Zehn Milliarden Euro an Steuergeldern will die Ampel-Regierung aus SPD, FDP und Grünen in die Rentenkasse geben, um einen zusätzlichen Kapitalstock im Umlagesystem aufzubauen. Doch dies reicht aus Sicht von Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, nicht aus, um die Rente langfristig zukunftsfest zu machen.

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“Summe nur ein Einstieg“

Diese Summe „könne nur ein Einstieg sein“, erklärte Roßbach in einem aktuellen Interview mit dem „Handelsblatt“ (Montag). Und weiter: „Zehn Milliarden Euro sind bei einem Haushalt von 340 Milliarden Euro nicht dazu geeignet, in großem Umfang zu stabilisieren.“ Wie weit man mit dem Geld komme, hänge sehr von den Zielen ab, die man mit dem Kapitalstock verfolge. „Wenn das Ziel ist, mit zehn Milliarden Euro einen Kapitalstock aufzubauen und das Geld über Jahrzehnte anzulegen, entfaltet es eine andere Wirkung, als wenn es relativ kurzfristig schon wieder eingesetzt werden soll“.

Diesbezüglich gibt die Renten-Expertin zu bedenken, dass aktuell viele Fragen, wie der Kapitalstock wirken soll, noch offen seien. „Wir sehen da noch viele Fragezeichen. Wird ähnlich wie in Schweden ein Kapitalstock aufgebaut, der längerfristig wirken soll, um den individuellen Rentenanspruch zu erhöhen? Sollen nur die Erträge aufgezehrt werden oder auch der Kapitalstock? Welches Risiko soll abgesichert werden?“, fragt die Juristin.

So werde zwar oft Schweden als Vorbild für den Kapitalstock genannt - anders als in Deutschland sichere er aber nicht die Erwerbsminderung und den Hinterbliebenenschutz ab, sondern lediglich das Langlebigkeit-Risiko. Auch könnte die Bürger dort die Beiträge von der Steuerschuld absetzen. Die starke Steuerfinanzierung trage in Schweden dazu bei, dass die Einführung des dortigen Staatsfonds von den „relevanten Gruppen“ mitgetragen worden sei - auch deshalb, weil es dort keine Garantien gebe. Ins Risiko zu gehen, wäre gerade gegenüber Geringverdienern nicht zu vermitteln gewesen.

Ebenfalls offen sei, wie das Geld verwaltet werden solle. Zwar soll der Kapitalstock laut Koalitionsvertrag von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle betreut werden. Ob das die Deutsche Rentenversicherung aber selbst leisten könne oder externe Expertise brauche, hänge von den Anlagevorschriften ab, nach denen ein solcher Kapitalstock aufgebaut werden soll, gibt Roßbach zu bedenken.

Nachhaltigkeitsrücklage nicht einfach in Aktien umschichtbar

Die Frage, wie und worin das Geld investiert werden darf, betreffe auch die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage: stark vereinfacht ein Finanzpuffer, der angespart wird, falls die Beschäftigtenzahlen sich negativ entwickeln und weniger Beitrag in die Rentenkasse fließt. Auch hier verfolgt die neue Regierung die Absicht, dass das Geld künftig reguliert am Kapitalmarkt angelegt werden dürfe.

Doch mehr Freiheiten bedeuten nicht, dass die Rücklage nun einfach in Aktien investiert werden dürfe, erklärt Roßbach. „Es gibt gegenüber den geltenden Anlagevorschriften sicher noch die eine oder andere Stellschraube, die uns etwas mehr Luft bei der Anlage und mehr Rendite verschaffen könnte. Aber die Nachhaltigkeitsrücklage dient zur Stabilisierung des Beitragssatzes und muss deshalb sehr liquide sein, die kann man nicht einfach in Aktien oder Fonds anlegen“, sagt die 57jährige.

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Augenblicklich stehe die Rentenversicherung aber "finanziell gut da", so Roßbach. Die Beiträge aus Erwerbstätigkeit lägen um 3,7 Prozent über dem Vorjahreszeitraum und um 4,6 Prozent über dem Wert aus 2019, weil der Arbeitsmarkt sich stabilisiert habe und die Wirtschaft wieder im Aufwind sei. Weichenstellungen seien für die Zeit ab 2025 notwendig: Hierfür müsste die Bundesregierung alle drei Säulen der Alterssicherung anschauen.

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