Die von Tief „Bernd“ ausgelöste Flutkatastrophe ist eine der schwersten in der Geschichte der Bundesrepublik. Mehr als 170 Todesopfer sind bisher zu beklagen, viele Menschen verloren ihren ganzen Besitz und ihr Obdach. Nun meldet sich auch die Versicherungswirtschaft zu Wort und bestätigt, dass es auch für die Branche eine der teuersten Flutkatastrophen werden wird.

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„Wir rechnen momentan mit versicherten Schäden in Höhe von 4 bis 5 Milliarden Euro“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Die Schäden dürften sogar noch über denen des August-Hochwassers im Jahr 2002 von 4,65 Milliarden Euro liegen. Tief ‚Bernd‘ gehört damit zu den verheerendsten Unwettern der jüngeren Vergangenheit.“ Die Schäden in Sachsen und Bayern seien in dieser Schätzung noch nicht enthalten.

Höhere Kosten als bei „Jahrhunderthochwasser“ 2002

Damit wäre das Ausmaß der Zerstörung noch größer als beim Jahrhunderthochwasser 2002. Damals hatten ebenfalls anhaltende Regenfälle schwere Überschwemmungen ausgelöst, vor allem entlang der Elbe. 45 Todesopfer waren zu beklagen. Der gesamtwirtschaftliche Schaden bezifferte sich in Deutschland auf rund neun Milliarden Euro: beschädigt wurden damals auch wichtige öffentliche Gebäude in Großstädten wie etwa die Dresdner Semperoper und rund 200 Bahnhöfe.

Grundsätzlich rechnet der Verband mit einem sehr schadenträchtigen Jahr, denn bereits im Juni hatten Starkregen und Hagel einen versicherten Schaden von 1,7 Milliarden Euro verursacht. Laut Asmussen arbeiten die Versicherer seit Tagen unter Hockdruck an der Schadenbegutachtung und -regulierung in den betroffenen Gebieten: „Wir tun alles, um pragmatisch und effizient zu helfen, damit die Schäden unserer Kundinnen und Kunden schnell und unkompliziert bearbeitet werden können“, so Asmussen. „Meine Gedanken sind bei den Menschen, die Angehörige und Freunde verloren haben und denen, die um Ihr Hab und Gut bangen.“


Debatte um Pflichtversicherung

Mit den jüngsten Ereignissen ist auch die Debatte über eine Pflichtversicherung für Elementarschäden wieder aufgeflammt. Seit Jahren fordert unter anderem die Verbraucherzentrale Sachsen eine solche Pflicht: auch, weil das ostdeutsche Bundesland bei den Flutkatastrophen 2002 und 2013 besonders schwer betroffen war. Zwar betonen die Versicherer, dass rund 98 Prozent aller Gebäude in Deutschland problemlos gegen Hochwasserschäden versicherbar seien. Aber Stichproben der Verbraucherzentralen hatten gezeigt, dass Hausbesitzer in den betroffenen Regionen Probleme haben einen bezahlbaren Schutz zu finden. Die Idee: Mit einer Pflichtversicherung könnten die Kosten auf viele Schultern verteilt werden.

Im ARD-Morgenmagazin hatte sich am Mittwoch bereits der FDP-Vorsitzende Christian Lindner offen für eine solche Versicherungspflicht gezeigt. „Ja, ich bin offen für eine solche Diskussion, ob man eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden für Hausbesitzer einführt. Es ist nicht ganz einfach zu entscheiden, ob man so etwas macht oder nicht“, sagte Lindner.

Eine solche Pflicht fordert auch Susanne Hennig-Wellsow, Vorsitzende der Linken. „Starkregen und Überflutungen, aber auch Stürme wird es aufgrund des menschengemachten Klimawandels zukünftig häufiger geben. Dagegen müssen sich alle Menschen zu erschwinglichen Kosten versichern können. Heute ist das nicht möglich, weil die Versicherungen für Gebäude in Risikolagen zum Teil sehr hohe Beiträge verlangen oder die Versicherung ganz ablehnen“, sagte sie.

GDV-Chef Jörg Asmussen ist von einer Elementarpflicht hingegen nicht begeistert. „Als einzelnes Instrument lehnen wir sie ab, weil sie den Anreiz nimmt, sich gegen Flut- und andere Extremwetterrisiken abzusichern“, sagt der Funktionär. Sie sei allenfalls dann sinnvoll, wenn sie in ein neues Gesamtkonzept für Flächen- und Bauplanung sowie den Katastrophenschutz eingebunden sei. Bereits früher hatte der Verband gemahnt, eine solche Absicherung könne Fehlanreize setzen, in von Hochwasser bedrohten Regionen zu bauen.

Friedrich Merz sieht Verantwortung bei Hausbesitzern

Auch Friedrich Merz (CDU) hat sich am Donnerstag zu einer Elementarschaden-Pflichtversicherung geäußert. Der 65jährige lehnt eine solche ab: und sieht die Verantwortung für Schutz vor allem bei den Hausbesitzern.

Auf die Frage, ob er eine solche Pflicht begrüßen würde, antwortet Merz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Wir müssen nicht gleich wieder über staatliche Regulierung reden. Aber jeder sollte sich selbst fragen, ob er ausreichend versichert ist oder an der falschen Stelle spart. Das gilt für Betriebsausfall­versicherungen, die in der Corona-Krise nötig gewesen wären. Und es gilt für Elementarschadens­versicherungen, die jetzt helfen würden".

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Was Merz mit Blick auf Betriebsausfall nicht erwähnt: Viele Unternehmer hatten vor Corona eine Betriebsschließungs-Police abgeschlossen. Und streiten sich mit ihrem Versicherer vor Gericht, weil das Gros der Anbieter ihre Kundinnen und Kunden nicht voll entschädigen will, wenn die Firma infolge einer COVID-Allgemeinverfügung dicht machen musste. Die Versicherer haben in der Regel längst ihre Bedingungswerke derart umgestaltet, dass sie bei Pandemie-Allgemeinverfügungen künftig nicht mehr greifen.

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