Die deutsche Versicherungsbranche war durch die Coronakrise weniger stark betroffen als andere Branchen: Die meisten Versicherer konnten ihre Tätigkeiten aufrecht erhalten. Sehr wohl aber könnte die Coronakrise einschneidende Änderungen bei der Organisation und Struktur der Versicherer bewirken. Das zeigt eine Umfrage der Versicherungsforen Leipzig unter Assekuranz-Mitarbeitern, die im Juni und Juli 2020 durchgeführt wurde.

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Homeoffice erfordert neues Miteinander

Eine der Grundregeln in Zeiten des Shutdowns hieß: Soziale Kontakte meiden, um die Ausbreitung von Corona zu verhindern. Entsprechend mussten auch die Versicherer fast ihre komplette Belegschaft ins Homeoffice schicken, um den Infektionsschutz zu wahren. Der Übergang zum Arbeiten von Zuhause – vor der Pandemie kein Standard bei den meisten Versicherern – gelang bei 88 Prozent der Befragten reibungslos, so ein Ergebnis der Umfrage.

Dass Homeoffice jedoch nicht nur eine Antwort auf Corona war, sondern die Arbeit bei den Versicherern langfristig prägen könnte, zeigen andere Umfrage-Ergebnisse. Rund drei Viertel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befanden sich zum Umfragezeitpunkt noch im Homeoffice, obwohl die Kontaktbeschränkungen schon wieder deutlich gelockert worden waren. Und: Knapp 90 Prozent der Befragten wünschen sich nach einem möglichen Ende der Coronakrise weiterhin eine flexible Wahl des Arbeitsortes.

Wichtige Versicherer setzen bereits deutliche Zeichen, die Erkenntnisse aus der Coronazeit auch langfristig in ihre Arbeitsstruktur einfließen zu lassen: sodass neue Arbeitswelten entstehen. So kündigt beispielsweise Allianz-Vorstand Christof Mascher an, dass Europas größter Versicherer künftig 40 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dauerhaft ins Homeoffice schicken will.

Herausforderungen beim Wechsel ins Homeoffice

Die Studienautoren fragten auch, mit welchen Herausforderungen die Versicherer beim Übergang ins Homeoffice zu kämpfen hatten. Mehrfachnennungen waren hier möglich. Es zeigte sich: Es fehlt vielfach noch an den hierfür notwendigen Rahmenbedingungen.

Beim Übergang ins mobile Arbeiten hatten 60,3 Prozent der Befragten mit den neuen Formen der Zusammenarbeit und Kommunikation zu kämpfen: Das war auch die meistgenannte Herausforderung. Hierunter fallen Themen wie Meetings, der Austausch von Informationen und die Transparenz der Arbeitsprozesse. Insbesondere der fachliche und informelle Austausch stelle eine Herausforderung der neuen Arbeitswelt dar, so heißt es im Pressetext der Versicherungsformen.

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Auf dem zweiten Rang mit 52,5 Prozent Zustimmung waren es die Führungsthemen, von denen sich die Versicherer herausgefordert sahen. Zum Beispiel die Frage, wie die Führung aus der Ferne funktionieren soll, wie die veränderten Teams zusammenarbeiten und sich die soziale Distanz auf die Arbeit auswirkt.

Vertrieb und Neugeschäft größte Baustellen

Problem Numero drei beim Wechsel der Versicherer ins Homeoffice: Die technische Ausstattung mit 39,2 Prozent Zustimmung. Also, ob die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ausreichend leistungsfähigen PCs und Bildschirmen ausgestattet sind, ob das Internet schnell genug ist, in den eigenen vier Wänden auch notwendige Dokumente ausgedruckt werden können etc.

Private Mehrbelastungen waren bei beinahe jedem dritten Befragten eine Herausforderung (32,8 Prozent): vor allem die Betreuung der Kinder war hierfür ausschlaggebend. Schulen und Kindergarten waren geschlossen und mussten von den Eltern betreut werden, in der Regel den Frauen, denen ein Großteil der familiären Arbeit aufgebürdet wurde. Organisatorische Probleme platzieren sich bei den Befragten auf Rang fünf mit 25,5 Prozent Nennungen: etwa, wie Abläufe trotz Homeoffice geplant und gesteuert werden können. "Es gab keine Herausforderungen" antworteten nur 9,8 Prozent.

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Digitalisierungsschub in Krise

Die Coronakrise hat einen Digitalisierungsschub bei den Versicherern bewirkt, so eine weitere Erkenntnis aus der Studie. Die Befragten konnten feststellen, dass die digitale Kontaktaufnahme sowohl durch die Kunden als auch durch die Vermittler deutlich zugenommen hat. Auch in anderen Bereichen wie dem Schadenma-nagement wurden vermehrt digitale Kontaktmöglichkeiten (E-Mail, Chat oder Webformulare) genutzt.

Besonders negativ trifft die Krise nach Meinung der Befragten die Bereiche Kapitalanlage und Vertrieb. Hier wurde ein deutlicher Rückgang des Neugeschäfts beobachtet: 69,2 Prozent der befragten Versicherungs-Mitarbeiter gaben zu Protokoll, dass das Neugeschäft zurückging. Immerhin 5,1 Prozent beobachteten hingegen eine Zunahme des Neugeschäfts, 7,7 Prozent hingegen keine nennenswerten Veränderungen. 17,9 Prozent der Befragten machten hierzu keine Angabe.

Im Produktbereich reagierte die Branche kurzfristig mit punktuellen Anpassungen ihrer Produkte und vor allen Dingen Services auf die Krise, indem beispielsweise Zahlungsmodalitäten flexibler oder spezielle Tarifupgrades für systemrelevante Berufe gestaltet wurden. Dass sich die Krise langfristig auf die Produkte auswirke, erwarten die Befragten hingegen nicht.

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Die komplette Studie kann auf der Webseite der Versicherungsforen angefordert werden. An der Befragung, die im Juni und Juli 2020 durchgeführt wurde, nahmen circa 230 Mitarbeiter aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen der Assekuranz teil.

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