Die Bundesbürger hadern weiterhin mit Riester: so zumindest fasst das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ aktuelle Zahlen des Bundesarbeitsministeriums zusammen. Nach dessen Schätzung ist weiterhin gut jeder fünfte Riester-Vertrag ruhend gestellt, rund 3,3 Millionen Verträge. Das heißt, die Sparer haben ihren Vertrag zwar nicht gekündigt, zahlen aktuell aber keine Beiträge mehr.

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Es fehlen zu vielen Riester-Themen genaue Zahlen

Das Nachrichtenmagazin beruft sich auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag. Dem Versicherungsboten liegt das Dokument vor (Drucksache: 19/11986). Doch das Problem: genaue Zahlen zu ruhend gestellten Verträgen hat die Bundesregierung nicht: Es sind eben Schätzwerte.

„Die Schätzung stützt sich auf Zahlen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bereich Versicherungsaufsicht) zum Anteil der beitragsfreien Riester-Rentenversicherungen am Bestand dieser Versicherungen“, heißt es folglich in der Antwort der Bundesregierung. Dabei fällt eine begriffliche Unschärfe auf. In der Statistik werden anschließend eben nicht nur Riester-Versicherungen aufgezählt wie laut Drucksache behauptet, sondern auch andere geförderte Vorsorgen wie Riester-Banksparverträge, geförderte Investmentfonds-Verträge sowie Wohn-Riester-Policen (siehe Tabelle).

Ärgerlich sind die fehlenden Daten schon deshalb, weil sich die Bundesregierung verpflichtet hat, die staatlich geförderte Altersvorsorge zu evaluieren: auch, um bei Fehlentwicklungen gegenzusteuern. Nicht ohne Grund: Allein zwischen 2002 und 2016 hat der Staat 25 Milliarden Euro an Steuergeldern in die Riester-Förderung gesteckt, so eine Analyse des Bundesfinanzministeriums. Die staatlich geförderte Altersvorsorge ist hierbei eine wichtige Säule, um die finanzielle Lücke im Alter auszugleichen, die aus der Kürzung des gesetzlichen Rentenniveaus resultiert.

Aufgrund der fehlenden Zahlen weiß das Ministerium auch nicht, weshalb die Riester-Verträge ruhen. Ruhend gestellte Verträge bedeuten eben nicht automatisch, dass die Sparer unzufrieden sind. Es ist auch denkbar, dass sich ihre Lebenssituation geändert hat und sie deshalb aktuell keine Beiträge zahlen: etwa nach einer Scheidung, aufgrund von Arbeitslosigkeit etc. Ein weiterer denkbarer Grund: Die Sparer sehen sich mit der Bürokratie überfordert, etwa der Beantragung der Zulagen. Um das herauszufinden, müssten die Ursachen eben schlicht genauer untersucht werden, was aktuell nicht stattfindet.

Netto 30.000 Verträge weniger als 2018

Den Vertragsbestand wiederum kann die Regierung sehr genau beziffern. Zum Ende des ersten Quartals 2019 existierten rund 16,561 Millionen Riester-Verträge, so berichtet des Bundesarbeitsministerium. Netto bedeutet das einen Verlust gegenüber dem Vorjahr von rund 30.000 Verträgen. Der Großteil entfiel auf Versicherungen (10,793 Millionen Verträge), dann folgen Riester-Investmentfondsverträge (3,293 Millionen), Wohn-Riester (1.810 Millionen) sowie Bankspar-Verträge (666.000).

Vertragsbestand an Riester-Verträgen in TausendBundesregierung / Bundesdrucksache 19/11986

Höhe der durchschnittlich gezahlten Riester-Rente: unbekannt

Auch bei anderen Daten zeigt sich die Bundesregierung überraschend ahnungslos. So kann die Bundesregierung zum Beispiel keine Angabe dazu machen, wie viel Geld die Altersvorsorge-Anbieter pro Jahr an ihre Kundinnen und Kunden ausschütten. Auch wie hoch die durchschnittlich gezahlte Riester-Rente pro Monat ist, weiß die Bundesregierung nicht. In der Drucksache heißt es zu diesen Fragen lapidar: „Der Bundesregierung liegen hierzu keine Angaben vor.“

Wie viele Verträge ohne Mindesteigenbeitrag bespart?

Ein weiterer blinder Fleck: Die Bundesregierung weiß nicht, wie viele Verträge derzeit mit weniger als 4 Prozent des Bruttojahresgehalts bespart werden, dem sogenannten Mindesteigenbetrag. Wird in den Vertrag weniger eingezahlt, so erhält der Sparer die Riester-Förderung auch nur anteilig.

Hier müsste man streng genommen nicht nach der Zahl der Verträge fragen, sondern wie viele Sparer ungewollt Einbußen erleiden. Denn die Daten können dadurch verzerrt werden, dass einige Sparer mehrere Riester-Policen besitzen und sie deshalb nur anteilig gefördert werden. Die Zulagen können auf maximal zwei Riester-Verträge verteilt werden, was zum Beispiel sinnvoll sein kann, wenn Grund­zulage und Kinder­zulagen zusammen einen größeren Betrag ausmachen. Doch bereits eine frühere Anfrage des Versicherungsboten beim Bundesarbeitsministerium ergab, dass hierzu keine genauen Daten existieren (der Versicherungsbote berichtete).

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Fehlende Zahlen zu durchschnittlichen Kosten eines Riester-Vertrages

Und was kostet ein Riester-Vertrag im Schnitt jährlich an Abschluss-, Vertriebs- und Verwaltungskosten? Auch dies wollte die FDP laut Kleiner Anfrage wissen. Die Antwort: "Die erfragten Kosten liegen der Bundesregierung nicht vor." Erneut ein Punkt, bei dem die Ahnungslosigkeit der Bundesregierung verwundert: Immer wieder gibt es durch Verbraucherschützer Kritik, dass die Vertriebs- und Verwaltungskosten bei Riester-Policen zu hoch seien. Schon deshalb wäre wünschenswert, dass hier genauer hingeschaut werde.

Aktuell berät eine Rentenkommission im Auftrag der Bundesregierung über eine mögliche Reform der Rente, die private Vorsorge inbegriffen. Doch so recht voran kommt die Bundesregierung nicht. Sowohl bei der Debatte über ein mögliches Standardprodukt mit reduzierten Abschlusskosten und einfacher Vertragsgestaltung befinde man sich noch in Gesprächen mit Versicherern und anderen Interessengruppen, berichtet die Bundesregierung auf FDP-Anfrage. Ob die Bundesregierung die Riester-Rente auch für andere Berufsgruppen öffnen wolle, etwa Selbstständige, und ob die Produktgeber künftig renditeorientierter anlegen dürfen: "Die Bundesregierung hat ihre Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen", heißt es laut Drucksache.

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