Wer vollstationär in einem Pflegeheim betreut wird, sieht sich weiterhin mit explodierenden Kosten konfrontiert. Auch im ersten Halbjahr 2022 schossen die zu zahlenden Eigenanteile nach oben, wie Zahlen des Bundesverbands der Ersatzkassen (VDEK) zeigen. Daran ändert auch nichts, dass seit dem 1.1. 2022 ein Leistungszuschlag gezahlt wird, der Betroffene entlasten soll. Dieser entfalte nur bei einem längeren Aufenthalt eine entlastende Wirkung.

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Konkret hatte die frühere Bundesregierung zum Jahresanfang ein Gesetz in Kraft gesetzt, das allein die Pflegekosten in einem Heim betrifft: den sogenannten Einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE). Um welchen Betrag der Pflegebedürftige entlastet wird, richtet sich hierbei nach der Dauer des Aufenthalts im Pflegeheim. Der Eigenanteil für die reine Pflege verringert sich im ersten Jahr im Heim um 5 Prozent, im zweiten um 25 Prozent, im dritten um 45 Prozent, ab dem vierten Jahr um 70 Prozent. Hinzu gesellen sich aber weitere Kostenanteile, die weiterhin voll selbst getragen werden müssen: für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen.

2.200 Euro monatlich in ersten 12 Monaten des Pflegeheim-Aufenthaltes.

Die Zahlen der Ersatzkassen zeigen nun, dass speziell in den ersten Jahren des Heimaufenthalts die Entlastungswirkung sehr gering ist. Stand 1. Juli 2022 mussten Pflegebedürftige demnach im Bundesschnitt 2.200 Euro monatlich für das erste Jahr im Pflegeheim zahlen. Das sind 67 Euro mehr als am 1. Januar, als im Schnitt 2.133 gezahlt werden mussten. Zur Erinnerung: Das sind die Kosten, die Betroffene zusätzlich zum Anteil der Krankenversicherer aus ihrer eigenen Tasche zahlen müssen.

Bei einem Aufenthalt von 12 bis 24 Monaten (Zuschlag von 25 Prozent) stieg der Eigenanteil im gleichen Zeitraum von 1.951 Euro auf 2.007 Euro an. Auch das lag deutlich über dem Betrag, der vor Inkrafttreten der Reform hätte gezahlt werden müssen. Im Interview mit Versicherungsbote hatte bereits Oliver Blatt, Abteilungsleiter Gesundheit beim VDEK, gewarnt: „Weitere Kostenanstiege werden die Entlastung der Pflegebedürftigen aufzehren“. Bei einem Aufenthalt ab 24 Monaten (Zuschlag 45 Prozent) kletterte der Eigenbetrag von 1.769 auf 1.814 Euro und ab 36 Monaten (Zuschlag 70 Prozent) von 1.541 auf 1.573 Euro pro Monat (siehe Grafik).

vdek

„Bei so hohen Eigenanteilen bleibt Pflegebedürftigkeit ein Armutsrisiko“, sagt Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des VDEK. „Wir brauchen dringend eine nachhaltige politische Lösung für das Problem insgesamt. Dabei stehen auch die Bundesländer in der Verantwortung, endlich die Investitionskosten für die Pflegeeinrichtungen zu übernehmen. Das würde die Pflegebedürftigen um durchschnittlich 469 Euro pro Monat entlasten“, so die Verbandsvorsitzende.

Gründe für die Kostensteigerungen seien die Refinanzierung gestiegener Löhne und steigende Lebenshaltungs- und Energiekosten, ergänzt Elsner. Denn auch sie erklärt: Der gesetzliche Zuschlag beziehe sich nur auf die pflegebedingten Aufwendungen und nicht auf die Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten.

Viele Versicherte sind kürzer im Pflegeheim

Ohne die Zuschläge hätten die Pflegebedürftigen am 1.1.2022 einen durchschnittlichen Eigenanteil von 2.179 Euro bezahlen müssen. Am 1.7.2022 lag dieser Wert bei 2.248 Euro monatlich. Es zeige sich also, dass der Entlastungseffekt bei einer langen Aufenthaltsdauer trotz der grundsätzlich gestiegenen Anteile deutlich spürbar sei, während er bei einer Aufenthaltsdauer unter 12 Monaten bereits nach 6 Monaten verpufft ist, schlussfolgert der VDEK.

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Daten des VDEK verdeutlichen demnach, dass viele Patientinnen und Patienten nicht oder nur gering von der Entlastung profitieren. Knapp jeder Dritte (30,22 Prozent) bleibt demnach weniger als zwölf Monate im Pflegeheim. 19,22 Prozent verbringen ein bis zwei Jahre im Heim, 14,12 Prozent zwei bis drei Jahre und 36,44 Prozent mehr als drei Jahre.

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