Die Allianz Leben ist unangefochtener Marktführer in der Lebensversicherung: Fast jeder zweite Vorsorgevertrag, der 2019 in Deutschland neu abgeschlossen wurde (46 Prozent), stammte vom „blauen Riesen“, die Allianz-Tochter legt in Summe Kundengelder in Höhe von 308 Milliarden Euro an. Umso mehr erregte es Aufmerksamkeit, dass der Versicherer sich von einer 100-Prozent-Beitragsgarantie verabschieden will. Weder ein fester Zins noch der Erhalt der vollen Beiträge zur Ablaufzeit ist den Sparerinnen und Sparern dann garantiert.

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In einem am Montag veröffentlichen Interview mit dem „Tagesspiegel“ begründet nun Vorstandschef Andreas Wimmer, weshalb die Allianz Leben künftig auf die volle Beitragsgarantie verzichten will. Und begründet den Abschied mit den niedrigen Zins am Kapitalmarkt - speziell für festverzinsliche Papiere, mit denen die Anbieter Garantien mehrheitlich absichern müssen.

"Wir bekommen für 20jährige Anleihen nichts!"

„Wenn Sie heute eine Bundesanleihe für 100 Euro kaufen, kriegen Sie in zehn Jahren 95 Euro zurück. Das zeigt, was an den Kapitalmärkten los ist. Wenn wir in einer solchen Phase eine vernünftige Altersvorsorge anbieten wollen, müssen wir uns Spielräume in der Kapitalanlage schaffen“, sagt der promovierte Betriebswirt.

Die Zinssituation habe sich weiter verschärft, begründet er den Zeitpunkt des Vorstoßes: Vor zwei Jahren habe es noch rund 1,5 Prozent bei 20jährigen Anleihen gegeben. „Wenn wir heute eine Staatsanleihe kaufen, bekommen wir 20 Jahre lang nichts“. Deshalb müsse der Versicherer die Produkte nun anpassen. Das sei nichts Neues: Man habe sich bereits 2013 mit den „Perspektive“-Tarifen von der festen Zinsgarantie verabschiedet.

Wimmer verteidigt zugleich die Leistungsfähigkeit der Allianz-Policen. “Unsere Überschussbeteiligung liegt bei über drei Prozent. In Zeiten von Null- und Negativzinsen ist das eine Leistung“, sagt der Vorstand. Hierbei gilt es aber zu bedenken, dass der Überschuss nicht auf den vollen Beitrag angerechnet wird, sondern auf den Sparanteil - abzüglich mitversicherter Leistungen, Abschluss- und Verwaltungskosten.

Mehr Investment in Infrastruktur

Wimmer erklärt, dass es sich bei den neuen Policen um Zwei-Topf-Hybride handelt: Ein Teil der Prämie werde in normales Sicherungsvermögen investiert und die Überschussbeteiligung entsprechend aufgerechnet, ein zweiter Topf mit Sondervermögen werde riskanter, aber auch renditeträchtiger angelegt. „In Kombination mit dem Sicherungsvermögen als Stabilitätsanker, welches Schwankungen auf den Kapitalmärkten ausgleicht, können wir so unseren Kunden eine sichere und zugleich attraktive Altersvorsorge anbieten“, verspricht der Manager. Es gebe einen Unterschied zwischen Sicherheit und Garantie: Die Allianz müsse nun quasi Garantien beschneiden, um Sicherheit bieten zu können.

Für Bestandskundinnen und -kunden ändere sich hingegen nichts, ergänzt der Manager: selbstverständlich, möchte man ergänzen, schließlich ist auch die Allianz an die Einhaltung eingegangener Verträge gebunden. Zugleich sichert Wimmer zu, dass die Allianz -anders als ihr Wettbewerber Generali- keine Bestände verkaufen wolle. Die Anlagestrategie der Allianz Leben habe sich der Situation angepasst, man investiere mehr in Infrastruktur: "Aktuell legen wir beispielsweise 900 Millionen Euro an, indem wir in den Glasfaserausbau in Deutschland und in das portugiesische Gasnetz investieren", so Wimmer.

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Problem Cash-Lock

Die Lebensversicherer haben das Problem, dass sie gesetzlich verpflichtet sind, Garantien mit lang laufenden Anleihen abzusichern, da diese als vermeintlich sichere Anlagen gelten. Schlimmer noch: Je mehr die Zinsen am Kapitalmarkt im Keller sind, desto mehr Gelder der Kundinnen und Kunden müssen sie in festverzinsliche Papiere umschichten und Aktien notfalls abstoßen. Der Effekt lässt die Aktienquote im Extremfall auf null sinken, wie jüngst das Beispiel fairriester zeigte. Wollen die Lebensversicherer stärker am Aktienmarkt partizipieren, sind sie geradezu gezwungen, sich von den teuren Garantien zu verabschieden.

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