Es war eine Anfrage des CDU-Finanzexperten Carsten Brodesser bzw. die darauf folgende Antwort, die in der Branche für Verunsicherung sorgte. Die Frage: Wenn sich Vermittlerinnen und Vermittler zum Thema Nachhaltigkeit weiterbilden, wird das dann für die Weiterbildungspflicht berücksichtigt - und wird es vom Gesetzgeber als notwendig erachtet, dass sich hierzu weitergebildet wird? Schließlich gilt ab 2. August auch eine Pflicht für Versicherungsvertreiber, Nachhaltigkeits-Präferenzen der Kundinnen und Kunden zu erfragen und diese in die Produktauswahl einzubeziehen.

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Die Weiterbildungspflicht ist in § 34d Absatz 9 Satz 2 der Gewerbeordnung (GewO) geregelt. Sie muss den Anforderungen der ausgeübten Tätigkeiten entsprechen: Das schreibt die Versicherungsvermittlungsverordnung vor (§ 7 Absatz 1 Satz 2 VersVermV). Die Weiterbildung muss zudem gewährleisten, dass die Fachkompetenz und personale Kompetenz des Vermittlers bzw. der Vermittlerin aufrecht erhalten wird. Das hebt Sven Giegold, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, in seiner Antwort auf Brodessers Anfrage im Bundestag hervor. Was Giegold aber zugleich betonte: Es ist nicht angedacht, die Verordnung derart zu erweitern, dass Nachhaltigkeit explizit als zu vermittelnder Inhalt einer Weiterbildungspflicht genannt wird.

Thema Nachhaltigkeit ist weiterbildungsrelevant

In der Fachpresse war Giegolds Aussage gelegentlich so interpretiert worden, dass Nachhaltigkeit kein relevantes Thema für die verpflichtende Weiterbildung von 15 Stunden im Jahr sei. Doch das ist ein Missverständnis, wie nun Timo Biskop von V.E.R.S. Leipzig in einem Kommentar hervorhebt.

„Staatssekretär Sven Giegold stellt klar, dass Nachhaltigkeitsthemen weiterbildungsrelevante Inhalte für Versicherungsvermittler sind und eine Anrechnung entsprechender Maßnahmen auf die verpflichtende Weiterbildungszeit ohne Änderung der VersVermV möglich ist“, stellt der Vertriebsexperte gleich zu Beginn des Kommentars dar. Giegold folge damit den Richtlinien der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA sowie der Position von der deutschen Aufsichtsbehörde BaFin und den Industrie- und Handelskammern (DIHK).

Denn im Gegensatz zu den inhaltlichen Anforderungen an die Sachkundeprüfung, die in der Anlage 1 zur VersVermV im Einzelnen aufgeführt sind, enthalte die Versicherungsvermittlungsverordnung keine näheren Vorgaben zu den inhaltlichen Anforderungen an die Weiterbildung, wie Giegold in seiner Antwort betont. Der Staatssekretär hebt hervor: „Inhalt der Weiterbildung können somit auch ohne eine Ergänzung der VersVermV bereits derzeit Themen wie die Ermittlung der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kundinnen und Kunden und eine entsprechende Beratung sein. Nach Kenntnis der Bundesregierung werden entsprechende Weiterbildungen für Versicherungsvermittler in der Praxis angeboten“, heißt es wörtlich in der Stellungnahme des Bundesministeriums.

Qualifizierung zum Thema Nachhaltigkeit steht außer Frage

Durch diese Antwort werde nun auf nationaler Ebene klargestellt, „dass Nachhaltigkeitsthemen, insbesondere Inhalte zur Nachhaltigkeitspräferenzabfrage, als relevante Weiterbildungsinhalte zu qualifizieren sind, die der Aufrechterhaltung der Fachkompetenz dienen – und es hierzu keiner Anpassung der Anlage 1 VersVermV bedarf“, schreibt Biskop. Im Umkehrschluss folge daraus, dass eine entsprechende Aus- und Weiterbildung auch auf nationaler Ebene als essentiell eingeordnet werde, um die berufliche Handlungsfähigkeit von Versicherungsvermittlern zu erhalten.

Sven Giegolds Antwort auf die Frage, ob die Bundesregierung eine Ergänzung von Anlage 1 VersVermV plane, um das Thema Nachhaltigkeit in die Weiterbildungspflicht einzubeziehen.Schriftliche Frage an die Bundesregierung im Monat Juli 2022, Frage Nr. 378

Im weiteren Folgeschluss stelle Staatssekretär Giegold klar, "dass die Qualifizierung im Themenfeld Nachhaltigkeit außer Frage steht und notwendig ist", schreibt Biskop. Dies gehe konform mit der Position der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Sie habe in ihren "Frequently Asked Questions" bereits 2018 betont, dass die verbraucherschützende Zielsetzung der Vermittlerrichtlinie IDD und der Kundennutzen bei Weiterbildungsinhalten im Vordergrund stehen. Hierzu sei die Anlage 1 der VersVermV keine abschließende Aufzählung.

Auch wenn Nachhaltigkeitsaspekte in der aktuellen Version der Anlage noch nicht repräsentiert seien, muss unter Würdigung der europäischen Gesetzeslage davon ausgegangen werden, dass Nachhaltigkeitsaspekte bereits heute erfasst werden, führt Biskop weiter aus. Denn die seit dem 2. August umzusetzende Pflicht der sogenannten „erweiterten Geeignetheitsprüfung“ gelte unmittelbar und sei verpflichtender Bestandteil der Beratung zu Versicherungsanlageprodukten.

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Darüber hinaus stelle EIOPA auch in der jüngsten Guidance klar, dass die Kundenberatung sicherstellen muss, dass der Kunde seine Nachhaltigkeitspräferenzen sachkundig äußern kann. Folglich müssten Versicherungsvermittler "wesensnotwendig" zu einer Aufklärung qualifiziert sein, führt der Vertriebsexperte aus. Das Fazit: Nachhaltigkeit sei elementarer Bestandteil der Sachkunde und wesentlicher Inhalt von Weiterbildungsmaßnahmen.

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