Das Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) versteht sich als unabhängig - ist aber als Dienstleister vor allem für die private Versicherungswirtschaft tätig. Nun haben die Hessen ein eigenes Konzeptpapier vorgelegt, in dem sie Vorschläge unterbreiten, wie die Altersvorsorge in Deutschland künftig zukunftsfest gemacht werden kann. Überschneidungen mit den Vorschlägen des Lobbyverbandes GDV sind hierbei durchaus zu beobachten: Die privaten Versicherer würden auch profitieren, wenn das vorgelegte Konzept umgesetzt würde. Zur Erinnerung: Es gibt auch Modelle, bei denen die Privatversicherer bei der geförderten Altersvorsorge künftig außenvor blieben und große Teile des Altersvorsorge-Neugeschäfts einbüßen könnten, etwa nach dem Vorbild des Schwedischen Staatsfonds.

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Basisrente beibehalten, Riester durch ähnliches Modell ersetzen

Einen derartigen Verlust des Neugeschäfts müssten die Lebensversicherer nach den Plänen des IVFP aber nicht befürchten - im Gegenteil. Das Institut schlüsselt die Reformvorschläge nach dem Drei-Säulen-Modell der Altersvorsorge auf. In der ersten Schicht ist die Basisvorsorge organisiert: die gesetzliche Rentenversicherung für Beschäftigte und die Rürup- bzw. Basisrente für Selbstständige. In der zweiten Schicht findet sich die staatlich geförderte Vorsorge: Riester-Rente und Betriebsrenten. Die dritte Schicht markiert die private Zusatzvorsorge, unter anderem Lebens- und Rentenversicherungen. Aber auch andere Formen der Altersvorsorge wie das Investment in Aktien, Fonds oder Immobilien.

Bei der ersten Säule sieht das IVFP keinen Reformbedarf: wobei sich die Analysten allerdings nicht auf die gesetzliche Rente beziehen, sondern allein private Vorsorgeformen im Blick haben. Die Basisrente soll folglich im Wesentlichen unverändert erhalten bleiben. Das überrascht insofern, weil diese Form der geförderten Altersvorsorge auch wiederholt kritisiert wurde und das Vorsorgemodell einige Nachteile hat. Zwar ist der Verbreitungsgrad mit 2,4 Millionen Verträgen bei rund 3,8 Millionen Selbstständigen recht hoch. Doch gilt die Basisrente als recht unflexibel. Das angesparte Kapital kann nicht vor Rentenbeginn ausgezahlt werden: ein Nachteil vor allem bei Existenzgründung, wenn der künftige finanzielle Bedarf noch gar nicht absehbar ist. Auch ist die Rente nicht beleihbar, nicht vererblich und nicht übertragbar. Das IVFP sieht in diesen Punkten offenbar keine Nachteile für die Zielgruppe. Vermittler sind verpflichtet, über die Nachteile aufzuklären, wie mehrere Urteile zeigen (u.a. OLG Karlsruhe, Az. 9 U 97/19).

Aus Sicht des IVFP geht es vor allem darum, die geförderte private Altersvorsorge wieder populärer zu machen. Hier soll die Riester-Rente durch eine sogenannte „Zulagenrente“ ersetzt werden. Sie soll für jeden möglich sein: damit falle die aufwändige Überprüfung von unmittelbarer und mittelbarer Förderung weg. Auch die Förderung soll verschlankt und vereinfacht werden. Bis zu einer gewissen Einkommensgrenze sollen Grund- und Kinderzulagen (analog der aktuellen Riester-Systematik) erhalten bleiben, auf einen Mindesteigenbeitrag soll hingegen gänzlich verzichtet werden. Das führe insbesondere zu einer Vereinfachung der Verfahren, da die Prüfung der Mindesteigenbeiträge entfalle.

Leistungen aus der geförderten Altersvorsorge sollen steuerfrei werden

Neu ist im Modell des IVFP, dass auch die Leistungen der geförderten Vorsorge steuerfrei sein sollen. Aktuell können stark vereinfacht eingezahlte Beiträge bis zu einer maximalen Höhe von 2.100 Euro als „Sonderausgaben“ steuerfrei gestellt werden, in der Auszahlphase wird die Rente nachgelagert besteuert, wobei hier aus Grundfreibeträge und Entlastungsbeiträge vorgesehen sind. „Eine hohe Verbreitung dieser Vorsorgelösung ist damit erwartbar und bietet eine hervorragende Lösung für Geringverdiener und kinderreiche Familien“, argumentiert das IVFP für die Steuerfreiheit. Die Argumentation verwundert insofern, da ja Ruheständler mit kleinen Einkommen schon von den Freibeträgen profitieren - Nutznießer könnten entsprechend eher der Mittelstand und höhere Einkommen mit Riester-Vertrag sein.

Um einen Anreiz zu schaffen, zusätzliches Geld in die eigene Vorsorge zu investieren, soll man zu jedem eingezahlten Euro eine zusätzliche Förderung von 50 Cent erhalten, fordert das Institut weiter. Die Obergrenze dafür könnte – wie auch vom Versichererverband GDV vorgeschlagen – vier Prozent von der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung sein.

Die Autoren empfehlen zudem, die 30prozentige Kapitalisierbarkeit von Riester in die Basisrente zu überführen. Der Hintergrund: zu Rentenbeginn können sich Riester-Sparer aktuell bis zu 30 Prozent des Kapitals per Einmalbeitrag auszahlen lassen, der Rest wird in eine Rente umgerechnet. Bei der Basisrente gibt es hingegen bisher kein Kapitalwahlrecht, sodass die Summe oder Teile davon mit einem Schlag ausgezahlt werden können. Eine Ausnahme ist, wenn das angesparte Kapital so gering ist, dass eine monatliche Auszahlung für den Versicherer unwirtschaftlich wäre - dann ist zumindest eine jährliche Zahlung vereinbar.

Die 100prozentige Beitragsgarantie soll darüber hinaus abgeschafft werden, argumentiert das IVFP, damit mehr Geld in Aktien und Fonds investiert werden kann. Dabei gehen die Autoren noch über die Forderungen des Versicherer-Verbandes hinaus und schlagen vor, dass 50 Prozent der Beiträge garantiert sein sollen. Der GDV schlägt hingegen eine 80prozentige Garantie vor. Allerdings sollen die Kundinnen und Kunden im IVFP-Modell -je nach Risikoneigung- höhere Garantien wählen können.

Reformen auch bei nicht geförderter Vorsorge

Auch bei der nicht geförderten privaten Altersvorsorge schlägt das IVFP Steuer-Erleichterungen vor. Die Idee ist zunächst, dass das angesparte Kapital zum Rentenbeginn zunächst als Entnahme- bzw. Auszahlplan schrittweise entnommen werden kann. Dadurch könne der Übergang in die Rentenphase deutlich flexibler gestaltet werden. So soll verhindert werden, dass die Sparenden das Kapital sich gleich zu Rentenbeginn auszahlen lassen. Diese Option werde oft bevorzugt gewählt, da die Kunden ihre Restlebenserwartung nicht realistisch einschätzen könnten. So werde die endgültige Entscheidung über Kapitalauszahlung oder lebenslange Rente wird auf ein höheres Alter verlagert.

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Um Anreize für diesen Auszahlplan zu schaffen, soll die Auszahlung bis zu einer bestimmten Grenze von beispielsweise jährlich maximal drei Prozent des bei Auszahlungsbeginns vorhandenen Kapitalvermögens eine Steuerfreiheit erhalten, zum Beispiel über einen Zeitraum von 20 Jahren hinweg. „Dies hätte auch für den Gesetzgeber den Vorteil, dass die Bürger:innen das für die Altersvorsorge angesparte Kapital für einen längeren Zeitraum zur Verfügung haben und nicht evtl. innerhalb kurzer Zeit nach Ruhestandsbeginn vollständig aufbrauchen“, heißt es im Konzeptpapier. Neben privaten Renten-Policen soll das Modell auch für Fondsspardepots gelten.

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