30 von aktuell 84 deutschen Lebensversicherern waren 2018 nicht in der Lage, genug Erträge zu erwirtschaften, um damit alle Garantieverpflichtungen gegenüber den Kunden zu erfüllen und zugleich die gesetzlich vorgeschriebene Reserve zu bedienen. Das zeigt eine aktuelle Studie des Zweitmarkt-Anbieters Policen Direkt. 29 dieser Versicherer können die fehlenden Gelder immerhin querfinanzieren, indem sie Gewinne aus Risiko und Verwaltung anzapfen. Allerdings bleibt dann auch für die Kunden weniger übrig, die an den Risikogewinnen beteiligt werden. Einem Versicherer gelingt selbst das nicht.

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Finanzstärke vs. Gesamt-Ertragsstärke

Um die Finanzstärke der Lebensversicherer zu ermitteln, hat Studienleiter Henning Kühl die Berichte der Versicherer für die Mindestzuführungs-Verordnung (MindZV §15) angeschaut. Diese Kennzahl stellt die aktuellen Erträge der Versicherer aus Kapitalanlagen ins Verhältnis zu den Rechnungszinsanforderungen: den Garantiezinsen und der verpflichtenden Zuführung zur Zinszusatzreserve (ZZR). Dies gibt einen Hinweis darauf, wie schwer künftig die Last der Versicherer wiegen kann. Die Zinszusatzreserve ist ein gesetzlich vorgeschriebener Kapitalpuffer nach einem bestimmten Rechnungsverfahren — er soll gewährleisten, dass die Versicherer langfristig alle Zusagen an ihre Kunden erfüllen können.

Dennoch reicht diese Kennzahl nicht aus, um einschätzen zu können, wie die Lebensversicherer für die Zukunft aufgestellt sind. Der Grund: zahlreiche Biometrie-Spezialisten finden sich unter den 29 betroffenen Querfinanzierern. Das sind Anbieter, die ihren Schwerpunkt in der Absicherung von Invalidität und Berufsunfähigkeit haben, weniger in der privaten Altersvorsorge. Sie erwirtschaften zwar tendenziell geringere Kapitalerträge, können aber vergleichsweise hohe Risikogewinne ausweisen. Es ist also mehr Geld im Topf, das notfalls umgeschaufelt werden kann.

Um diesen Umstand gerecht zu werden, berücksichtigt die Analyse auch die Gesamt-Ertragsstärke der Versicherer. Hier wird die Summe der Erträge aus Kapitalanlage und Risikoergebnis den Pflichten aus Garantie und Reserve gegenübergestellt. Die Werte für alle ausgewerteten Anbieter finden sich detailliert auf der Webseite von Policen Direkt.

Finanzstärke hat sich branchenweit im Schnitt verbessert

Mit Blick auf den Schnitt der Branche hat Henning Kühl Positives zu berichten. So hat sich die Quote aus den Kapitalerträgen im Verhältnis zu den Rechnungszinsanforderungen 2018 auf durchschnittlich 114,03 Prozent verbessert (2017: 105,24 Prozent). Auch sind weniger Versicherer mit den Garantien und den Reservepflichten überfordert. Im Jahr 2017 waren noch 39 Versicherer auf Querfinanzierung angewiesen. Fünf Anbieter hatten im Vorjahr nicht einmal mit ihrem Risikogewinn genug Geld — Diagnose „mittelfristig existenzgefährdet“ (der Versicherungsbote berichtete).

Das im Schnitt bessere Ergebnis der Branche resultiert auch daraus, dass der Gesetzgeber Reformbedarf sah und die Lebensversicherer bei der Zinszusatzreserve deutlich entlastete. Sechs Milliarden Euro mussten sie nach einer Reform der Rechenformel 2018 insgesamt als Puffer zurückhalten — im Jahr zuvor waren es noch 20 Milliarden. “Durch den nun langsameren Aufbau der Reserve haben die Lebensversicherer jetzt Luft, Strategien zur Verbesserung ihrer Zukunftsfähigkeit weiterzuentwickeln“, erklärt Aktuar Kühl. „Die Zinszusatzreserve zur Absicherung der Garantien ist nützlich und sinnvoll. Für viele Versicherer wäre sie aber in der alten Form existenzbedrohend geworden.“

Bestandsabwickler auf Rang 1

Die höchste Finanzstärke hatte 2018 die Entis Versicherung: ein Bestandsabwickler aus Mannheim und Tochter der Viridium Gruppe mit 223,1 Prozent. Der Versicherer hat 2017 die Bestände der Auffanggesellschaft Protektor übernommen. Auf den Plätzen folgen die Interrisk (166,5 Prozent), HanseMerkur (161,4 Prozent), Ideal (152,2 Prozent) sowie Neue Bayerische Beamten (144,6 Prozent).

Als Branchenverlierer mit der niedrigsten Finanzstärke 2018 steht die Dortmunder Leben da: satte -1.485,2 Prozent weist "Policen Direkt" aus. Es ist der einzige Versicherer mit einer negativen Finanzkraft. Hierbei gilt es aber zu bedenken, dass der Versicherer überhaupt erst im Jahr 2017 gegründet wurde und eben ein schwerpunktmäßiger Biometrieversicherer ist. Mit der Volkswohl Bund steht zudem eine gut aufgestellte Konzernmutter hinter dem Anbieter.

Auf den Rängen der finanzschwächsten Anbieter folgen die Vereinigte Post mit 1,4 Prozent Finanzstärke, die Credit Life (41,4 Prozent), Skandia (43,2 Prozent) sowie Heidelberger (43,4 Prozent).

Dortmunder Leben: schwächster Anbieter hat zugleich höchste Gesamt-Ertragsstärke

Wie stark man die Ergebnisse im Kontext betrachten muss, zeigt das Ergebnis der Gesamt-Ertragsstärke. Rechnet man nämlich den Risikogewinn hinzu, ist die Dortmunder Leben plötzlich nicht mehr Branchenletzter, sondern steht als Primus aller Versicherer am Besten da. Zu bedenken ist hier, dass bei einem neu gestarteten Versicherer mit Schwerpunkt Biometrie viele Neukunden auf wenige Schadensfälle treffen. Die Gesamt-Ertragsstärke beträgt 182476,02 Prozent.

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Es folgen auf den Rängen: die Delta Direkt mit 1.327,98 Prozent. Ebenfalls eine Folge der biometrisch orientierten Zielgruppe: seit 1994 ist der Anbieter auf Risikolebensversicherungen konzentriert, damit auf die Absicherung von Hinterbliebenen und nicht die kapitalbildende Altersvorsorge. Die Generali-Tochter Dialog Leben, ebenfalls mit Schwerpunkt Biometrie, kann 1.251,21 Prozent erzielen und landet auf Rang drei der Gesamt-Ertragsstärksten.

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