Im Interview kritisiert Müller vor allem die Riester-Rente, die er in der jetzigen Form als gescheitert betrachtet: Sie sei gut gemeint, aber schlecht gemacht, sagte er dpa. Es lägen praktische Vorschläge auf dem Tisch, wie man trotz Niedrigzins mit vertretbarem Risiko besser für das Alter vorsorgen könne. Es gebe nun die große Chance, Riester grundlegend zu reformieren.

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vzbv mit eigenem Rentenkonzept

Der Dachverband der Verbraucherzentralen hat mit der „Extrarente“ ein eigenes Rentenkonzept vorgelegt, das explizit als Alternative zum bisherigen Riester-Modell gedacht ist. Demnach soll ein Kapitalstock für die private Altersvorsorge bei der gesetzlichen Rentenkasse angespart werden: Verwaltet von unabhängigen Fondsmanagern, die per Ausschreibung gefunden werden. Sie sollen das Geld gewinnbringend am Kapitalmarkt anlegen.

Die „Extrarente“ soll grundsätzlich allen Bürgern offen stehen. Bei Beschäftigten wird der Beitrag - abhängig vom Bruttoeinkommen - über den Arbeitgeber eingezogen, wobei sie per Opt-out auch die Option haben sollen, sich das Geld auszahlen zu lassen oder den Beitrag nach unten zu korrigieren. Selbstständige sollen ebenfalls in die Extra-Rente einzahlen dürfen.

Mit der Extrarente würde ein einfach zu verstehendes Standardprodukt entstehen, das zudem sehr niedrige Kosten hat, argumentiert der Dachverband der Verbraucherzentralen. Vorbilder sind die Staatsfonds in Norwegen und Schweden. Details des Modells hat der vzbv auf seiner Webseite veröffentlicht - wenn dort auch fast ausschließlich positive Auswirkungen benannt werden und wenig auf Risiken eingegangen wird.

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Müller hebt laut dpa hervor, dass die gesetzliche Rente aktuell wieder einen guten Ruf genieße. "Das war nicht immer so, sie ist teilweise von Banken und Versicherungskonzernen bewusst schlechtgeredet worden", behauptet der Diplom-Volkswirt. Zugleich gelte es aber, die Potentiale der privaten Altersvorsorge zu nutzen.

Auch Kritik an Staatsfonds

Es gibt aber auch kritische Stimmen zu solch einem Staatsfonds. Zum einen müsse gewährleistet sein, dass der Staat in Zeiten klammer Kassen keinen Zugriff auf die Gelder habe, auch nicht über Umwege. Zum anderen könnte das Modell immer dann bedroht sein, sollte der Fonds Verlust erleiden.

Beispiel Schweden: Zwar entwickelt sich der schwedische Staatsfonds aktuell gut: von 2008 bis 2018 machte er jährlich im Schnitt 15 Prozent Gewinn. Aber es gibt auch schlechtere Zeiten. Nach Recherchen der „Welt“ verlor er zum Beispiel im Jahr 2002 rund 27 Prozent, begleitet von Kritik in den Medien und der Missmut vieler Bürger.

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Bei anhaltendem Misserfolg könnten hier Legitimationsprobleme drohen. Und nicht alles am Fonds ist nachhaltig. Teils wird in Schweden auch mit hochriskanten Finanzwetten wie Derivaten jongliert, um die Rendite zu steigern. Was am Ende an Extrarente rauskommt, hängt stark vom Erfolg der beauftragten Fondsmanager am Kapitalmarkt ab.

Widerstand gegen Staatsfonds sinkt

Dennoch deutet vieles darauf hin, dass ein ähnliches Modell wie die "Extrarente" auch bald in Deutschland verhandelt werden könnte. Im Jahr 2020 will die Rentenkommission der Bundesregierung, „Verlässlicher Zukunftsvertrag“ benannt, Reformvorschläge präsentieren, wie die Rente auch über das Jahr 2025 hinaus zukunftsfest gemacht werden kann. Das Thema Rente dürfte also tatsächlich breit diskutiert werden.

Die CSU will auf ihrer gerade stattfindenden Klausurtagung im oberbayrischen Kloster Seeon ein Modell verabschieden, welches ebenfalls eine Art staatlichen Kapitalstock vorsieht: Wenn auch anders organisiert. So soll der Staat „ab Geburt bis zum 18. Lebensjahr für jedes Kind einen Beitrag von 100 Euro pro Monat in einen Generationen-Pensionsfonds einzahlen, der das Geld renditeorientiert anlegt“, zitiert die BILD aus einem entsprechenden Papier der Christsozialen (der Versicherungsbote berichtete).

Auch in der SPD und bei den Grünen gibt es starke Stimmen für einen staatlich verwalteten Kapitalstock. Ralf Kapschack, zuständiger Berichterstatter im Ausschuss für Arbeit und Soziales für die SPD-Bundestagsfraktion, sagte vor wenigen Monaten dem Versicherungsboten: "Ich halte diese Idee für sehr interessant. (...) Die Deutsche Rentenversicherung steht für Kontinuität und ist bekannt. Hier zusätzlich anzusetzen und eine Art Standardprodukt, das einfach, transparent und kostengünstig ist, anzubieten, finde ich genau richtig."

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Darüber hinaus haben sich sogar Vertreter der Privatwirtschaft sowie wirtschaftsliberale Institute für ein solches Modell ausgesprochen, wenn auch teils mit deutlichen Unterschieden: vor allem das ifo-Institut in München und das Ratinghaus Scope.

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