Ein BU-Versicherer muss selbst dann einen späteren Wegfall der BU-Versicherung mit einer wirksamen Änderungsmitteilung nachweisen, wenn er die Leistungspflicht zunächst abstreitet. Sonst besteht die Pflicht zur Zahlung einer BU-Rente weiter – sogar, wenn der Betroffene später in seinen Beruf zurückkehren konnte. Auf das Urteil macht der Rechtsanwalt Christian Luber von der Fachkanzlei L & P Luber Pratsch Rechtsanwälte auf der Webseite anwalt.de aufmerksam.

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Versicherer klagt gegen Geschäftsführer mit depressiver Episode

Im verhandelten Rechtsstreit hatte der Geschäftsführer einer GmbH drei kapitalbildende Lebensversicherungen abgeschlossen, die einen BU-Zusatzbaustein beinhalteten. Während er die ersten beiden Policen bereits seit 1995 bzw. 1996 hielt, schloss er den letzten Vertrag im Februar 2009 ab. Alle Verträge erlaubten eine Nachprüfung unter verschiedenen Voraussetzungen.

Am 4. Mai 2010 beendete der Versicherungsnehmer seine Tätigkeit als Geschäftsführer und stellte Mitte August beim Versicherer einen Antrag auf Berufsunfähigkeits-Rente. Ursache war eine depressive Episode, die länger als sechs Monate angedauert habe: damit wurde aus seiner Sicht die Bedingung für eine Berufsunfähigkeits-Rente erfüllt.

Der Versicherer reagierte anders als erwartet. Er lehnte mit einem Schreiben vom 14. Juni 2011 die Einstandspflicht ab, kündigte die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen außerordentlich und fristlos – und stellte gar Strafanzeige wegen Betrugs gegen den Mann. Eine Erstprüfung zur Feststellung der Berufsunfähigkeit führte der Versicherer erst gar nicht durch. Grund dafür war u.a., dass der Antragsteller schriftlich angegeben hatte, er gehe keiner beruflichen Tätigkeit nach – obwohl er zu dem Zeitpunkt geringfügig beschäftigt war. Dies allerdings teilte der Erkrankte dem Versicherer noch vor Abschluss der Leistungsprüfung selbst mit.

Vor Gericht wurde der ausgeschiedene Geschäftsführer schließlich vom Vorwurf des versuchten Betruges rechtskräftig freigesprochen – und klagte gegen die Gesellschaft auf Zahlung rückständiger Renten sei Juni 2010 sowie Zahlungen weiterer Renten bis Vertragsende. Auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten wollte der Mann erstattet haben. Der Rechtsstreit ging durch alle Instanzen und nahm mehr als sieben Jahre in Anspruch.

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Versicherer muss zahlen - bis zum Zeitpunkt der wirksamen Änderungsmitteilung

Das Landgericht Potsdam hatte die Klage des Versicherungsnehmers zunächst zurückgewiesen und gab beiden Parteien teilweise Recht. Nicht so die Anschlussrevision: Sie schloss sich der Argumentation des früheren Geschäftsführers weitestgehend an und sah den Versicherer in der Pflicht. Demnach stünden dem Kläger insgesamt knapp 225.370 Euro an Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum Juni 2010 bis einschließlich April 2018 zu: nebst gestaffelter Zinsen und Rechtsanwaltskosten. Der Versicherte wollte auch zukünftige Renten einklagen - und zog schließlich vor den Bundesgerichtshof (BGH).

Auch bei anfänglicher Ablehnung der Leistung ist Änderungsmitteilung notwendig

Im Rechtsstreit ging es auch um die Frage, ob der Versicherer ab Oktober 2012 seine Renten habe kürzen dürfen: Zu diesem Zeitpunkt galt der Kläger wieder als berufsfähig. Zweifelsfrei im Sinne des Versicherten wurde festgestellt, dass tatsächlich der Betroffene ab Juni 2010 eine BU-Rente erhalten müsse, weil eine Berufsunfähigkeit laut Vertragsbedingungen vorgelegen hat.

Der BGH bestätigte weitestgehend das Urteil der Vorinstanz. So durfte der Versicherer die Berufsunfähigkeitsrente auch nach 2012 nicht einfach einstellen, obwohl der Kläger zu diesem Zeitpunkt wieder in seinem Beruf arbeiten könnte. Der Grund: Die Gesellschaft hatte es versäumt, den Leistungsberechtigten ordnungsgemäß eine Änderungsmitteilung zukommen zu lassen und das hierfür notwendige Prüfverfahren zu veranlassen.

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Änderungsmitteilung auch notwendig, wenn Versicherer Berufsunfähigkeit zunächst nicht anerkennt

Zutreffend sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, „dass die Leistungspflicht der Beklagten erst mit dem Wirksamwerden ihrer Änderungsmitteilung geendet hat. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass ein Versicherer auch dann, wenn er kein Anerkenntnis seiner Leistungspflicht abgegeben hat, den späteren Wegfall einer zunächst bestehenden Berufsunfähigkeit nur durch eine den inhaltlichen Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens genügende Änderungsmitteilung geltend machen kann“, heißt es im Urteilstext des BGH. Eine solche Mitteilung sei auch dann erforderlich, „wenn die zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen ein befristetes Anerkenntnis erlauben“ – wie hier in den AVB aller Verträge geregelt.

Dies gelte auch dann, wenn dem Berufsunfähigen bereits zu Beginn seiner Erkrankung eine zeitlich bestimmte Genesungsprognose hätte gestellt werden können, führten die Richter weiter aus. Mache der Versicherer von der Möglichkeit eines befristeten Anerkenntnisses keinen Gebrauch – zum Beispiel, weil er das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit von vorn herein bestreitet –, „kann er nicht im Nachhinein so gestellt werden, als hätte er eine tatsächlich nicht erfolgte Befristung vorgenommen“. Urteilsgründe bezogen sich zusätzlich darauf, wann das zugesendete Anerkenntnis wirksam wurde und zum Einstellen der Rente berechtigte. So war in dem 2009 abgeschlossenen Vertrag u.a. eine Dreimonatsfrist vorgeschrieben, was die Vorinstanz nicht würdigte. Die künftigen Renten aber bekam der Kläger nicht bewilligt – da die rechtmäßige Änderungsmitteilung wirksam wurde.

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