Versicherungsbote: Die Coronakrise belastet die Versicherungsbranche auf bisher nicht gekannte Art. Zunächst die Frage: Wie sind Sie bisher als Versicherer durch das Jahr gekommen?

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Klaus Hellwig: Die KS/AUXILIA ist bisher hervorragend durch die Corona-Zeit gekommen. Prozessual konnten wir uns sehr schnell auf die neue Situation einstellen. Unsere IT-Abteilung hat hier einen tollen Job gemacht. Wir haben trotz Corona keinen Einbruch im Neugeschäft und bis jetzt auch keine negative Entwicklung auf der Storno- und Schadenseite. Insgesamt sind wir mit der Entwicklung sehr zufrieden.

Viele Betriebsschließungs-Versicherer weigern sich, Hoteliers und Gastronomen voll zu entschädigen, wenn sie infolge einer Corona-Allgemeinverordnung ihren Betrieb dicht machen mussten. Welche Kosten werden hier den Rechtsschutzversicherern entstehen? Haben Sie Zahlen/ Schätzungen?

Laut GDV haben lediglich 25 Prozent der Gastro- und Hotelbetriebe in Deutschland eine Betriebsschließungsversicherung. Von diesen BetriebenKlaus Hellwig, Direktor Vertrieb bei KS / Auxilia, spricht im Interview mit Versicherungsbote über die Folgen der Corona-Krise für Rechtsschutzversicherer.KS / Auxilia wird nur ein Teil eine Rechtsschutzversicherung mit dem entscheidenden Baustein Versicherungs-Vertrags-Rechtsschutz haben. Genaue Zahlen liegen uns aber nicht vor. Selbstverständlich wurden uns bereits Fälle gemeldet, in denen wir an der Seite unserer Kunden stehen und die notwendigen finanziellen Mittel für einen Rechtsanwalt und für den evtl. Prozessweg bieten. Aufgrund der hohen Streitwerte sind diese rechtlichen Auseinandersetzungen sehr teuer – aber genau für solche existenzbedrohenden Risiken ist ja eine Rechtsschutzversicherung auch da. Die Corona-Situation zeigt sehr deutlich, wie wichtig eine Rechtsschutzversicherung ist. Es geht hier um die Existenz von Personen und ihren Unternehmen/ Firmen. Ohne eine Rechtsschutzversicherung kann ein Betrieb die zeitraubenden und finanziellen Risiken eines Prozesses in der Regel nicht stemmen. Mit unserer JUR-Linie für Geschäftskunden sind unser Kunde und der Vermittler auf der sicheren Seite – der Versicherungs-Vertrags-Rechtsschutz ist automatisch enthalten.

Auch andere Rechtsstreite drohen im Rahmen der Corona-Krise. Viele Gewerbetreibende mussten infolge des teilweisen Corona-Shutdowns vorübergehend ihre Betriebe schließen, Einnahmen brachen ihnen weg. Beschäftigte wiederum fürchten Kündigungen. Hat sich das in Ihrem Haus bemerkbar gemacht? Suchten mehr Kunden als sonst Ihren Rat?

Ja, wir haben einen starken Anstieg von Beratungen zu verzeichnen. Den Beratungsbedarf haben aber sowohl Geschäftskunden als auch – in der Anzahl natürlich noch viel mehr – Privatkunden. Es freut uns sehr, dass unsere telefonische und auch unsere Online-Rechtsberatung so stark genutzt wird. Unsere Kunden erleben direkte und schnelle Hilfe durch kompetente Rechtsanwälte.

Welche Anfragen erreichten Sie besonders in Zeiten der Corona-Krise? Zeichnet sich schon ab, dass in bestimmten Bereichen besonders oft Rechtsstreite drohen?

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Die zwei größten Bereiche haben sich sehr schnell abgezeichnet. Hier geht es zum einen um die persönliche Situation des eigenen Arbeitsplatzes – gerade zu den Rechten und Pflichten eines Arbeitgebers, z.B. im Zusammenhang mit dem Kurzarbeitergeld. Zum anderen erreichen uns Fragen, die sich rund um die Bereiche Reisen und Versicherungen ergeben. Ein weiterer Bereich, der aber dann schon gegenüber den genannten Situationen zum Vertrags-Rechtsschutz in der Quantität viel niedriger ist, ist der Miet-, Vermiet- und Pacht-Bereich. Aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten von Privatkunden und Firmen entstehen hier rechtliche Fragen zu Mietstundungen und andere Themen aus diesem Bereich.

Rechtsschutzversicherung: Drohen steigende Kosten wegen Corona?

Rechnen Sie infolge der Corona-Krise mit steigenden Kosten im Rechtsschutz-Bereich? Müssen sich Kunden im Gewerbe- und Privatbereich auf steigende Beiträge einstellen?

Die Auswirkungen der Corona-Krise sind derzeit noch nicht absehbar. Entscheidend wird sein, ob es eine zweite Ansteckungswelle gibt und wie die Wirtschaft hierauf reagieren wird. Sollte es beispielsweise zu vielen Insolvenzen kommen, werden die Schadenzahlungen natürlich ansteigen, was mittelfristig auch höhere Rechtsschutzbeiträge durch Beitragsanpassungen bedeuten kann. Hinzu kommt, dass die Streitwerte der Rechtsschutzfälle in den letzten Jahren immer weiter angestiegen sind. In nächster Zeit steht vermutlich auch eine Erhöhung der Anwalts- und Gerichtskosten im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) an. Auch das führt bei den Rechtsschutzversicherern zu Kostensteigerungen. Für uns als KS/AUXILIA ist aber wichtig: Eine Rechtsschutzversicherung muss und wird für die Kunden auch in Zukunft bezahlbar bleiben.

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Schon kleine Rechtsstreite wie etwa um eine gekündigte Wohnung können schnell vier- oder gar fünfstellige Beträge verschlingen, so dass der Branchenverband GDV warnte, viele Menschen könnten aufgrund der hohen Kosten davon ausgeschlossen werden, ihr Recht wahrzunehmen. Haben Rechtsschutzversicherer auch eine soziale Funktion, vergleichbar vielleicht mit der Absicherung der Arbeitskraft oder der Altersvorsorge? Warum wird das so selten hervorgehoben?

Ja, die Rechtsschutzversicherung hat auch eine wichtige soziale Funktion. Sie bietet allen Kunden die Möglichkeit, beispielsweise gegen große, mächtige Konzerne oder auch gegen Behörden ihr Recht durchzusetzen und einzuklagen. In unserer Kommunikation nutzen wir dazu das passende Bild von David gegen Goliath. Mit einer Rechtsschutzversicherung wird Chancengleichheit geschaffen. Dennoch – und das ist natürlich unbefriedigend – ist die Durchdringung in deutschen Haushalten immer noch unter 50 Prozent. Das heißt: Nicht einmal jeder zweite Haushalt hat die Chance, mit dieser Kostenunterstützung die eigenen Interessen durchzusetzen. Daher gilt für Makler: Die Rechtsschutzversicherung ist eine wichtige Absicherung mit hoher Priorität in der Kundenberatung.

Bereits vor der Krise galt die Rechtsschutzversicherung als schwieriges Terrain, die Schadenkostenquote knackte in den letzten Jahren im Branchenschnitt oft die 100 Prozent. Wie sieht es aktuell bei Ihnen aus? Und warum ist es in diesem Bereich so schwierig, auskömmliches Geschäft zu erzielen?

Ja, es ist richtig, dass die Combined Ratio (CR) der Rechtsschutzversicherer in den letzten Jahren im Durchschnitt nahe 100 Prozent lag. Aus Kundensicht wäre allerdings sowohl eine extrem niedrige wie auch eine sehr hohe CR unerfreulich. Eine angemessene Quote eines Versicherers zeigt hingegen, dass die Beiträge der Versicherungsprodukte vernünftig kalkuliert sind und die Schäden angemessen reguliert werden.

Rechtsschutz: Wo die Preistreiber zu finden sind

Wo sehen Sie – unabhängig von der Coronakrise – aktuell die größten Preistreiber für die Branche?

Die teuerste Leistungsart ist und bleibt der Arbeitsrechtsrechtsschutz. Diese Kosten sind zwar über Rezession und Hochkonjunktur volatil, aber in der Regel langfristig vernünftig zu kalkulieren. Viele Sorgen haben der Branche aber in den letzten Jahren unvorhersehbare Großschäden bereitet. Begonnen hat es vor einigen Jahren mit den Streitigkeiten aus Kapitalanlagen, Stichworte: Lehman, Göttinger Gruppe. Beispielhaft ist auch die Flut der Klagen zum Widerruf von Darlehen und Lebensversicherungen zu erwähnen. In den letzten Jahren und aktuell kämpfen die Rechtsschutzversicherer für ihre Kunden aufgrund des Dieselskandals gegen VW und andere. Selbstverständlich sieht ein Rechtsschutzversicherer es als seine Aufgabe an, auch in solchen Massenschäden jeden betrogenen Kunden zu unterstützen. Für die oftmals übers Internet eingeworbenen Mandate von industriell arbeitenden Kanzleien steht jedoch in der Regel nicht das individuelle Ziel des Kunden im Vordergrund, sondern die Unterstützung des fabrikmäßig aufgebauten Geschäftsmodells ihrer Kanzleien. Auch deshalb sollte bei Rechtsfragen und -problemen der erste Weg des Kunden zu den Anwaltshotlines der Rechtsschutzversicherer führen.

... und wo sehen Sie Chancen für das Rechtsschutz-Geschäft?

Die Zukunft der Rechtsschutzversicherung sehen wir äußerst positiv. Die Corona-Krise zeigt sehr deutlich die Notwendigkeit einer Rechtsschutzversicherung. Für Versicherungsmakler steckt hier viel Potenzial. Es ist sehr schade, dass die Medien und die Verbraucherschützer in Boomphasen Rechtsschutz als "nice-to-have"-Versicherung bewerten, dann aber in Krisenzeiten diese empfehlen. Die Bürger verunsichert dies - ich bin mir aber sicher, dass die Rechtsschutzversicherung langfristig eine ähnlich wichtige Stellung einnehmen wird wie die Haftpflichtversicherung.

Rechtsschutzversicherer wandeln sich auch immer mehr zum Dienstleister, Sie werben auf Ihrer Webseite unter anderem mit einem „PremiumService“. Welche Dienstleistungen erbringen Sie aktuell, die früher nicht zum „klassischen“ Versicherungsgeschäft gehörten?

Die Rechtsschutzversicherung ist schon lange nicht mehr nur eine juristische Krankenkasse. Auf Rechtsschutz spezialisierte Anbieter wie die KS/AUXILIA haben schon vor vielen Jahren damit begonnen, ihr Angebot als „Problemlöser“ auszubauen. Ziel aller unserer aktuellen Services und Dienstleistungen ist es, eine schnelle und lösungsorientierte Alternative zu der oft langwierigen und nervenaufreibenden Verfahrensdauer vor den zuständigen Gerichten zu bieten. Wichtige Voraussetzung ist bei einem rechtlichen Problem die schnelle Kontaktaufnahme mit uns – egal ob telefonisch oder digital. Unsere Juristen helfen sofort und geben auch Auskunft über den Umfang des Versicherungsschutzes. Gemeinsam mit unserem Kunden stimmen Sie dann das weitere Vorgehen ab. Das kann eine telefonische Rechtsberatung durch unabhängige Rechtsanwälte, eine Empfehlung eines Rechtsanwaltes, eine telefonische Mediation, eine Online-Beratung oder auch der Hinweis auf unser Kunden-Portal mit Musterschreiben und Musterverträgen sein. Die hohe Erreichbarkeit 24/7 und die Zufriedenheit unserer Kunden stehen hierbei im Vordergrund. Für unsere modernen Konfliktlösungsarten verzichten wir in den meisten Fällen sogar auf die vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung.

Mediation als wichtige Alternative der Streitlösung

Welche Bedeutung haben für Sie als Versicherer außergerichtliche Lösungen, etwa Mediation? Gewinnt diese an Bedeutung, unterstützen Sie derartige Lösungen?

Die Mediation ist in den letzten Jahren für unsere Kunden eine wichtige Alternative der Streitlösung geworden. Wir verzeichnen einen starken Anstieg bei der Nutzung. Mit unseren Mediationsleistungen, die zu den umfangreichsten am Markt gehören, fördern wir diese Lösung. So fällt im Regelfall für unseren Kunden keine Selbstbeteiligung an. Das Wichtigste für unsere Kunden ist aber, dass diese Konfliktlösungsart gegenüber dem Weg zum Gericht viele Vorteile bietet. Aus meiner Sicht ist entscheidend, dass der Konflikt mit einer Mediation fast immer sehr schnell und für beide Parteien einvernehmlich und damit nachhaltig gelöst wird. Nach dem Mediationsergebnis können sich die Parteien weiterhin „in die Augen schauen“ – es gibt im Gegensatz zu einem Gerichtsurteil keinen Gewinner und Verlierer.

Sie beteiligen sich unter anderem an dem LegalTech Atornix. Können Sie was zu der Kooperation sagen? Und welche Bedeutung werden LegalTechs künftig für das Rechtsschutz-Geschäft haben?

Seit einiger Zeit entstehen neue Formen rechtlicher Dienstleistungen, insbesondere im Internet. Eine steigende Anzahl Menschen bevorzugt diesen Weg gegenüber dem Gang zu einer klassischen Anwaltskanzlei. Mit unserem Engagement bei Atornix unterstützen wir auch diesen Weg der Bearbeitung rechtlicher Fragen und Probleme und wollen uns hier einbringen. Vielleicht entstehen so zukünftig auch weitere und noch modernere Dienstleistungen, die wir unseren Kunden anbieten können. Andererseits glauben wir nicht daran, dass diese Angebote den klassischen Anwalt oder auch die klassische Rechtsschutzversicherung ersetzen werden. Vielmehr handelt es sich um eine Ergänzung für bestimmte Fälle.

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Eine hochwertige Rechtsschutzversicherung ist und bleibt die richtige Absicherung von zukünftigen Rechtsstreitigkeiten. Durch die Vielfalt des Lebens ist nun einmal ungewiss, in welchem Bereich dem Kunden Probleme entstehen werden. Das hat die Corona-Krise bestätigt.

Hinweis: Der Text erschien zuerst im Versicherungsbote Fachmagazin

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