Es ist eine Nachricht, die in den Chefetagen der deutschen Assekuranzen für Aufhorchen sorgen dürfte: Der Online-Gigant Amazon bietet in den USA nun auch Versicherungen an. Amazon Insurance Accelerator heißt das Angebot, mit denen sich Kundinnen und Kunden sowie Online-Händler gegen Schäden versichern können, die defekte Geräte verursachen. Über das Angebot berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ am Dienstag.

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Eine Haftpflichtversicherung also: wenn auch vorerst für den Handel auf der eigenen Plattform. Mit dem Angebot reagiert der Konzern auch auf Kritik. Wiederholt war bemängelt worden, dass der Versandhändler nicht ausreichend prüft, ob defekte oder gar gefährliche Geräte von Händlern über die eigene Webseite angeboten werden. Und das kann im Zweifel lebensgefährlich sein: zum Beispiel, wenn ein defekter Akku beim Aufladen des Handys Feuer fängt. Selbst der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) warnte bereits in einem Beitrag vor gefährlicher „Billig-Elektronik aus Fernost“: Die bevorzugt über Amazon angeboten wird.

Die Verantwortung für defekte und mangelhafte Geräte sieht Amazon noch immer beim Händler: Will nun aber die Anspruchstellung erleichtern. Laut SZ können sich Kundinnen und Kunden nun direkt an Amazon wenden, wenn ihnen durch ein fehlerhaftes Produkt ein Schaden entstanden ist. Schäden bis 1.000 Dollar (umgerechnet 851 Euro) reguliert der Online-Riese selbst, ohne von den Händlern eine Rückerstattung zu verlangen: allerdings nur dann, wenn der Händler eine entsprechende Haftpflicht besitzt. Ob gerade die "schwarzen Schafe" auf der Plattform einen solchen Schutz abschließen, darf aber bezweifelt werden.

So berichtet das Onlineportal techcrunch.com, mit dem Angebot wolle Amazon auch neue Regulierungsvorgaben verhindern, die dazu beitragen könnten, dass der Versandhändler für Dritthändler auf der Plattform stärker in Haftung genommen wird. In einem Pressestatement erklärt Amazon, dass die Neuigkeiten "weit über unsere gesetzlichen Verpflichtungen und über das hinausgeht, was jeder andere Marktplatzdienstleister heute zum Schutz der Kunden tut".

Amazon noch auf Kooperationen angewiesen

Allein stemmen kann Amazon das Angebot noch nicht. Der Insurance Accelerator ist ein Netzwerk, an dem sich mehrere Versicherer sowie der Online-Makler March beteiligen: darunter auch die deutsche Munich Re und Hiscox. Amazon tritt also eher als Vermittler in Erscheinung. Allerdings mit weiterreichenden Befugnissen beim Abwickeln der Schäden. So behalte sich Amazon auch vor, die Schäden selbst zu prüfen: und zu zahlen, wenn er eine Entschädigung für angemessen hält. Das gibt selbst dann, wenn die Versicherer zunächst nicht einspringen wollen. Sie werden dann vom Online-Riesen in Regress genommen.

Amazon kooperiert mit den Versicherern folglich aus einer mächtigen Position heraus. Und macht weitere Vorgaben: Die Entschädigung des Kunden dürfe nicht länger als 30 Tage betragen, die Haftungssumme muss bei mindestens einer Million Dollar liegen.

Neu ist das Engagement des Onlinehändlers in Sachen Versicherungen nicht. Und keineswegs waren alle bisherigen Ansätze von Erfolg gekrönt. Gemeinsam mit Warren Buffett und JP Morgan wollte Amazon unter dem Namen Haven Health eine betriebliche Krankenversicherung für die eigenen Mitarbeiter etablieren: unter anderem als Antwort darauf, dass Kranken-Policen in den USA extrem teuer sind und der Markt als intransparent gilt. Doch das 2018 gestartete Joint Venture scheiterte: auch am komplexen US-Gesundheitssystem.

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Amazon hat jedoch -wie auch andere Online-Riesen- einen Vorteil: Sie verfügen über viele Daten ihrer Kundinnen und Kunden, die es erlauben, passgenauen Schutz anzubieten. So hat auch Tesla bereits angekündigt, eigene Kfz-Versicherungen verkaufen zu wollen: im Idealfall ist das Versicherungspaket schon beim Kauf eines Autos enthalten. "Amazon weiß, wer in einem Haushalt lebt, wieviel Geld dort ausgegeben wird und natürlich auch, wofür: Kunden bekommen auf Basis dieser Daten zielgenaue Hinweise zu ihren Versicherungen, wenn sie auf Amazon shoppen oder Inhalte konsumieren", schrieb Philipp Kanschik, Geschäftsführer von Policen Direkt, in einem Kommentar für Versicherungsbote.

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