Finanztest did it again: im Zwei-Jahres-Rhythmus testet das Magazin der „Stiftung Warentest“ private Berufsunfähigkeitsversicherungen (BU). So auch in der neuen Ausgabe 05/2021. In den letzten Jahren gab es wiederholt Kritik von Fachmaklern: am prominentesten hat sich Matthias Helberg die Tests zur Brust genommen. Die Fundamentalkritik „Avanti Dilettanti“ auf dem unternehmenseigenen Blog erhielt auch in überregionalen Medien viel Aufmerksamkeit.

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Auch dieses Jahr hat sich Helberg den aktuellen Test angeschaut und auf seiner Webseite ausgewertet. Das Urteil fällt deutlich positiver aus, er findet sogar lobende Worte. „Finanztest“ biete „viele nützliche Infos“, schreibt der Osnabrücker Makler. Ohne Kritik kommt er aber auch diesmal nicht aus. Und die bezieht sich hauptsächlich auf die Transparenz des BU-Vergleichs. Denn man möchte schon gern im Detail erfahren, wie die Kriterien für das Abschneiden der einzelnen Tarife gewichtet werden. Spoiler: aus dem Heft-Beitrag geht das nicht eindeutig hervor.

Tendenziell sehr gute Ergebnisse

Für die aktuelle Ausgabe hat „Finanztest“ darum gebeten, dass die Versicherer die Bedingungen zu sämtlichen BU-Tarifen sowie das preiswerteste Angebot für drei Modellkunden einreichen. 53 von 74 Versicherern haben geantwortet: auf freiwilliger Basis. Das ist ein vergleichsweise großer Marktüberblick, zumal wichtige Branchengrößen dabei sind. Auch private Tester klagen immer wieder, dass zu viele Versicherer nicht bereit seien, sich entsprechend in die Karten schauen zu lassen. Untersucht wurden sowohl selbstständige (SBU) als auch Ergänzungstarife (BUZ)

Dennoch verweigerten auch bei diesem Vergleich wichtige Anbieter die Teilnahme: darunter die Ergo Leben, LVM, Inter oder die Mecklenburgische. Begründet wurde die Absage laut „Finanztest“ nicht. Einige Anbieter schickten die Bedingungen nicht, indem sie darauf verwiesen, dass diese gerade überarbeitet werden und folglich die Alttarife bald nicht mehr im Neugeschäft angeboten würden. Darunter waren die Münchener Verein und Itzehoer.

Doch das Testergebnis zeigt: Im Grunde hatten die Anbieter wenig zu befürchten. Fast jeder zweite BU-Tarif kam mit Höchstnote „sehr gut“ ins Ziel, insgesamt 35 Angebote. Mit dieser Top-Bewertung können sich nun 31 Versicherer schmücken. Weitere 32 Tarife erhielten das Qualitätsurteil „gut“. Lediglich vier Tarife schnitten mit „befriedigend“ ab. Eine schlechtere Note wurde nicht vergeben.

Einerseits spricht das für eine hohe Qualität im Markt. Andererseits wurden derartige Tests wiederholt kritisiert, unter anderem von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, weil von den guten Ergebnissen auch die Tester selbst profitieren. Die „Stiftung Warentest“ kassiert Lizenzgebühren, wenn Versicherer und andere Produktgeber mit dem Testsiegel werben wollen. Zwischen 7.700 Euro und 44.400 Euro kostet eine Lizenz, abhängig vom Modell.

Das lohnt sich für beide Seiten. Im Jahr 2017 nahm „Stiftung Warentest“ 4,7 Millionen Euro allein mit Testsiegeln ein. Im Jahresbericht 2019 werden diese Einnahmen nicht mehr genau aufgeschlüsselt. Verantwortlich für das Testsiegel-Geschäft ist die RAL gGmbH aus Bonn. Hier kann zumindest ein Interessenkonflikt vermutet werden.

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Testsieger wurde im aktuellen Finanztest-Vergleich die Basler (Tarif: SBU BAL 8408 (01.21)) mit Gesamtnote 0,8. Dahinter wird es auf dem Silber-Treppchen eng, denn gleich mehrere Versicherer kommen als Zweitplatzierte ins Ziel. Den Silberrang teilen sich mit Gesamtnote 0,9 die Alte Leipziger Leben (SBU BV10 pm 2300 – 01.2021), die Europa Leben (SBU E-BU 91.21), die Generali (SBU (04.21)), die Hannoversche (SBU 20 Basis (08.20)) und die Provinzial Rheinland (SBU TopSBV (04.21)).

Was getestet wurde - und was Helberg kritisiert

Wie auch im vorherigen BU-Test von 2019 hat die „Stiftung Warentest“ zu 75 Prozent die Vertragsbedingungen in die Wertung genommen und zu 25 Prozent die Risikofragen im Antrag. Positiv auch: die Prämien selbst spielten für die Bewertung keine Rolle, haben sie doch keinen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit eines Tarifs. Wobei auch die Information fehlt, ob Brutto- und Nettoprämie weit auseinander klaffen: kann doch eine starke Kluft zwischen beiden dazu führen, dass die Prämien später deutlich angehoben werden müssen, wenn der Versicherer schlecht kalkuliert hat.

Positiv auch: Die untersuchten Leistungskriterien hat „Finanztest“ in den letzten Jahren stark ausgebaut. Beim ersten Test 2013 erhob man ganze 9 ½ Tarifmerkmale: völlig ungenügend, wie Experte Matthias Helberg damals bemängelt hat. Nun hat man immerhin -Antragsfragen eingerechnet- 26 Tarifmerkmale berücksichtigt.

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Doch noch immer fehlen auch hier wichtige Leistungsbausteine, die für manche Zielgruppe bedeutend sein können. Zum Beispiel wird nicht gewertet, ob ein Vertrag auch bei Schülern, Studenten und Azubis auf die abstrakte Verweisung verzichtet und ob zusätzliche Stolpersteine für derartige Zielgruppen vorgesehen sind. Manche Versicherer verlangen zum Beispiel eine neue Gesundheitsprüfung, wenn der Versicherte einen „richtigen“ Beruf ergreift.

Was genau wurde wie gewertet?

Der aktuelle Test hat auch diesmal wieder Schwächen: zumindest so, wie er im Magazinheft präsentiert wird. Es geht nämlich nicht genau aus der Präsentation hervor, wie einzelne Leistungsbausteine konkret in den Vergleich eingerechnet werden. Für manche Kriterien wird in der Testtabelle zum Beispiel der Erfüllungsgrad in den Kategorien „erfüllt“, „eingeschränkt erfüllt“ und „nicht erfüllt“ ausgewiesen. Ohne, dass hierzu nähere Details ausgeführt werden. Hier muss sich „Stiftung Warentest“ fehlende Transparenz vorwerfen lassen. Schließlich entscheidet die Gewichtung bestimmter Tarifmerkmale mit darüber, wie sich ein Anbieter mit seinem Tarif platziert.

Gleiches gilt für die Angebotsfragen. Helberg kritisiert, dass lediglich ein geprüftes Antragsmerkmal im BU-Test ausgewiesen wird: ob zu ambulant behandelten psychischen Erkrankungen maximal nach den letzten 5 Jahren gefragt wird. Weitere sieben Antragsmerkmale will „Finanztest“ aber ebenfalls getestet haben: ohne, dass hierfür Ergebnisse genannt werden. Unter anderem, ob im Antragsformular mit einfachen Worten und drucktechnisch deutlich auf die Folgen einer vorvertraglichen Anzeigepflicht hingewiesen wird, und ob die Gesundheitsfragen für stationäre Behandlungen auf die letzten 10 Jahre beschränkt sind.

  • Die Musterkunden sind nicht aussagekräftig: Getestet wurden die Tarife anhand folgender Musterkunden: einen Controller (30 Jahre alt, 2.000.- € BU-Rente), ein Industriemechaniker (25 Jahre alt, 1.500.- € BU-Rente) und ein Medizinischer Fachangestellter (25 Jahre alt, 1.000.- € BU-Rente). Alle sind Nichtraucher, nur eine Person hat ein Kind. „Musterkunden eigenen sich jedoch nicht für Tests, da niemand exakt der Musterkunde ist. Jede minimale Abweichung kann andere Ergebnisse für den Einzelnen bringen“, schreibt Helberg.
  • Zu geringe Rente: Der Musterkunde „medizinischer Fachangestellter“ wird mit einer BU-Rente von 1.000 Euro monatlich berechnet. Zu wenig aus Sicht des Experten: „In vielen Städten reicht das nicht einmal mehr für die Miete“. Das hat im Grunde „Finanztest“ auch schon selbst festgestellt, denn in einem Artikel von 2019 warnte die Stiftung, dass 900 Euro Betriebsrente zu wenig sei. Grundsätzlich sollte sich eine BU-Rente daran orientieren, ob sie hoch genug ist, den gewünschten Lebensstandard aufrecht zu erhalten.
  • Prämien-Beispiele wenig aussagefähig: Finanztest nennt für die veranschlagten Modellkunden auch Preise, mit denen ungefähr aufgezeigt werden soll, mit welchen Kosten die Personen zu rechnen haben. Aber diese sind wenig aussagekräftig: schon kleine Verschiebungen bei den Merkmalen können hier dazu führen, dass sich die Prämien stark ändern. Das verdeutlicht Helberg am Beispiel des Controllers: Hier muss ein Bachelor -bei gleichen Berufsmerkmalen- mehr zahlen als ein Master-Absolvent, wenn er bei der Alte Leipziger abschließen will.

Der Vergleich mitsamt Heft Finanztest 5/2021 kann als E-Paper für 5,99 Euro online erworben werden. Die Ausführungen von Matthias Helberg mit weiteren Beobachtungen und Kritikpunkten finden sich auf seinem Unternehmensblog.

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