Ist man ein Motorexperte, wenn man ein Auto ordentlich fahren kann? Ich bin zwar davon überzeugt, dass die digitalen Anwendungen, die heute möglich sind und die zunehmend auch Usus werden, von den Vermittlern beherrscht werden müssen. Aber dafür braucht man kein IT-Experte zu sein. Wichtiger ist es – und darauf zielt meines Wissens auch die Reform des Ausbildungsberufes –, dass bei Vermittlern die Berührungsängste abnehmen. Es müssen die Bereitschaft und Fähigkeit vorhanden sein, die digitalen Anwendungen zu nutzen. Welche Möglichkeiten bieten die digitalen Tools und wie werden sie bedient? Wie können sie so in den Beratungsprozess eingebunden werden, dass sie diesen unterstützen? Wie können sie organisatorisch und strukturell in den laufenden Vermittlerbetrieb integriert werden? Diese Kompetenzen in die Ausbildungsgänge mit hineinzunehmen, halte ich nicht nur für richtig, sondern für notwendig. Denn die Versicherer, aber auch die Kundinnen und Kunden nutzen digitale Tools – folglich ist die Anwendung dieser Techniken auch essentiell für den Vermittlerberuf.

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Ein anderer Aspekt: Die Branche muss vermehrt IT-Experten ausbilden oder zumindest beschäftigen, um Tools für den Versicherungsvertrieb zu programmieren. Sie müssen Anwendungen auch für Menschen entwickeln, die nicht IT studiert haben und trotzdem mit den Anwendungen umgehen können. Genauso, wie Autos derart entwickelt werden, dass auch Sie und ich sie fahren können. Hier kommen viele Impulse durch Start-ups und Insurtech, die neue Anwendungsmöglichkeiten sehen und entwickeln. Auch sie müssen unter Umständen branchenspezifisch weitergebildet werden und Versicherungswissen erwerben, um Einblicke zu gewinnen, wie die Technik im Vermittlungsgespräch sinnvoll zum Einsatz kommen kann und was Vermittler hierbei beachten müssen.

Es galt lange als ein Klischee im Vermittlerberuf, von vielen Quereinsteigern durchsetzt zu sein – ich kann mich noch an die Nachwendezeit in Ostdeutschland erinnern, als frühere Lehrer oder Polizisten plötzlich „in Versicherungen gemacht“ haben. Bricht dieses Phänomen aufgrund der steigenden Qualifikations-Anforderungen zunehmend weg?

Meine Wahrnehmung ist, dass wir aus diesem Klischee gar nicht heraus sind. Nach wie vor kommen viele neue Vertriebskolleginnen und -kollegen aus anderen Branchen. Das ist per se ja auch nichts Schlimmes. Aber es muss dafür gesorgt werden, dass sie schnell und ausreichend qualifiziert werden.

Eine größere Sorgfalt in der Branche wäre bei der Auswahl neuer Vermittler hilfreich – wenngleich es immer etwas pauschal klingt, von „der“ Branche zu sprechen. Aber wenn man beobachtet, wie viele oben in den Trichter herein geschmissen werden und wie viele nach zwei Jahren noch im Vermittlerberuf aktiv und erfolgreich sind, machen die Zahlen keine Freude. Hier gilt es auch zu berücksichtigen, was die Beschäftigung in den ersten zwei Jahren kostet – mit Provisionsgarantien, Bürokostenzuschüssen, der Ausbildung als solcher und der Büroausstattung. Das ist immer noch ein Groschengrab für die Versicherungswirtschaft.

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Das alles heißt aber nicht, Quereinsteiger ausschließen zu sollen. Jeder fängt mal an. Und dann zählt auch die Frage, welche Qualifikationen die Einsteiger bereits mitbringen. Waren die Vermittler vorher bereits in menschen- und beratungsnahen Berufen aktiv? Das hilft sicher für den Einstieg. Auch die persönlichen und finanziellen Verhältnisse spielen für die Eignung eine Rolle. Empfehlungen älterer Kollegen sind hilfreich für die Rekrutierung und Auswahl – sie haben meist ein gutes Gefühl dafür, ob jemand geeignet sein könnte oder nicht. Man muss nichts gegen Quereinsteiger haben. Aber eben nicht alle und jeder!

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