Kassenfunktionäre warnen erneut, dass sich gesetzlich Krankenversicherte auf stark steigende Zusatzbeiträge einstellen müssen. Neben Mehrausgaben infolge der Corona-Krise seien es vor allem teure Gesundheitsreformen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die zusätzliche Gelder verschlingen. Das berichtet die „Berliner Zeitung“ am Mittwoch.

Anzeige

„Die Vermögen der Kassen werden im Laufe des Jahres weitestgehend aufgebraucht sein. Wenn nichts geschieht, besteht das Risiko, dass sich die Zusatzbeitragssätze für 2022 nahezu verdoppeln – aus heutiger Sicht auf rund 2,5 Prozentpunkte“, sagt Uwe Klemens, ehrenamtlicher Vorsitzender des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), laut einem Presse-Statement. Auch der AOK Bundesverband rechnet damit, dass die Spahnschen Gesundheitsreformen erhebliche Kosten erzeugen: in Summe 32,64 Milliarden Euro allein von 2019 bis 2022.

Schon dieses Jahr wurde es teurer

Bereits zum Jahreswechsel 2020/21 verteuerte sich der Zusatzbeitrag für 37,3 Millionen Mitglieder, so geht aus Analysen des Mediendienstes Franke Media hervor. 42 von 102 Krankenkassen hoben ihre Beiträge an, darunter die mitgliederstärksten Anbieter Techniker Krankenkasse und Barmer. Aber auch viele Ortskrankenkassen mussten ihre Prämien raufsetzen: Gewichtet nach Mitgliederzahl steigt der durchschnittlich zu zahlende Zusatzbeitrag auf 1,28 Prozent vom Bruttolohn. Die Krankenkassen dürfen ihn zusätzlich zum allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent berechnen, wenn die Beiträge und Zuwendungen nicht ausreichen.

Doch das dürfte noch nicht das Ende der Teuerungen sein, wie nun die Kassenfunktionäre warnen. Laut Prognosen droht den Krankenkassen 2021 ein Defizit von 16,6 Milliarden Euro: und das Jahr darauf sogar von 17 Milliarden. Aufgefangen wird der Fehlbetrag in diesem Jahr durch den Rückgriff der Kassen auf ihre Reserven: Hieraus sollen acht Milliarden Euro kommen. Bundeszuschüsse bringen weitere fünf Milliarden Euro - und der Rest wird aus den höheren Beiträgen finanziert.

Strukturreformen gefordert

Doch die Probleme resultieren nicht allein aus den Gesetzen Jens Spahns: unter anderem das Pflegepersonalstärkungsgesetz, das allein 2,45 Milliarden Euro im Jahr verschlingt. Es sieht bessere Betreuungsschlüssel und mehr Personal in der Pflege vor. Auch das Terminservice- und Versorgungsgesetz kostet zusätzliches Geld. Doch darüber hinaus belasten etwa die Alterung der Gesellschaft und hohe Kosten für den medizinischen Fortschritt das Gesundheitssystem.

„Längerfristig sind echte Strukturreformen etwa im Krankenhausbereich oder bei der Arzneimittelpreisgestaltung unausweichlich“, sagte Kai Behrends, Sprecher des AOK Bundesverbandes, der Berliner Zeitung. Auch müssten versicherungsfremde Leistungen verlässlich aus Steuermitteln bezahlt werden. Diesbezüglich hatten die Kassen wiederholt kritisiert, dass die Zuwendungen aus dem Steuertopf nicht ausreichen: obwohl es sich um gesamtgesellschaftliche Aufgaben handle, würden diese überproportional von gesetzlich versicherten Beitragszahlern geschultert.

Anzeige

Damit könnte auch die Debatte um eine Bürgerversicherung im Jahr der Bundestagswahl wieder Fahrt aufnehmen: Dann dürften private Krankenversicherer im Neugeschäft nur noch Zusatzpolicen anbieten. Grüne, Linke und Teile der SPD sprechen sich dafür aus. „Um weitere Beitragserhöhungen oder Leistungsausschlüsse zu verhindern und die GKV-Finanzen langfristig zu stabilisieren, müssen wir unser angestaubtes Finanzierungssystem modernisieren“, sagte Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, der Berliner Zeitung.

Anzeige