Kaum eine Woche vergeht ohne dass ein Beitrag über die Vergleichbarkeit von Produkten der Arbeitskraftsicherung erscheint. Doch dabei treten die wesentlichen Eigenschaften zum Schutz der finanziellen Existenz bei Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall in den Hintergrund. Stattdessen wird der Zahlbeitrag zum Dreh- und Angelpunkt der Kaufentscheidung. Die Zeche zahlt der Kunde.

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Wer Teilausschnittsdeckungen - und etwas anderes sind diese Produkte nicht - als Alternativen bezeichnet, handelt in meinen Augen verantwortungslos. Einige Aussagen von „Experten“ machen deutlich, welches Gefahrenpotenzial für Kunde und Vermittler in solchen verkürzten Aussagen schlummert.

Alternative? Zum Unterschied zwischen Erwerbsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit

Reicht es aus, wenn zwei Versicherungen dieselben Leistungsauslöser haben, diese auf eine Stufe zu stellen? Die BU versichert einen Tagesablauf, bei Erwerbstätigen kommt der soziale Status hinzu (definiert durch Einkommen u.a.). Wird infolge der oben genannten Beeinträchtigung der Tagesablauf, wie er in gesunden Tagen ausgestaltet war um mehr als 50 Prozent beschränkt, ist ein Leistungsfall zu prüfen.

Die EU bezieht sich weder auf Beruf noch Tagesablauf. Das Restleistungsvermögen in irgendeiner denkbaren Tätigkeit definiert den möglichen Leistungsfall. Vom Professor zum Parkhauswächter. Die Praxis zeigt, dass BU-Versicherte im Rentenstatus kurzfristig den Wunsch zur Wiederaufnahme einer Tätigkeit, meist geringfügig äußern. Werden nicht mehr als 80 Prozent des alten Einkommens bei gleicher sozialer Stellung erreicht, bleibt die Berufsunfähigkeitsrente erhalten und die Einnahmen erhöhen sich um den erwirtschafteten Lohn. Erwerbsminderungsrenten beenden den Leistungsfall bei Wiederaufnahme einer Tätigkeit von mehr als 3 Stunden täglich. Der soziale Abstieg droht, denn der erwirtschaftete Lohn wird nicht zum Leben reichen. Vermittler solcher Teilausschnittsdeckungen haften dafür, fehlt dem Versicherten die Kenntnis dieses Umstandes.

Alternative Arbeitskraftabsicherung? Die Schwere-Krankheiten-Versicherung

Wer die Absicherungen gegen schwere Krankheiten berät und verkauft, sollte auf die unterschiedlichen Leistungsdefinitionen, beispielsweise bei Krebs oder Herzinfarkt hinweisen. Jeder Anbieter definiert anders. Welche der Definitionen ist für den Interessenten bei der möglichen zukünftigen Erkrankung die richtige? Der Vermittler braucht hier nicht nur Kenntnisse in Medizin, sondern sollte auch in die Zukunft sehen können.

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Beworben werden Dread Desease-Versicherungen gern damit, dass konkrete Tätigkeiten mit speziellen Leistungsauslösern versichert sind. Deshalb sei diese Absicherung insbesondere für Handwerker geeignet. Allerdings zeigen praktische Erfahrungen, dass psychische Krankheiten bei Handwerkern nicht geringer sind, als in anderen Berufen. Die ständige Existenzangst in den meist kleinen Firmen, scheint die Hauptursache der Erkrankungen zu sein.

Alternative Arbeitskraftabsicherung? Die Grundfähigkeitenversicherung

Ähnlich wie bei der Schwere-Krankheiten-Versicherung kennt auch die Grundfähigkeitsversicherung solche speziellen Auslöser. Doch die unterscheiden sich von Anbieter zu Anbieter und sind eigentlich kaum miteinander vergleichbar. Hilfsmittel und Arztanordnungsklausel sind fast immer offen formuliert und damit nachteilig für den Versicherten.

Die Grundfähigkeit „Stehen“ definiert sich beispielsweise bei einem Anbieter durch die Unfähigkeit, unter Berücksichtigung „zumutbarer“ Hilfsmittel, 10 Minuten lang barfuß auf ebenem Grunde stehen zu können. Was wäre, wenn mich jemand stützt? Was ist und wer bestimmt „zumutbar“?

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In einem anderen Beispiel definiert sich die Grundfähigkeit „Arm“ durch die fehlende Fähigkeit ein 200 g schweres Objekt auf ein Regal in Schulterhöhe zulegen. Ich bin der Meinung, wenn das nicht mehr möglich ist, ist die Schulter kaputt, nicht aber der Arm.

Psychische Erkrankungen finde ich, wenn überhaupt, in meinen Augen ungenügend definiert. Über den Zeitraum von zwölf Monaten muss eine/mehrere schwere depressive Episoden diagnostiziert werden. Daraus folgt, dass es frühestens nach zwölf Monaten plus des Zeitraums, der für die Entscheidung notwendig ist, eine Versorgung stattfinden kann. Diese Versicherungsform ist wie ein Glücksspiel: Zu den offenen Formulierungen bei den Hilfsmitteln und den intransparenten Begriffen wie der Arztanordnungsklausel kommt oftmals hinzu, dass mehrere Grundfähigkeiten nachweislich verloren gegangen sein müssen.

Bedarfsänderung durch COVID-19

Eine Coronainfektion scheint keine Immunität nach überstandener Erkrankung zu hinterlassen. Alle Organe sind in ihrer Funktion gefährdet. Selbst nach einem milden Krankheitsverlauf klagen die Betroffenen über eine bleierne und unerklärbare, tief gehende Erschöpfung, Fatigue genannt. In Onlinegruppen berichten Betroffene von einem Brennen im Körper, von Verdauungsbeschwerden und Schweißausbrüchen, die das normale Leben und die gewohnte Erwerbstätigkeit verhindern. Die Langzeitfolgen sind in ihrer Auswirkung auf dem beruflichen Alltag ausschließlich in der Berufsunfähigkeitsversicherung versichert. Ich hoffe, dass jeder Vermittler diesen Hinweis gibt. Übrigens: Leistungen über eine Infektionsklausel definieren sich nicht durch die Erkrankung des Versicherten selbst. Ein behördliches oder gerichtliches Tätigkeitsverbot ist die Leistungsgrundlage.

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