Versicherungsbote: Herr Wirth, ein Versicherungsvertreter aus Stuttgart hat aufgrund seiner Werbekampagne "Jetzt Impfschäden absichern" Ärger bekommen. Die Kampagne wurde wohl eingestellt, der Versicherer wollte "Irritationen" der Kunden vermeiden und keinesfalls den Eindruck erwecken, Impfungen seien in besonderer Weise riskant. Riskieren Vermittler Ärger, wenn sie aktuell mit der Absicherung von Impfschäden werben? Weshalb aus Ihrer Sicht?

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Norman Wirth: Ja, es gab zu dem Thema Gegenwind. Ich bin mir aber sicher, dass im Zusammenhang mit dem Impfstopp von AstraZeneca ein Umdenken stattgefunden hat. Das Argument, hier würde den Impfgegnern in die Hände gespielt und es wäre ein Geschäft mit der Angst, kann doch nicht ziehen. Risikovorsorge mit einer Versicherung basiert quasi immer auf der Besorgnis, dass ein unangenehmes Ereignis eintritt. Und der vorsorgliche AstraZeneca-Impfstopp war ja wohl per se eine Steilvorlage für Impfskeptiker. Ob es dann eine Unfallversicherung mit Impfschadenklausel gibt oder nicht, spielt da sicher keine entscheidende Rolle.

Ist denn nun eine Werbekampagne für eine Versicherung mit Impfschadenschutz zulässig?

Selbstverständlich. Es gelten die gleichen Regeln, wie für alle Werbeaktionen. Die Diskussion bei der Werbung für Impfschadenschutz ergibt sich nicht aus juristischen Fragen, sondern aus ethischen oder politischen Fragen, die auch die Reputation der Branche betreffen.

Impfschäden sind auch über die Hoheitsträger abgesichert: Wenn ein wirtschaftlicher Schaden entsteht, besteht ein Anspruch nach § 60 des Infektionsschutzgesetzes (IfSchG). Trotzdem ist die Absicherung lückenhaft: gerade wenn lang anhaltende Schäden auftreten, lässt sich der Lebensstandard oft nicht aufrecht halten. Sollten Versicherungsmakler Impfschäden proaktiv ansprechen, wenn sie zum Beispiel eine Unfallversicherung vermitteln? Es ist doch gerade ihre Pflicht, auf mögliche Deckungslücken hinzuweisen.

Da sind wir bei einer der aktuell ganz häufig an mich herangetragenen Fragen. Ich sehe es als Maklerpflicht an, zu der Thematik zu beraten, mindestens auf Nachfrage und ganz klar aktuell bei Neukunden. Es gibt immerhin einen Beratungsanlass. Das lässt sich schwer bestreiten. Alle Einwohner Deutschlands, Europas und der Welt sollen quasi gleichzeitig mit völlig neu entwickelten Impfstoffen behandelt werden, die teilweise nur eine Notfall- (nicht in Deutschland) oder bedingte Marktzulassung wegen noch fehlender Datenlage haben. Der Umgang mit dem Impfstoff von AstraZeneca zeigt aktuell ja die weltweite Unsicherheit.

Und wie verhält es sich mit Bestandskunden? Muss jetzt bei jedem in die Bedingungen seiner Unfallversicherung geschaut werden? Müssen die Kunden alle kontaktiert werden?

Es wäre mit Sicherheit auch kein Fehler, sämtliche Kunden zu dieser Thematik zu kontaktieren. Ob sich das als tatsächliche Pflicht herleiten lässt, ist fraglich. Das muss aktuell jeder Vermittler für sich entscheiden, ob er das Restrisiko eingeht, nicht auf seine Kunden zuzugehen.

Aber ein Makler ist doch kein Virologe?

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Richtig. Auch wenn man manchmal den Eindruck haben kann, dass wir in Deutschland nicht nur 80 Millionen Bundestrainer haben, sondern auch 80 Millionen Virologen. Natürlich kann von Versicherungsmaklern nicht erwartet werden, dass sie Ahnung von messenger-RNA, m-RNA, Virusproteien und heute noch nicht einmal bekannten, eventuellen Impfnebenwirkungen haben. Aber sie sollten wissen, ob und von wem eventuell im Rahmen einer Unfallversicherung bei Impfschäden geleistet wird. Einen guten Überblick zu der Thematik und Vergleichsrechner dazu findet man auf der Seite www.impfschutz-versicherung.de.

"Ich wusste nicht, dass bei den Verbraucherzentralen Virologen sitzen"

Versicherungsbote: Die Verbraucherzentralen werfen Versicherungsvermittlern vor, mit der Angst vor Impfschäden Geschäft machen zu wollen. Wie lässt sich die Gratwanderung zwischen "Klappern mit dem Sargdeckel" und der Erfüllung der Informationspflichten bewältigen?

Norman Wirth: Die unqualifizierten Sprüche der Verbraucherzentralen in dem Zusammenhang muss man wohl aushalten. Leider. Hier wurde im Februar offiziell verbreitet, dass es nicht empfehlenswert sei, eine Unfallversicherung mit Impfschadenschutz abzuschließen, da es äußerst selten zu schwerwiegenden gesundheitlichen Komplikationen infolge einer Impfung kommt. Dass in den Verbraucherzentralen Virologen und Epidemiologen sitzen, die heute schon wissen, ob und welche Nebenwirkungen hier noch auftreten können, war mir bis dato nicht bekannt.

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In diesem Zusammenhang wird dort auch darauf hingewiesen, dass bei Erkrankungen die Krankenversicherungen für die Behandlungskosten aufkommen und dass es im worst case eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente gibt. Das wird an Weisheit dann noch getoppt von dem Hinweis, dass eine Berufsunfähigkeitsversicherung in dem Zusammenhang viel besser sei. Unter uns Fachleuten hier brauche ich wohl nicht den Unterschied zwischen BU- und Unfallversicherung, jeweiliger Zielgruppe, den Problemen bei der Versicherbarkeit und die Kosten darstellen.



Worauf sollten Vermittler bei der Dokumentation des Kundenwunsches mit Blick auf Impfschäden achten?

Da gibt es keine besonderen Hinweise. Kurzfassung: Wunsch und Bedarf des Kunden und eigene Empfehlung erfassen. Und wie immer ganz wichtig – auch ein NEIN des Kunden unbedingt dokumentieren.

Abschließend, Herr Wirth, privat gefragt: Werden Sie sich impfen lassen?

Ja, definitiv. Bei vielen rechtlichen Fragen sind wir die Spezialisten und unsere Mandanten vertrauen uns. Bei der Frage der Impfung gegen SARS-CoV-2 sind die Spezialisten Epidemiologen und Virologen. Auf deren Rat vertraue ich. Und der Rat der Wissenschaft ist eindeutig: Impfen. Impfen mit den Impfstoffen, die für die jeweilige Personengruppe zugelassen und verfügbar ist.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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