgets der Museen ein Grund, sofern die Möglichkeit besteht, die Staats- oder Landeshaftung zu beantragen. Ein etwaiger Schadenfall geht dann allerdings zu Lasten des Staates und somit des Steuerzahlers.

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Außerdem fehlt es bei der Staatshaftung meist an versicherungstechnischem Knowhow im Umgang mit der Kunst. Man wird wohl erst dann über die Sinnhaftigkeit von Staatshaftung nachdenken, wenn diese in einem Großschaden involviert ist. Bisher ist mir kein solcher Fall bekannt.

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