Seit 2005 gibt es für Selbstständige die Möglichkeit, staatlich gefördert für den Ruhestand vorzusorgen. Seitdem gibt es die Basisrente, auch als Rürup-Rente bekannt: benannt nach dem Ökonomen Bert Rürup, der das Konzept wesentlich mitentwickelt hat. Ein aktuelles Urteil zeigt nun, dass Vermittler über die Nachteile dieser Altersvorsorge sehr genau aufklären müssen. So kann die Rente frühestens ab dem 60. Lebensjahr gezahlt werden, Kapitalauszahlungen sind nicht erlaubt. Auch ist die Rente nicht beleihbar, nicht vererblich und nicht übertragbar: entsprechend unflexibel. Und da stellt sich die Frage, für welche Unternehmerinnen und Unternehmer diese Vorsorgeform überhaupt geeignet ist.

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Konkret hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe einen Versicherungsvertreter zu Schadenersatz verurteilt, weil die Basisrente, die er vermittelt hat, nicht zum Bedarf des Kunden passte. Er muss ihm nun die gezahlten Beiträge erstatten. „Bei der Vermittlung einer Rürup-Rente muss der Versicherungsvertreter den Versicherungsnehmer darüber aufklären, dass bei einem solchen Vertrag - anders als bei den meisten anderen privaten Rentenversicherungsverträgen - eine vorzeitige Auszahlung aus dem angesammelten Kapital nicht möglich ist“, hebt das Gericht hervor. Auf das Urteil machte zuerst das Versicherungsmagazin aufmerksam (Urteil vom 7. Dezember 2021, Az. 9 U 97/19).

Firmengründung mit Unsicherheiten

Streitfall war eine Basis-Rente, die der Kläger im Jahr 2010 mit 41 Jahren abgeschlossen hatte. Beiträge in Höhe von 200 Euro monatlich zahlte er ein, diese sollten bis zum 01.10.2036 gezahlt werden. Zu diesem Zeitpunkt sollte die Zahlung einer lebenslangen Altersrente beginnen in Höhe von monatlich 261,80 Euro zuzüglich der bis dahin angesammelten Überschussanteile. Auch ein Berufsunfähigkeits-Baustein war in der Basisrente enthalten. Der Vertrag sollte bis zum Beginn der Altersrente nicht kündbar sein; lediglich die Möglichkeit einer Beitragsfreistellung während der Vertragslaufzeit blieb vorbehalten. Der Mann befand sich zu dem Zeitpunkt, als er den Vertrag unterschrieb, am Ende eines Privatinsolvenz-Verfahrens und wollte sich selbstständig machen. Er konnte auch nur ein sehr geringes Jahreseinkommen vorweisen.

Mit einem Anschreiben von Oktober 2015 hat der Kunde schließlich vom Versicherer verlangt, die Beiträge zurückzuzahlen. Er sei nicht darüber aufgeklärt worden, dass er als Versicherungsnehmer bis zum Zeitpunkt des Rentenbeginns nie mehr an sein Geld kommen könne. Hätte er das gewusst, so hätte er den Vertrag nie abgeschlossen, argumentierte der enttäuschte Kunde. Doch der Versicherer war nicht bereit, die Prämien zurückzuzahlen. Er gestattete es lediglich, den Vertrag beitragsfrei zu stellen. Daraufhin klagte der Mann gegen den Versicherer und den Versicherungsvertreter.

Offene Zukunftsfragen: Basis-Rente ungeeignet

Vor dem Landgericht hatte der Mann in der Vorinstanz noch keinen Erfolg: aber das Oberlandesgericht Karlsruhe sah den Tatbestand der Falschberatung als gegeben. Der Versicherer und sein Vertreter werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 11.600,00 Euro an Beitrag zurückzuzahlen nebst Zinsen und Anwaltskosten. „Unter den gegebenen Umständen war die Empfehlung einer Rürup-Rente für den Kläger ungeeignet und daher (…) pflichtwidrig“, führt das Gericht aus. Und weiter: „Die wirtschaftliche Situation des Klägers war mit so vielen offenen Fragen für die Zukunft behaftet, dass eine private Rentenversicherung mit einer Festlegung auf 26 Jahre und ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung nicht zweckmäßig war“.

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Zugleich hob das Gericht hervor, welcher Nachteil der Basis-Vorsorge im Beratungsgespräch angesprochen werden muss, um sauber zu beraten. “Ein Hinweis in der Beratung, dass beim Vertrag über eine Rürup-Rente vor dem vereinbarten Rentenbeginn keine Möglichkeit bestand, eine vorzeitige Auszahlung des angesparten Kapitals zu erhalten, war wesentlich und erforderlich. Es handelt sich dabei um eine grundlegende Information, über welche der Versicherer, bzw. der Versicherungsvertreter, den Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrages aufklären muss“, heißt es zur Begründung. Das Urteil ist rechtskräftig.

fehlende Unterschrift treibt Vertreter in die Haftungsfalle

Ein weiterer Aspekt des Urteils: Auf die Füße fiel dem Vertreter, dass er keine Beratungsdokumentation vorlegen konnte. Denn durchaus behauptete er, den Mann über die Nachteile eines Rürup-Vertrages informiert zu haben. Doch weder hatte er eine konkrete Erinnerung an den Ablauf des Gespräches noch konnte er eine wirksame Unterschrift vorzeigen. Der Kläger bestritt schlicht, über die Nachteile aufgeklärt worden zu sein. Strittig war bereits, ob zwei persönliche Beratungstermine oder nur ein einziger stattgefunden hatten: Der Vertreter war in der Zwischenzeit nach Berlin umgezogen und sagte, „vieles sei möglich“.

Dabei zeigt das Urteil erneut die Tücken der digitalen Beratung. So behauptete der Vertreter, dass er die Beratungsdokumentation auf einem elektronischen Gerät erstellt habe, während er den Kunden beriet. Aber es sei nicht vorgesehen gewesen, das Dokument unmittelbar in Papierform oder elektronisch an den Kunden zu übermitteln. Einen Beweis, dass der Kunde die Dokumentation erhalten habe, konnte der Vertreter nicht erbringen. Hierfür reichte auch nicht die Erklärung zu einem elektronischen Antrag, die der Kunde tatsächlich unterschrieben hatte. Denn in dieser war lediglich festgehalten, dass er sich mit einem späteren Übersenden des Dokumentes per Post bereit erkläre - ein Nachweis für die erfolgte Beratung war das nicht.

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"Die Übermittlung der Beratungsdokumentation vor Abschluss des Versicherungsvertrages (also vor Übersendung des Versicherungsscheins an den Versicherungsnehmer) ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich der Versicherungsvertreter später auf die Dokumentation berufen kann", stellt das OLG Karlsruhe fest. Erfolgt dies nicht, bewirkt das eine Beweislastumkehr: nun muss der Vermittler nachweisen, dass er ordentlich und umfangreich beraten hat. Was mit einem fehlenden Beratungsprotokoll nahezu aussichtslos sein dürfte. Auch im vorliegenden Fall konnte der Vertreter nicht nachweisen, über die Nachteile der Basis-Rente aufgeklärt zu haben.

Die Sache mit dem Papier

Überraschend an dem Urteil ist, dass das OLG darauf abhebt, das Beratungsprotokoll in Papierform auszuhändigen und unterschreiben zu lassen. Hierzu heißt es, die beklagte Versicherung "hat die für die Entscheidung des Senats maßgebliche Beweislastverteilung durch eine unzureichende Organisation der von den Versicherungsvertretern zu erstellenden Dokumentation verursacht. Üblich - und aus der Sicht sowohl des Versicherers als auch des Versicherungsnehmers zweckmäßig - ist eine Organisation, bei welcher die Dokumentation während des Beratungsvorgangs vom Versicherungsvertreter auf Papier erstellt bzw. ausgedruckt wird. Üblich ist sodann, dass die schriftliche Dokumentation im Beratungstermin vom Versicherungsnehmer unterschrieben wird, und dass anschließend sowohl der Versicherungsnehmer als auch der Versicherungsvertreter ein Exemplar des unterzeichneten Formulars erhalten. Bei einer solchen Organisation wären die Beweisprobleme des vorliegenden Verfahrens nicht entstanden."

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Hierzu ist aber anzumerken, dass der Vertreter laut Urteil eine standardisierte Form des Beratungsdokumentes vorzeigte, aus der nicht die individuellen Wünsche und Bedürfnisse des Kunden hervorgehen konnten. Hierzu schreibt das Gericht: "Aus der vorgelegten Dokumentation ergibt sich lediglich, dass der Kläger den Wunsch geäußert habe, seine monatliche Altersrente aufzustocken. Das reicht ohne weitere Details zu den Vorstellungen des Klägers nicht für die Empfehlung einer Rürup-Rente". Ob mit oder ohne Unterschrift wäre das vorgelegte Dokument entsprechend wertlos gewesen - eine individuelle Beratung ließ sich daraus nicht ableiten.

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