Wer eine Versicherung abschließt, der muss sich darauf verlassen können, dass der Anbieter auch langfristig seine Zusagen einhalten kann: speziell, wenn es um so wichtigen Schutz wie die Kranken- oder Berufsunfähigkeitsversicherung geht. Deshalb hat die Europäische Union mit „Solvency II“ ein Aufsichtsregime eingeführt, das weit höhere Kapitalanforderungen stellt als das vorherige. Vorangegangen waren die Erfahrungen der Finanzkrise 2008, in der zumindest auch amerikanische Versicherer mit Steuergeldern gerettet werden mussten.

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Umso mehr ließ aufhorchen, dass die Deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im letzten Jahr vor einer Unterdeckung von Versicherungs-Start-ups warnte: zu optimistische Prognosen träfen auf zu wenig Geld. Diese jungen Anbieter waren oft mit großen Ambitionen gestartet und wollten etablierte Wettbewerber wie Allianz und Co. mit digitalem Know-how aus der Marktführerschaft drängen. Aber seit circa 2017 die erste Welle auf dem deutschen Markt startete, zeigte sich schnell, dass die neuen Player auf dem Markt Probleme haben, Kundinnen und Kunden zu gewinnen. Versicherung ist Vertrauenssache - hier haben vertraute Marken einen Bonus.

Doch nun gibt die BaFin Entwarnung. Sie sehe bei den InsurTechs „wesentliche Fortschritte“, so berichtet das Handelsblatt am Freitag. Versicherer wie Gesafe oder Ottonova hätten bei Investoren ausreichend Geld eingesammelt, um eine Unterdeckung zu vermeiden. Erstgenannte sammelte bei der letzten Finanzierungsrunde 55 Millionen Euro ein, Ottonova 40 Millionen.

Steigende Prämien-Einnahmen: negatives versicherungstechnisches Ergebnis

Tatsächlich konnten die meisten Versicherungs-Start-ups im letzten Jahr ihr Geschäft deutlich ausbauen und neue Kundinnen und Kunden hinzugewinnen. Profitabel sind sie aktuell dennoch noch nicht: steigenden Prämien-Einnahmen steht ein oft hoher versicherungstechnischer Verlust gegenüber. Beispiel Neodigital, ein Versicherer, der im Unfall- und Sachgeschäft tätig ist. Zwar konnte der Versicherer den gebuchten Bruttobeitrag 2021 von 5,633 Millionen Euro auf 13,885 Millionen mehr als verdoppeln. Aber das versicherungstechnische Ergebnis für eigene Rechnung schloss mit einem Verlust von 9,057 Millionen Euro ab. Begründet wird das mit hohen Schäden in der Wohngebäudeversicherung, die der Versicherer neu eingeführt hat.

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Versicherungs-Start-ups haben nicht nur das Problem, dass sie gerade zu Beginn enorm viel Geld in Werbung pumpen müssen, um ihre neue Marke bekannt zu machen. Zudem müssen sie überhaupt erst einmal ihre Infrastruktur aufbauen mit Blick auf IT und Schadenmanagement: das kostet Geld. Auch das Ansparen der aufsichtsrechtlich vorgeschriebenen Rücklagen und Kapitalpuffer trägt dazu bei, dass neue Wettbewerber zunächst hohe Verluste schreiben, bis sie sich auf dem Markt etablieren können.

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