Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler müssen sich regelmäßig mit vielfältigen gesetzlichen Neuerungen auseinandersetzen, die ihnen das Leben nicht immer einfacher machen. Derzeit das wichtigste Beispiel: die Bündelung der Aufsicht über alle 34f- und 34h-Vermittler bei der BaFin. Das führt zu neuen Pflichten und Kosten, die in den unternehmerischen Alltag integriert werden müssen. Wichtig dabei ist zu verinnerlichen, dass die BaFin-Aufsicht einen wesentlichen regulatorischen Rahmen darstellt, aber keineswegs die einzige Vorschrift, die Versicherungs- und Finanzunternehmer im Alltag beachten müssen. Auch das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) definiert einen verbindlichen Rahmen, vor allem hinsichtlich der Verletzung der Aufsichtspflicht im Unternehmen durch Unternehmensorgane. Und auch auf steuerlicher Seite entstehen durch gesetzliche Vorschriften maßgebliche Herausforderungen für Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler – aber vielfach gehen diese an den Augen vieler Unternehmer vorbei. Das wiederum führt zu Risiken – denn Unwissen schützt nicht vor Strafe/Sanktionen.

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Verstöße gegen das Steuerrecht gehen immer voll zu Lasten des Unternehmens

Helmut König ist Geschäftsführer der BBWP GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Partner der Wirtschaftskanzlei Beiten Burkhardt.Helmut KönigBesonders augenfällig wird dies am Beispiel der steuerlichen Compliance. Compliance, das klingt zunächst nach der internationalen Wirtschaft, nach umfangreichen Strukturen – nicht nach einer Herausforderung für Kleinst- und Kleinunternehmen. Aber genau diese verbirgt sich dahinter. Der Gesetzgeber verfolgt alle steuerlichen Verstöße, auch solche wegen Kommunikationslücken und Handhabungsfehlern, und sanktioniert diese Verstöße gegen die Steuergesetze in jederlei Hinsicht – egal ob ertrag- oder auch umsatzsteuerlich – nach strengen Vorgaben. Das gilt für jede Branche und Unternehmensgröße.

Regelmäßig stellt übrigens die Umsatzsteuer das größte Risiko für Unternehmen dar. Zwar sind nur bestimmte Leistungen in der Finanzberatung umsatzsteuerpflichtig (und damit sind viele Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler davon nicht betroffen). Aber grundsätzlich können bei allen steuerlichen Vorgängen eklatante Fehler passieren, sodass steuerliches Wohlverhalten in allen Zusammenhängen gefordert wird. Und wenn umsatzsteuerrelevante Dienstleistungen erbracht werden, erfolgen diese häufig über Schwestergesellschaften, etwa eine GmbH & Co. KG für Finanzplanung etc. Dann entstehen umso komplexere Anforderungen an die steuerliche Compliance, beispielsweise aufgrund von Gewinnabführungsverträgen und einer sauberen Abgrenzung von Umsätzen. Ziel einer funktionierenden Umsatzsteuer Compliance muss darüber hinaus immer auch die Vermeidung des Vorwurfs der Aufsichtspflichtverletzung im Sinne von § 130 OWiG sein.

Gefährlich wird dies, weil Unternehmen für Verstöße ihrer Mitarbeiter, die zu Steuerverkürzungen führen, zumindest finanziell einzustehen haben. Diese Verstöße gegen das Steuerrecht gehen immer voll zu Lasten des Unternehmens, aber auch des Unternehmers, mit allen finanziellen sogar bis hin zu strafrechtlichen Konsequenzen.

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Das bedeutet, dass sich kein Organ eines Finanzdienstleistungs- oder Maklerunternehmens darauf beziehen kann, dass ein Mitarbeiter an einem Regelverstoß schuld sei. Es trägt die Verantwortung für einen einwandfreien Ablauf bei allen steuerlichen Vorgängen und muss dafür Sorge tragen, dass alle Beteiligten nach Recht und Gesetz vorgehen. Es ist für jedes Finanzdienstleistungs- und Maklerunternehmen, egal ob mit fünf, zehn, 15 oder mehr Mitarbeitern, existenziell, sich gegen die vielfältigen Haftungsrisiken abzusichern, die aus einem steuerlichen Fehlverhalten resultieren. Dafür rückt die sogenannte Tax Compliance, also das steuerliche Wohlverhalten, in den Fokus. Dies bezeichnet umfassende Kontrollmaßnahmen, die die wesentlichen fiskalischen Sachverhalte überwachen.

Unternehmensinterne Steuerrichtlinien systematisch und präventiv absichern

Der Vorteil: Das Bundesfinanzministerium hat für Unternehmen einen Ausweg geschaffen, und das schon vor einigen Jahren. Im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) findet sich seit Mai 2016 ein entscheidender Hinweis zur protektiven Wirkung von innerbetrieblichen Kontrollsystemen (IKS) in Form von Tax Compliance Management Systemen (Tax CMS). Darunter versteht man, die Einhaltung aller Vorschriften und Pflichten sowie der unternehmensinternen Richtlinien im Bereich Steuern systematisch und präventiv abzusichern. Das schützt vor dem Vorwurf eines bewussten oder leichtfertigen steuerlichen Fehlverhaltens. Aber obwohl das Schreiben mittlerweile fast vier Jahre alt ist, sind die Möglichkeiten erst bei einem Bruchteil der Unternehmen umgesetzt worden. Daher sollten sich Unternehmer mit diesem Thema schnellstmöglich befassen, um ein dauerhaft rechtssicheres Vorgehen sicherzustellen und ihr Unternehmen vor schwerwiegenden Haftungsfallen zu schützen.

Schließlich gilt: Unternehmen müssen eine Vielzahl von fiskalischen Sachverhalten überwachen, um der Tax Compliance zu entsprechen. Dazu gehören unter anderem die Erfassung und Bewertung aller steuerlichen Risiken, Strukturierung und Dokumentation aller steuerlichen Vorgänge sowie die Identifikation und Implementierung steuerrelevanter Anpassungen der Geschäftsprozesse. Und vor allem müssen sie diese Überwachung dokumentieren und bei den Mitarbeitern verankern. Nur auf diese Weise ist es möglich, dass sich Geschäftsführer/Gesellschafter vor den Risiken persönlicher Inanspruchnahme absichern können – dann können sie nachweisen, dass sie alles dafür getan haben, steuerliche Verfehlungen zu verhindern, eben über das Tax Compliance Management System. Es implementiert Grundsätze, Verfahren und Maßnahmen zur organisatorischen Umsetzung und Einhaltung aller steuerlichen Pflichten.

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Behörden nehmen keine Rücksicht auf die Betriebsgröße

Was bedeutet das konkret für Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler und deren Unternehmen? Zunächst, dass selbst in Mikro-Strukturen, beispielsweise im Unternehmen mit Chef und zwei Angestellten, diese Systematik Anwendung finden sollte. Die Behörden nehmen keine Rücksicht auf die Betriebsgröße, Verstoß ist Verstoß – die Bewertung von Verstößen gegen die Steuergesetze durch die Fiskal- und Strafverfolgungsbehörden hängt nicht von der Größe eines Unternehmens ab. Dagegen gilt es sich abzusichern. Aber: Das steuerliche Compliance Management System muss den individuellen Bedürfnissen eines Unternehmens genügen. Daher benötigen kleine Einheiten weniger große Geschütze als andere. Wichtig ist, dass das System mit Hinblick auf branchenspezifische Fragestellungen gestaltet und laufend aktualisiert wird.

Ausgehend von der Risikoanalyse, -bewertung und -dokumentation anhand branchenspezifischer Prüfmuster werden Richtlinien erstellt, die rechtssicher die einzelnen Punkte behandeln. Sie gelten zudem als Nachweis dafür, dass eine Organisation und deren Verantwortliche im Sinne des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten dafür Sorge tragen, dass aus dem Unternehmen heraus keine Gesetzesverstöße gegen steuerliche Vorschriften erfolgen. Die Maßnahmen werden durch Prüfungen bei den Mitarbeitern verankert und regelmäßig überprüft.

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Aufgrund der individuellen Umsetzung müssen Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler auch keine Sorge haben, dass mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird und sie ein System erhalten, das völlig überdimensioniert ist. Berater finden ein Modell, dass zum Unternehmen und den Anforderungen passt und den Anforderungen Rechnung trägt. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

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