Die Krankenkassen steuern 2023 auf ein Rekorddefizit von -je nach Schätzung- 17 bis 20 Milliarden Euro zu, der Zusatzbeitrag soll für alle um 0,3 Prozentpunkte steigen. Zugleich verteuern sich Lebenshaltungskosten und Energiepreise massiv. In dieser Situation wächst auch die Bereitschaft der gesetzlich Versicherten, zu einer anderen Krankenkasse zu wechseln, um Geld zu sparen. Das zeigt eine repräsentative Studie der Managementberatung Horváth.

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60 Prozent der gesetzlich Versicherten denken über Wechsel nach

Von den gesetzlich Versicherten denken fast 60 Prozent der Befragten über einen Wechsel des Anbieters nach, um Geld zu sparen. Davon könnten auch die Privatversicherer profitieren. 45 Prozent wollen zu einer anderen Krankenkasse wechseln und weitere 14 Prozent in die private Krankenversicherung.

„In früheren Erhebungen waren es vor allem Singles, die ihre Krankenkasse regelmäßig in puncto Preis-Leistung unter die Lupe genommen haben. Jetzt sind es mit großer Mehrheit Familien, die aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten über einen Wechsel nachdenken“, sagt Simon Arne Manner, Studienleiter und Partner bei der Managementberatung Horváth. In Single-Haushalten liege die Wechselbereitschaft knapp unter 50 Prozent, bei Haushalten mit Kindern über 70 Prozent, wie die Studie zeige.

Das Problem: Fast alle Krankenkassen sind gezwungen, die Preise anzuheben. Und so werden die Unterschiede beim Zusatzbeitrag erwartbar gering ausfallen. „Verglichen mit Sparmaßnahmen bei Energie- oder Mobilitätskosten hat ein Wechsel zu einer Krankenkasse mit geringfügig niedrigerem Beitrag auch in einer mehrköpfigen Familie keinen sehr großen Effekt. Die Beiträge unterscheiden sich bei genauem Blick auf die Leistungen und Zusatzangebote nur minimal. Und wie die Studie zeigt, wollen die Versicherten bei den Versorgungsleistungen keine Abstriche machen“, erklärt Manner. Und weiter: „Der Kostendruck führt in der Bevölkerung und gerade bei Familien, deren Lebenshaltungskosten enorm gestiegen sind, aber zu großem Handlungsdruck, an jeder möglichen Stelle sparen zu müssen.“

Auch wenn die geplante Beitragsanpassung für viele Befragte der Anlass zum Wechseln ist, bedeutet dies nicht automatisch, dass zur Kasse mit dem günstigsten Gesamtbeitrag gewechselt wird. Insgesamt über alle Befragten liegt das Kriterium „niedrige Kosten“ zwar leicht vor „bessere Versorgungsangebote“ (62 Prozent zu 58 Prozent Wichtigkeit). Bei Familien ist es jedoch genau umgekehrt: Hier liegt die Versorgung mit 56 Prozent knapp vor den niedrigen Kosten (55 Prozent), denn der Wechsel soll keine Abstriche bei der Versorgungsqualität bedeuten.

Auch Privatversicherte wechselwillig

Die Studie deutet darauf hin, dass auch Privatversicherte bereit sind, sich einen neuen Anbieter zu suchen - oder notfalls einen anderen Tarif. Denn über alle Versicherten hinweg, gesetzlich wie privat, denken 56 Prozent über einen Wechsel nach. Doch hier sind die Wechselmöglichkeiten oft eingeschränkt. Stichwort Gesundheitsprüfung: Vorerkrankungen und ein höheres Alter werden oft bei Neuabschluss mit Prämienaufschlägen „bestraft“, wenn ein neuer Anbieter gesucht wird. Auch gehen angesparte Alterungsrückstellungen ganz oder teilweise verloren.

Hier ist es wahrscheinlicher, dass die PKV-Versicherten von ihrem Recht Gebrauch machen, in einen günstigeren Tarif der eigenen Versicherung mit ähnlichem Leistungsumfang zu wechseln - unter Mitnahme der Altersrückstellungen. Dieses Wechselrecht räumt §204 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) ein. Eine neue Gesundheitsprüfung oder einen Risikoaufschlag kann der Versicherer nur dann verlangen, wenn der Kunde auf Mehrleistungen besteht. Tatsächlich haben manche Versicherer günstigere Tarife in ihrem Portfolio, mit denen sie um junge und gesunde Gutverdiener werben wollen.

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Hintergrund: Für die Horváth-Studie “Beitragserhöhung und Wechselbereitschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung 2022” wurden im August 2022 insgesamt 1.000 Bundesbürgerinnen und -bürger repräsentativ nach Alter, Region, Geschlecht und Haushaltsgröße nach ihren Wechselabsichten im Zuge geplanter Beitragserhöhungen befragt.

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