"Dragi", "Eberhard", „Franz“, "Gebhard" – zumindest die Namen der Stürme, die zuletzt in Deutschland wüteten, laden zum Schmunzeln ein. Weniger zum Schmunzeln freilich sind die Auswirkungen derartig extremer und zunehmender Wetterphänomene. Auch eine Frau aus dem Saarland musste diese Erfahrung machen, die nach einem Sturm erst Schäden an ihrer Dachgaube und damit an Dach und Giebel beklagte. Kurze Zeit später erlitt sie durch Starkregen auch in ihrer Wohnung einen beträchtlichen Schaden. Zudem hatte der Sturm Schäden in ihrem Anwesen angerichtet, so dass ein Zaun aufwendig erneuert werden musste.

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Aber waren die Schäden auch derart, dass Ansprüche der Frau auf Erstattung der verursachten Kosten aufgrund ihrer Wohngebäudeversicherung und ihrer Hausratversicherung entstanden? Hierzu fällte das Landgericht Saarbrücken ein Urteil (Az.: 14 O 63/16), das über den individuellen Einzelfall hinaus bedeutsam ist.

Erst Dach kaputt, dann eindringender Starkregen

Anlass des Rechtsstreits sind Ansprüche, die aus Sicht der Saarländerin gegenüber ihrem Versicherer bestanden. Hatte die Frau doch eine Wohngebäudeversicherung sowie eine Hausratversicherung bei dem Versicherungsunternehmen abgeschlossen. Der Sturm mit Windstärke 8 hatte am 31.03.2015 Schindeln von der Dachgaube abgerissen – Reparaturkosten von 2.463,36 Euro fielen letztendlich für die Instandsetzung des Daches an. Hinzu kamen Kosten für eine Notabdichtung der Gaube in Höhe von 518,25 Euro.

Diese Kosten sowie anfallende Zinsen wollte die Frau über ihre Wohngebäudeversicherung geltend machen. Hinzu kamen Forderungen aufgrund des Schadens am Zaun: Weil der Sturm ebenfalls den Zaun des Anwesens stark beschädigte, hatte die Frau ihn in einmonatiger Arbeit mühsam repariert. Diese Tatsache wurde durch den Versicherer sogar finanziell bedacht: 330,00 Euro zahlte die Versicherung für die Reparaturleistung, jedoch „aus Kulanz“ und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Nicht gezahlt wurden hingegen 66,25 Euro Materialkosten, die bei Instandsetzung des Zauns anfielen. Auch diesen Betrag wollte die Frau nun vor dem Landesgericht aufgrund ihrer Wohngebäudeversicherung einklagen.

Doch nicht nur aus der Wohngebäudeversicherung versprach sich die Frau Zahlungen. Hatte sie doch zugleich eine Hausratversicherung bei ihrem Versicherer abgeschlossen. Da am 27.04.2015 ein Starkregen das Unglück der Frau vergrößerte und eindringendes Wasser ein Notebook, eine Stehlampe und eine Couch beschädigt hatte, klagte die Frau auch auf Ersetzung dieses Schadens. 25,00 Euro aus einem Kostenvoranschlag für die Reparatur des Notebooks, 1.400,00 Euro für die Wiederbeschaffung des Notebooks und 500,00 Euro für die Wiederbeschaffung der Couch, außerdem 59,00 Euro für die Wiederbeschaffung der Stehlampe wollte die Frau aufgrund vermuteter Ansprüche für den Hausrat geltend machen. Zwar fiel dieser Schaden nicht unmittelbar mit dem Sturm zusammen. Die Frau berief sich bei ihren Forderungen aber auf einen "Folgeschaden" im Sinne der Versicherungsbedingungen für die Hausratversicherung (VHB).

Erst dieser Schaden führte allerdings auch zu einer vernünftigen Maßnahme – Kosten für eine vorläufige Notabdeckung des Daches fielen überhaupt nur deswegen an, weil der Starkregen offenkundig machte, dass bei undichtem Dach weiterer Schaden droht. Direkt nach dem Sturm einen Monat zuvor hingegen wurde noch keine Notabdeckung des Daches vorgenommen.

Versicherungsunternehmen wollte nicht zahlen

Die beklagte Versicherung der Frau jedoch verweigerte die Zahlungen mit der Begründung, dass die vorliegenden Schäden nicht mit einem versicherten Sturmschaden in Einklang gebracht werden könnten. Hierbei berief sich die Versicherung auf ein Gutachten, das ein Sachverständiger für ein selbstständiges Beweisverfahren vor dem Amtsgericht Lebach angefertigt hatte: Die vorgefundenen Beschädigungen könnten laut diesem Gutachten auf eine überschrittene Nutzungsdauer der Bitumenschindeln zurückzuführen sein.

Auch die Materialkosten für den Zaun wollte die Versicherung nicht zahlen, konnte sich jedoch bei diesem Schaden nicht auf ein professionelles Gutachten berufen. Stattdessen versuchte es das beklagte Versicherungsunternehmen mit einer Formulierung, die wohl zur Umkehr der Beweislast führen sollte: Die Ursächlichkeit des Schadens am Zaun durch den Sturm wurde „mit Nichtwissen“ bestritten, wie es in dem Urteil heißt. Gäbe es doch keine Gewissheit, dass tatsächlich der Sturm die Schäden am Zaun verursacht hätte.

Muss der Versicherungsnehmer bei Schadeneintritt mit Uhr daneben stehen?

Mit einer weiteren trickhaften Argumentation versuchte es das Versicherungsunternehmen außerdem: Die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB) definieren einen Sturm als „wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8“. Zwar wurde vom Versicherer anerkannt, dass an dem besagten 31.03.2015, als der Schaden eintrat, eine solche Windstärke erreicht wurde. Aber könne man denn mit Sicherheit sagen, zu welchem Zeitpunkt der Zaun beschädigt wurde? Hätten Schäden nicht auch bei geringerer Windstärke, zum Beispiel bei Beginn des Sturms, eintreten können – ohne jedoch aufgrund einer geringeren Windstärke über den Versicherungsschutz gedeckt zu sein?

Mit diesem Argument versuchte die Versicherung ebenfalls, den Materialschaden am Zaun aus der eigenen Zahlungspflicht zu nehmen – und hätte bei Erfolg einer solchen Argumentation wohl bewirkt, dass bei Sturm in Zukunft die Versicherungsnehmer mit Uhr auf mögliche Schäden warten, um zugleich die Windstärke bei Eintritt eines möglichen Schadens angeben zu können.

Das Landgericht Saarbrücken sprach nun ein Urteil, bei dem diese Sachverhalte losgelöst voneinander betrachtet werden mussten. Zunächst: Beim Schaden am Zaun neigte sich die Waage Justizias zugunsten der Frau. Zum einen ließ das Gericht nicht durchgehen, mit welchen Argumenten das Versicherungsunternehmen den Sturm als Ursache des Sachschadens am Zaun anzweifeln wollte. Führte das Gericht doch aus: Es bedürfe keiner absoluten Gewissheit im Sinne eines wissenschaftlichen Nachweises für die gerichtsfeste Annahme einer Tatsache. Stattdessen reiche ein „für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit“, der „Zweifeln Schweigen gebietet“. Bei Sturmschäden am Zaun ist dieser Grad von Gewissheit erreicht und könne eben nicht einfach durch Nichtwissen bestritten werden – der Sturm ist ursächlich für den Schaden und demnach ist auch das Material des Zauns durch die Gebäudeversicherung gedeckt.

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Ein weiterer Richtungszeig des Gerichts ist noch wesentlicher für die Gebäudeversicherung: Für einen Sturmschaden muss lediglich zu irgendeinem Zeitpunkt während des Wetterereignisses Windstärke 8 auf der Beaufort-Skala erreicht werden, weswegen Versicherungsschutz auch für Schäden besteht, die in der An- oder Ablaufphase eines Sturms und damit durch geringere Windstärken verursacht werden. Somit kann sich der Versicherer nicht mit dem Argument aus der Zahlungspflicht mogeln, ein Schaden hätte schon vor Erreichen der notwendigen Windstärke eintreten können.

Trotz Teilerfolg: klagende Frau trägt Prozesskosten

Ganzer Erfolg also für die Frau? Im Gegenteil: Der Erfolg der Frau war so gering, dass Ihr sogar die Prozesskosten auferlegt wurden. Denn der erstrittene Wert betraf nur den Materialwert des Zauns in Höhe von 66,25 Euro. Klageforderungen der Frau sollten jedoch in Höhe von 5.031,86 Euro geltend gemacht werden. Anders ausgedrückt: Die Frau erreichte demnach einen Erfolg von nur 1,32 Prozent ihrer Forderungen. Bei den Ansprüchen sowohl für das Dach als auch für Schäden, die durch den Starkregen entstanden und über die Hausratversicherung geltend gemacht werden sollten, neigte sich Justizias Waage zugunsten des Versicherungsunternehmens.

Sturmschaden nur ohne Vorbeschädigung

Das Gutachten des Sachverständigen nämlich legte für das Gericht glaubhaft dar: Die Nutzungsdauer der Bitumenschindeln war überschritten. Demnach konnte zwar in der Tat der Sturm die Schindeln abgerissen haben. Jedoch haben geltend gemachte Schäden bereits vor dem Sturm vorgelegen durch den abgenutzten Zustand der Dachgaube sowie des Dachs.

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Der Sturm war damit nicht „ursächlich im Sinne der zeitlich letzten Ursache des Sachschadens“, wie es in der Begründung des Gerichts heißt. Eine unmittelbare Einwirkung des Sturms aber muss eine solche Ursächlichkeit erfüllen, damit ein „Sturmschaden“ geltend gemacht werden kann.

Wäre es anders, wäre die Versicherung bei jedem schlecht gewarteten und schlecht instand gehaltenen Gebäude in der Zahlungspflicht, sobald ein versichertes Wetterereignis in Verbindung mit dem schlechten Zustand einem Gebäude zum Verhängnis wird. Dies jedoch ist nicht der Fall: Ursächlich für den Anspruch auf Versicherungsleistungen muss der Sturm sein, nicht ein schlechter Allgemeinzustand des Gebäudes in Verbindung mit dem Sturm.

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Am Rande erwähnt sei: Dass direkt nach dem Sturm keine Notabdichtung der Dachgaube vorgenommen wurde, sondern erst nach dem späteren Starkregen, wollte das Versicherungsunternehmen als grob fahrlässiges Handeln der Frau bewertet sehen. Fehlende Ansprüche der Frau aus der Hausratversicherung für Lampe, Couch und Notebook haben aber einen anderen Grund. Denn zwar ist der gesamte Hausrat gegen Sturmschäden und auch gegen einen Folgeschaden – gemäß den Versicherungsbedingungen durch die Hausratversicherung – abgesichert. Jedoch ist für das Urteil und für die gerichtliche Niederlage der Frau relevant: Da schon kein Sturmschaden eintrat, sondern der Schaden auf abgenutzte Schindeln zurückging, liegt auch kein Folgeschaden eines Sturmschadens für den Hausrat vor. Aus diesem Grund ist die Hausratversicherung und ist der beklagte Versicherer auch nicht in der Zahlungspflicht, wenn ein abgenutzter Zustand des Gebäudes spätere Schäden (z. B. durch eindringenden Regen) am Hausrat verursacht.

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