Selbstständige haben weniger Sorge aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Beruf ausscheiden zu müssen als Angestellte. Mit 30 Prozent schätzen sie im Mittel die Wahrscheinlichkeit einer berufsbedingten Erkrankung geringer ein als Angestellte (37 Prozent). Das ist ein Ergebnis der aktuellen „Berufe-Studie“ der HDI Versicherungen. Für die Umfrage wurden durch YouGov 3.600 Berufstätige ab 15 Jahren repräsentativ befragt.

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Die Berufstätigen sollten auf die Frage antworten: „Sehen Sie gesundheitliche Gefahren bei der Ausübung Ihres derzeitigen Berufs? Bitte versuchen Sie, das Risiko einer berufsbedingten Erkrankung für Sie persönlich einzuschätzen auf einer Skala von 0 bis 100 Prozent“.

Die Antworten haben die Studienmacher dann wiederum in drei Bereiche unterteilt: Wer das „Risiko einer berufsbedingten Erkrankung bis zu 30 Prozent“ war jene Gruppe, die am wenigsten fürchtete, eine berufsbedingte Krankheit zu erleiden. Eine mittlere Gruppe wurde mit „mehr als 30 Prozent bis 60 Prozent“ verortet. Jene Befragten, die ein sehr hohes Risiko sahen, wurden mit „mehr als 60 Prozent“ eingestuft.

Selbstständige schätzen berufsbedingtes Risiko am geringsten ein

Das Ergebnis: Weit mehr Selbstständige sehen die Gefahr einer berufsbedingten Erkrankung. Fast sechs von zehn (57 Prozent) der Befragten ordneten sich der Gruppe mit dem geringsten Risiko bis 30 Prozent zu. Zwischen 30 und 60 Prozent verordneten sich 21 Prozent der Selbstständigen und in der höchsten Risikogruppe „mehr als 60 Prozent“ landeten 17 Prozent der Befragten.

Anders das Bild bei den Angestellten: In der niedrigsten Gruppe bis „Risiko einer berufsbedingten Erkrankung bis 30 Prozent“ sahen sich mit 45 Prozent weit weniger Befragte. Dem entgegen ist die Zahl derer, die sich der höchsten Risikogruppe „mehr als 60 Prozent“ zuordnen, deutlich höher (siehe Grafik).

YouGov / HDI

Es droht Verlust der Existenzgrundlage

Mit Blick auf das Gefahr einer möglichen Berufsunfähigkeit überrascht das Ergebnis. So haben Selbstständige oft sogar ein höheres Risiko, im Falle einer Berufsunfähigkeit oder längeren Auszeit im Beruf ihre Existenzgrundlage zu verlieren. Der Grund: Oft haben sie für das Unternehmen Kredite aufgenommen, die noch abgezahlt werden müssen. Als Unternehmer lauern zudem Haftungsrisiken gegenüber Geschäftspartnern, wenn bestimmte Leistungen nicht mehr erbracht werden können.

Wer sich nicht freiwillig über die gesetzlichen Krankenversicherung einen Krankengeld-Anspruch erworben hat, um längere Krankheitszeiten zu überbrücken, sollte zudem das Risiko einer längeren Auszeit mit einer privaten Krankentagegeldversicherung und anderen Absicherungs-Möglichkeiten (z.B. Praxisausfall- und Betriebsunterbrechungsversicherung) absichern.

Psychische Krankheiten wichtigster Grund für Aus im Beruf

Hierbei sei auf Daten der Versicherungswirtschaft verwiesen. Psychische Störungen sind laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) der wichtigste Grund, weshalb Menschen ihren Beruf aufgeben müssen. Für 29 Prozent aller Versicherten waren demnach 2018 psychische Krankheiten die Ursache für eine Berufsunfähigkeit. Im Vorjahr war es noch ein Prozentpunkte weniger. Dabei gebe es große Unterschiede zwischen Frauen (34 Prozent) und Männern (26 Prozent). Rechnet man die Leistungsfälle von Nervenkrankheiten hinzu, waren 37 Prozent der Leistungsfälle auf die Ursachen psychische Erkrankungen und Nervenkrankheiten zurückzuführen.

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Zweithäufigster Grund für das Aus im Beruf sind laut GDV-Zahlen Erkrankungen des Bewegungsapparates – also von Rücken, Gelenken, Muskeln oder Knochen. 19 Prozent der Versicherten seien deshalb berufsunfähig geworden: gerade für Handwerksberufe ein Risiko. Typisch hierfür sind Osteoporose oder eine Arthritis. Ebenfalls mit 19 Prozent seien Krebs und bösartige Geschwülste für eine Invalidität ursächlich (der Versicherungsbote berichtete).

Mehrheit der Unternehmer scheut gesetzliche Absicherung

Ein weiterer Grund für einen erhöhten Absicherungsbedarf von Selbstständigen: Während Angestellte immerhin einen Minimal-Schutz bei Erwerbsunfähigkeit über die gesetzliche Rentenversicherung haben, besteht dieser bei vielen Unternehmern und Freiberuflern nicht. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zahlen 57 Prozent der Unternehmer nicht in die deutsche Rentenversicherung ein.

Nach einer Gesetzesreform 2001 hat sich zwar die deutsche Rentenversicherung aus der Absicherung des Berufs zurückgezogen und leistet nur noch bei Erwerbsunfähigkeit: zumindest für Beschäftigte, die nach dem 1. Januar 1961 auf die Welt kamen. Seither nimmt die Rentenkasse keine Rücksicht mehr auf Status und Einkommen des zuvor ausgeübten Berufes. Volle Erwerbsminderung nach dem 6. Sozialgesetzbuch liegt erst dann vor, wenn der Betroffene wegen Krankheit oder Behinderung weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann — egal in welcher Tätigkeit.

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Absicherung über Immobilien, Geld und Anlagen

Fast zwei Drittel der Unternehmer, die laut DIW Berlin nicht in die Rentenkasse einzahlen, verfügen immerhin über Immobilien-, Geld- und Anlagevermögen von mindestens 100.000 Euro. Aber bei vielen ist das die einzige Absicherung, die im Falle einer Berufsunfähigkeit nicht ausreichen würde den Lebensstandard langfristig zu sichern. Nach Daten des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) werden die Deutschen im Schnitt mit 47 Jahren berufsunfähig. Dann hätte man in der Regel noch ein Drittel seines Berufslebens vor sich.

Beim Thema BU-Schutz sollten Selbstständige auf die Klausel zur Umorganisation des Betriebes achten: Diese Klausel sieht vor, dass die vereinbarte Rente nicht gezahlt wird, wenn der Betrieb so umorganisiert werden kann, dass trotz der Erkrankung für den Versicherten weiterhin die Möglichkeit einer Tätigkeit im Unternehmen bleibt. Die Berufsunfähigkeitsversicherung sollte zumindest dann auf diese Klausel verzichten, wenn durch eine Umorganisation das Einkommen um mehr als 20 Prozent sinken würde (der Versicherungsbote berichtete).

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