Die Zurich sieht sich aktuell einer Klage vor dem Landgericht Köln ausgesetzt, weil sie den Rentenfaktor bei der fondsgebundenen Riester-Rentenversicherung „Förder Renteinvest“ einseitig zum Nachteil des Kunden angepasst hat. Dagegen klagt nun ein Kölner Sparer vor dem Landgericht Köln. Über die Klage berichtet aktuell die „Süddeutsche Zeitung“. Unterstützt wird die Klage von der „Bürgerbewegung Finanzwende“, die auf eine Grundsatz-Entscheidung hofft.

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Im konkreten Fall hatte der Mann im Jahr 2006 die Riester-Rente abgeschlossen: damals war er 32 Jahre alt. Er wollte mit einem kapitalmarktnahen Rentenprodukt circa 100 Euro im Monat ansparen. Damals wollte die Zurich 37,34 Euro im Monat pro 10.000 Euro angespartem Kapital auszahlen. Aber im Jahr 2017 erhielt er einen neuen Brief, in dem die Zurich mitteilte, dass sie den Rentenfaktor nach unten korrigieren wird. Geht der Mann nun 2039 in Rente, soll er nur noch 27,97 Euro je 10.000 Euro angespartem Kapital erhalten: rund ein Viertel weniger.

Stark vereinfacht ist der Rentenfaktor der Umrechnungsfaktor, der bestimmt, wie in bestimmten Altersvorsorge-Verträgen das angesparte Kapital zu einem definierten Zeitpunkt in eine monatliche Rente umgerechnet wird. In der Regel wird er je 10.000 Euro angegeben. Er betrifft Verträge, bei denen die versicherte Rente erst zum Ende der Ansparphase ermittelt wird: etwa fondsgebundene Rentenversicherungen (FRV). Ausschlaggebend sind hierfür die Rechnungsgrundlagen zu Vertragsbeginn: zum Beispiel der prognostizierte Zeitraum, den eine bestimmte Person den Renteneintritt wahrscheinlich überleben wird - und folglich Rente beziehen (Erlebenswahrscheinlichkeit). Aber auch die Kosten des Versicherers sowie die Entwicklung der Zinsen werden berücksichtigt.

Angst vor weiteren Kürzungen

Nicht allein die aktuelle Kürzung der zugesagten Rente ärgert den Klagenden, wie die „Süddeutsche“ berichtet: er fürchtet auch, dass die Zurich in der fortlaufenden Vertragslaufzeit auch weitere Korrekturen an der Rente vornimmt: zu seinem Ungunsten. Dies ist auch ein Argument der „Bürgerbewegung Finanzwende“. Wenn der Rentenfaktor bis zum Ruhestand abgesenkt werde, so stelle sich die Frage, auf welche Rente sich die Sparenden eigentlich verlassen können. Zur Erinnerung: Die Riester-Rente wurde ursprünglich eingeführt, um die Rentenlücke zu schließen, die durch Absenkung des Rentenfaktors in der gesetzlichen Rente entstanden ist. Das setzt zumindest eine gewisse Planbarkeit voraus.

Die Zurich sieht sich im Recht: und verweist laut dem Bericht darauf, dass bei fondsgebundenen Verträgen die Höhe des zu verrentenden Kapitals erst zu Beginn der Rente feststehe. Man sei laut Versicherungsaufsichtsgesetz gezwungen, mit ausreichenden Sicherheiten zu kalkulieren. Liege hierfür ein „wirtschaftliches Erfordernis“ wie stark fallende Zinsen vor, sei man berechtigt die Rentenfaktoren einseitig anzupassen - nach Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders.

Die Zurich beruft sich zudem auf eine Vertragsklausel, die es ihr gestattet, „Ihre Monatsrente je 10 000 Euro Vertragsguthaben so weit herabzusetzen, wie dies erforderlich ist, um diese langfristige Erfüllbarkeit zu gewährleisten.“ Dies ist laut Vertragstext in zwei Situationen möglich: Wenn sich die Lebenserwartung unerwartet erhöht und wenn die Rendite der Kapitalanlagen „nicht nur vorübergehend absinkt“. Dann dürfe man den Rentenfaktor nach unten korrigieren. Genau gegen diese Klausel klagt nun unter anderem die Bürgerbewegung Finanzwende: "Denn bei boomenden Kapitalmärkten verspricht der Versicherer keine höheren Renten als ursprünglich vereinbart“, zitiert die „Süddeutsche“ einen Sprecher. Die Planbarkeit eines verlässlichen Ruhegeldes sei dahin, wenn sich der Versicherer vorbehalte, die Rente bis zum letzten Tag vor Ruhestand zu kürzen.

Rentenfaktor sank auch bei Neuverträgen deutlich

Tatsächlich ist die Zurich kein Einzelfall. Im Marktschnitt haben die Lebensversicherer von 2021 zu 2022 bei ähnlichen Renten-Modellen ihren Rentenfaktor deutlich nach unten korrigiert, wie eine Studie von Franke & Bornberg zeigt. Der Rentenfaktor sank von 29,09 Euro Monatsrente auf 25,97 Euro: ein Minus von von 10,73 Prozent. „Bei 100.000 Euro Ausgangskapital fehlen also Monat für Monat 31,20 Euro versicherte Rente“, berichten die Analysten. Allerdings bezog sich die Analyse auf neu abgeschlossene Verträge.

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Zu fragen ist, inwieweit der Rentenfaktor auch zur Haftungsfalle für Vermittler werden kann: Diese müssen ihre Kunden über Nachteile und Risiken eines Produktes aufklären, folglich auch über die Unsicherheit des Rentenfaktors. Das gilt sogar, falls dieser laut Vertrag garantiert ist: Dieser bietet mehr Sicherheit, weil die Anbieter hier einen Abschlag vornehmen. Aber dank der Treuhänderklausel darf auch dieser nach unten korrigiert werden.

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