Seit 2012 wird das Renteneintrittsalter schrittweise erhöht: die Altersgrenze, um abschlagsfrei in Rente zu gehen, steigt stufenweise von 65 Jahren auf 67 Jahre an. Damit will die Bundesregierung auffangen, dass die Deutschen immer älter werden: und weniger Beitragszahler in der gesetzlichen Rentenversicherung künftig mehr Rentnern gegenüberstehen. Ab dem Jahr 2031 wird es die erste „echte“ Rente mit 67 Jahren geben. Im Dezember 2020 lag die Altersgrenze bei 65 Jahren und 9 Monaten.

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Aber nun zeigen aktuelle Zahlen, dass viele Beschäftigte das reguläre Renteneintrittsalter ohnehin nicht erreichen werden. Denn ein wachsender Bevölkerungsanteil verstirbt früher: auch deshalb, weil die Grenze für den Renteneintritt angehoben wird. So hatten 2019 17 Prozent aller Verstorbenen das 67. Lebensjahr nicht erreicht, 14,4 Prozent erlebten sogar ihr 65. Jahr nicht mehr. Das berichtet tagesschau.de und beruft sich auf eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. Jeder sechste Deutsche erreicht demnach nicht das Rentenalter.

Debatte über weiteren Anstieg des Rentenalters

Aktuell wird gar diskutiert, das Rentenalter weiter an die steigende Lebenserwartung anzupassen: Es könnte nach 2031 auf bis zu 69 Jahre angehoben werden. Nach heutigem Stand würde dann beinahe jeder fünfte Deutsche das Rentenalter nicht erreichen, denn 2019 waren knapp 19,8 Prozent aller Verstorbenen jünger als 69 Jahre. Die steigende Lebenserwartung ist bei diesen Zahlen allerdings nicht eingerechnet: Frauen können bis 2030 im Schnitt auf drei zusätzliche Lebensjahre hoffen, Männer gar auf vier, so prognostiziert das "Statistische Bundesamt".

Für eine Anpassung des Renteneintrittsalters hat sich unter anderem CDU-Bundeskanzlerkandidat Armin Laschet ausgesprochen, aber auch die Bundesbank forderte bereits in einem Positionspapier diesen Schritt. „Wir haben immer gesagt, wir brauchen eine längere Lebensarbeitszeit, wenn wir alle älter werden“, hatte sich Laschet vor wenigen Wochen gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) positioniert.

Im April hatten zudem mehrere Wirtschaftsinstitute gefordert, angesichts der Coronabedingten Staatsausgaben das Renteneintrittsalter auf 69 anzuheben. Oliver Holtemöller, Vizepräsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) verwies auf die schrumpfende und älter werdende Bevölkerung. Demnach dürften künftig etwa 400.000 mehr Menschen den Arbeitsmarkt verlassen als junge Erwerbstätige hinzukommen - pro Jahr. Das bedeute ein Risiko für die deutsche Volkswirtschaft und erfordere immer höhere Steuerzuschüsse für die Rentenversicherung.

Schwere Arbeit - geringere Lebenserwartung

Dass viele Menschen vor Erreichen des Rentenalters sterben, hat eine Gerechtigkeitsdebatte ausgelöst. “Wer in seinem Arbeitsleben hohen Belastungen ausgesetzt war, stirbt früher als andere“, schreibt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bereits 2019. "Damit wäre gerade für diejenigen, die in ihrem Arbeitsleben eine hohe Belastung zu verkraften hatten, ein höheres Rentenalter nichts anderes als ein Rentenkürzungsprogramm".

Der DGB verweist auf eine Studie des Instituts für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen von 2019 (IAQ-Report 2019-06), wonach sich auch die Berufswahl auf die Lebenserwartung auswirkt. Eine besonders niedrige Lebenserwartung haben demnach zum Beispiel männliche Arbeiter im Bergbau und in der Landwirtschaft. Die höchste Lebenserwartung haben Beamte im höheren Dienst. Allerdings betrifft die Auswertung Geburtsjahrgänge von 1919 bis 1950, was die Ergebnisse verzerren könnte - in diesen Generationen war der Anteil schwerer körperlicher Arbeit höher als heutzutage.

Laut der Studie haben die heute über 65-jährigen Männer, die lange in schlecht entlohnten Berufen mit einer starken Belastung gearbeitet haben, eine deutlich geringere Lebenserwartung von im Schnitt 75 Jahren. Dagegen werden heutige Rentner, die geringeren Belastungen ausgesetzt waren und gut verdient haben, sogar über 80 Jahre alt. Für die Studie haben die Forscherinnen und Forscher Belastungsprofile für Berufe angelegt: und neben dem Anteil der körperlichen Tätigkeit auch weitere Faktoren wie etwa häufige Schichtarbeit und psychische Stress-Faktoren eingerechnet.

Bei Frauen klafft Lebenserwartung weniger stark auseinander

Ebenfalls errechnet wurde, wie sich die Lebenserwartung künftig entwickeln könnte. Während die Lebenszeit der Ärmeren stagniert, können Besserverdienende auf deutlich mehr Lebenszeit hoffen. Für 1960 geborene Männer bedeutet das: Mit geringer Belastung und bei gutem Einkommen liegt die Lebenserwartung bei 86 Jahren, mit aber hohen Belastungen und niedrigem Lohn aber weiterhin nur bei 75 Jahren.

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Weniger stark klafft diese Differenz bei Frauen auseinander, die ohnehin eine höhere Lebenserwartung als Männer haben. Auch mit harter Arbeit und schlechtem Lohn können sie nach dem Erreichen des Rentenalters mit 15 weiteren Lebensjahren rechnen, Frauen mit höheren Löhnen und geringerer Belastung mit 19 weiteren Lebensjahren. Zu bedenken gilt hierbei, dass sich weitere Faktoren auf die Lebenserwartung auswirken: etwa Lebenswandel und Ernährung, die Wohnsituation, der Zugang zu Medizin etc.

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