Es sind nur noch knapp zehn Monate bis zur Bundestagswahl: Doch einige wichtige Gesetzvorhaben will die Bundesregierung noch angehen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigt nun an, als nächstes eine Altersvorsorge-Pflicht für Selbstständige auf die Agenda zu setzen. „Der nächste Schritt wird die Einbeziehung der Selbständigen in das System der Alterssicherung sein“, sagte der SPD-Politiker laut FAZ in Berlin.

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Derzeit werde mit Hochdruck daran gearbeitet, „dass wir jetzt den nächsten Schritt angehen - den Bereich der Einbeziehung der Selbständigen“, sagte Heil vor der Bundesvertreter-Versammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV). Viele Selbständige seien nicht gut abgesichert, so begründete er seinen Vorstoß.

Risikogruppe Soloselbstständige

Tatsächlich haben Union und SPD bereits in ihrem Koalitionsvertrag für die laufende Legislaturperiode vereinbart, dass sie Unternehmer zu einer Altersvorsorge verpflichten wollen. Nicht unbegründet, denn viele Selbstständige sind schlecht für ihren Lebensherbst abgesichert:

Laut dem Altersvorsorgebericht der Bundesregierung 2016 verfügt fast die Hälfte der Unternehmer im Rentenalter über ein Nettoeinkommen von weniger als 1.000 Euro, private Vorsorge eingerechnet. Bei Beschäftigten sind es nur rund ein Drittel. Wer sich selbstständig macht, hat folglich ein höheres Risiko später in Altersarmut zu landen. Hierbei gilt es aber zu bedenken, dass die Spreizung der Alterseinkommen bei Selbstständigen sehr groß ist. So haben sie laut Bericht mit 1.435 Euro sogar ein höheres Durchschnittseinkommen im Ruhestand als Arbeiter und Angestellte (1.316 Euro).

Das Problem sind vor allem sogenannte Solo-Selbstständige: also Unternehmer, die keine Angestellten haben. Von ihnen lebt eine große Gruppe ohnehin prekär. Fast 30 Prozent leben von einem Nettoeinkommen von weniger als 1.100 Euro im Monat. Darunter sind Berufsgruppen wie etwa Taxifahrer, Volksschullehrer, Grafiker, Friseure oder Haushaltshilfen. Hier besteht die Gefahr, dass eine Altersvorsorge-Pflicht Selbstständige überfordern und zur Aufgabe zwingen könnte.

Mehrfach Opt-out-Modell thematisiert

Hubertus Heil hatte bereits vor 18 Monaten eine Opt-out-Lösung vorgeschlagen: Demnach sollen Unternehmer in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, solange sie nicht in einem berufsständigen Versorgungswerk sind oder alternativ eine ausreichende private Vorsorge nachweisen können. Diese Alternative solle bestimmte Mindestanforderungen erfüllen, etwa pfändungssicher sein.

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Im Februar berichteten Medien aus Regierungskreisen, diese neuen Regeln sollen für all jene gelten, die jünger als 45 Jahre seien und selbstständig werden. Zudem solle es eine Beitragsfreiheit von einem Jahr nach Eintritt ins Unternehmertum geben, um den Start zu erleichtern.

CDU-Arbeitnehmerschaft schlägt Handwerker-Modell als Orientierung vor

Doch konkrete Vorschläge oder gar einen Referenten-Entwurf, wie eine Altersvorsorge-Pflicht für Unternehmer aussehen kann, kamen bisher nicht aus der Regierung: Auch deshalb nicht, weil für die SPD zunächst das Projekt Grundrente Priorität hatte, wie Heil mehrfach betonte. Diese tritt zwar zum Jahreswechsel 2021 in Kraft, doch vorangegangen war monatelanger Streit zwischen Union und SPD. Folglich lag die Vorsorgepflicht auf Eis. Auch aktuell unterbreitet Bundesarbeitsminister Heil keine konkreten Vorschläge, sondern kommunizierte am Donnerstag nur, dass er das Projekt angehen wolle.

Nun ist die Arbeitnehmergruppe der CDU vorgeprescht und hat ein eigenes Modell vorgeschlagen, wie sie sich die Vorsorgepflicht für Unternehmer vorstellen könnte. Demnach schlägt der Vorsitzende Uwe Schummer (CDU) vor, das sogenannte Handwerker-Modell als Vorbild zu nehmen. „Selbstständige Handwerker sind verpflichtet, 18 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen“, zitiert ihn die FAZ. Nach 18 Jahren Pflichtbeitrag können sich die Maurer, Dachdecker und andere Handwerksberufe nach den heute geltenden Regeln befreien lassen.

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Rentenalter steht zur Debatte

Darüber hinaus sorgt ein anderer CDU-Vorschlag aktuell für Debatten: Der Renteneintritt soll flexibilisiert und an die steigende Lebenserwartung angepasst werden. Das würde nicht nur bedeuten, dass die Menschen länger arbeiten müssen - es gäbe dann wohl auch keine starre Regelaltersrente mehr. Die Pläne hat Kai Whittaker vom CDU-Bundesfachausschuss Soziale Sicherung und Arbeitswelt in der „Rheinischen Post“ vorgestellt.

Die CDU-Arbeitsgruppe will zusätzlich einen kapitalgedeckten Fonds bei der gesetzlichen Rentenversicherung aufbauen - und fordert ein privates Standard-Vorsorgeprodukt, das auch Selbstständige attraktiv ist. Dieses soll schwerpunktmäßig in Aktien investieren.

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Speziell über die Frage, wie das Verhältnis zwischen gesetzlicher Rente und privater Altersvorsorge gestaltet sein solle, gebe es in der Regierung noch deutliche Meinungsverschiedenheiten, berichtet die FAZ aus Regierungskreisen. Und so könnte sich in Sachen Altersvorsorge für Selbstständige ein ähnlicher Streit anbahnen wie über die Grundrente. Soll heißen: Wahrscheinlich wird das Reformvorhaben doch erst nach der Bundestagswahl 2021 umgesetzt.

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