Architekt: Haftpflicht-Umdeckung nach Bauprojekt

Weitreichend sind die Pflichten des Maklers als „Sachwalter des Kunden“. Denn keineswegs betrifft das „Pflichtprogramm“, für das ein Makler haftet, nur die vermittelten Verträge. Vielmehr muss ein Makler auch die Vorgeschichte des Versicherungsschutzes seines Kunden im Blick behalten. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf mit Datum vom 13.7.2018 (Az. 4 U 47/17).

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Das Oberlandesgericht fällte sein Urteil als Berufungsgericht. Keineswegs aber waren die Rheinstädter das einzige Gericht, das in zweiter Instanz zu jener Sache urteilen musste. Denn voraus ging dem Verfahren ein Geschehen, das aufgrund der Prozessfreude der Beteiligten wie erdacht wirkt für die Werbeabteilungen der Rechtsschutzversicherer:

Ein Architekt wurde damit beauftragt, einen Dachausbau zu planen und zu überwachen. Das geschah: 2004 wurde der Plan des Architekten unter dessen Aufsicht umgesetzt. Das Projekt aber zeigte im Nachhinein seine Tücken: Feuchtigkeit drang ins Haus, weswegen der ausführende Handwerksbetrieb mehrfach nachbessern musste. Das ging so lange gut, bis dieser Handwerksbetrieb insolvent ging.

Nun sollte, in 2012, der Architekt für die mangelhafte Umsetzung des Dachausbaus haften. Zu dieser Zeit war er über eine Unitallrisk-Police der „Zurich Ins­urance plc“ versichert, die ihm eine Maklerin just in jenem Jahr des Dachausbaus, in 2004, vermittelt hatte. Jedoch: Erst 2005 wurde die Berufshaftpflicht des Architekten von seiner alten Police bei der VHV auf diese neue Police umgedeckt. Bis 2005 sicherte demnach die VHV gewerbliche Risiken des Mannes ab. Betreut wurde der Abschluss der älteren Police von einem anderen Vermittler.

Eine Klage zog zwei Klagen nach sich: Maklerin schrieb falsche Versicherung an

Aufgrund dieser Konstellation kam es nun zu einiger Verwirrung, und – in der Folge – zu mehreren Prozessen. Anspruch auf Schadenersatz machte der geschädigte Bauherr mit einem Schreiben vom 01.02.2012 gegenüber dem Architekten geltend. Der Architekt wandte sich nun an die Maklerin, welche ihm die neue Unitallrisk-Police vermittelt hatte. Die Maklerin veranlasste das Ausfüllen eines Schadenanzeigeformulars und schickte eine Neuschadenmeldung an die „Zurich Ins­urance plc“.

Da die Police des Architekten jedoch erst ab 2005 griff, der Dachausbau aber schon vorher vorgenommen wurde, mahnte der Versicherer an, die Schadenmeldung an den alten Versicherer (die VHV) weiterzuleiten. Das tat die Maklerin auch kurz darauf – jedoch aufgrund des „Umwegs“ über die falsche Versicherung erst am 14.03.2012 und demzufolge mit über einen Monat Verspätung.

Der Bauherr verklagte den Architekten

Auch bat die Maklerin mit diesem Schreiben, ihr die Schadennummer und den Sachbearbeiter mitzuteilen. Der künftige Schriftwechsel sollte zudem in Kopie an die Maklerin übersendet werden. Die VHV jedoch lehnte jede Deckung ab mit der Begründung, dass aufgrund eines Fristablaufs von fünf Jahren seit Vertragsende kein Versicherungsschutz mehr bestehe.

Diese Ablehnung wurde auch aufrechterhalten, als sich abzeichnete, dass der Architekt der Schaden-Forderung gegenüber dem Kunden nicht nachkam und durch den einstigen Bauherren in 2013 Klage gegen den Architekten erhoben wurde. Über diese Klage wurde die VHV informiert, die weiterhin jede Deckung ablehnte. Letztendlich endete der Prozess mit einem Vergleich, der zur Bedingung hatte: Der Architekt zahlt 6.000 Euro an den geschädigten Bauherrn.

Der Architekt verklagte die VHV

Nun verklagte zunächst der Architekt die VHV vor dem Landgericht Essen. Jedoch: Die Klage wurde abgewiesen (Az. 18 O 182/13). Knackpunkt des Urteils war jedoch nicht die abgelaufene Frist von fünf Jahren, die der ehemalige Versicherer des Architekten geltend machen wollte. Vielmehr urteilte das Gericht: Der Schaden hätte unverzüglich der VHV gemeldet werden müssen, und zwar nach Eingang des Schreibens, das die Forderung durch den geschädigten Bauherren enthielt.

So hätte sich der Kläger direkt an die VHV wenden müssen, statt den Umweg über die Maklerin und die nicht zuständige Versicherung zu gehen. Der Architekt akzeptierte ein solches Urteil nicht, ging in Berufung – und erwirkte vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm einen Vergleich, der ihm einen Betrag von 3.200 Euro durch die VHV einbrachte unter der Bedingung, dass er 55 Prozent der Gerichtskosten übernimmt.

Letztendlich: Klage gegen die Maklerin

Nachdem der Bauherr den Architekten sowie der Architekt den alten Versicherer verklagt hatte, verklagte der Architekt nun vor dem Landgericht (LG) Duisburg – seine Maklerin, die ihm die neue Police bei der „Zurich Ins­urance plc“ vermittelt hatte. Denn die Maklerin hätte aus seiner Sicht wissen müssen, dass der Schaden unverzüglich der VHV zu melden war. Trotz Ablaufs der 5-Jahresfrist hätte der Mann dann schließlich noch Versicherungsschutz erhalten können, obwohl auch der Vertrag schon abgelaufen war. Dass der Versicherungsvertrag mit der VHV dabei jedoch gar nicht durch diese Maklerin vermittelt wurde, war aus Sicht der klagenden Partei „unerheblich“. Hätte die Maklerin doch für Formalitäten der Schadenabwicklung „überlegenes Wissen“ gehabt und hätte dieses weitergeben müssen.

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Landgericht Duisburg wies Klage noch vollumfänglich ab

Die Klage war, zunächst, erfolglos: Die 6. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Duisburg wies die Klage vollumfänglich ab. Denn müsste eine Maklerin auch für nicht vermittelte Verträge haften, würde ihre Haftung "unvertretbar ausgeweitet", wie es in den Urteilsgründen heißt. Vor dem Oberlandesgericht jedoch erzielte der Architekt nun, durch Berufung, einen Erfolg: Das Urteil wurde teilweise abgeändert, die Maklerin dazu verurteilt, an den Architekten 7781,44 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Wie begründet sich ein solcher Richter-Spruch gegen die Maklerin, der dann doch die Haftung wesentlich auf eine Zeit vor Vermittlung der Verträge ausweitet?

Warum die Maklerin laut OLG zahlen muss

Grundlage des Urteilsspruchs sind der Versicherungsvertrag beziehungsweise die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB). Denn laut Oberlandesgericht wird das Verhältnis zwischen Maklerin und Versicherungsnehmer schon dadurch definiert, dass die Maklerin auf Grundlage eines Versicherungsvertrages tätig wird – ein Maklervertrag, der konkrete Pflichten definiert, ist hingegen nicht vonnöten (und liegt für den verhandelten Fall auch nicht vor).

Vermittlung und Schadenabwicklung: Getrennte Pflichten des Maklers

Im Sinne des Vertragsverhältnisses ist die beklagte Maklerin berechtigt, Anzeigen, Willenserklärungen und Zahlungen des Versicherungsnehmers entgegenzunehmen. Zugleich aber ergeben sich Pflichten jener Art, dass Eingegangenes bei der Maklerin als bei der Versicherung eingegangen gilt. Zu solchen Pflichten jedoch gehört nicht nur die Auswahl und Vermittlung eines passenden Versicherungsschutzes oder die Weiterleitung der Anliegen und Papiere, sondern auch die Betreuung im Rahmen der Schadenabwicklung. Laut Gericht sind diese Pflichten getrennt zu betrachten, weswegen es dahin steht, ob die Maklerin den Vertrag mit der VHV vermittelte.

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So wäre die Maklerin im Rahmen der Schadenabwicklung Ansprechpartnerin, hätte demzufolge nach der telefonischen Schadenmeldung am 03.02.2012, spätestens jedoch nach Übersendung der schriftlichen Schadenanzeige vom 20.02.2012 entweder selber unverzüglich den Schaden gegenüber der VHV melden müssen, oder sie hätte dem Architekten zumindest sofort mitteilen müssen, dass er den Schaden gegenüber seiner alten Versicherung anzeigen muss.

Denn der Makler sei nicht nur „eine Art Poststelle“, wie das Gericht pointiert. Stattdessen muss er Formulare und Willenserklärungen auch darauf prüfen, ob sie den von ihm „zu schützenden Interessen des Versicherungsnehmers auch tatsächlich gerecht werden“. Hierzu gehört auch die Prüfung, ob eingegangene Unterlagen an den richtigen Versicherer gelangen.

Hinweise sind Pflicht, soweit dem Kunden Schäden drohen

Laut mehreren Urteilssprüchen wirkt doch der Makler „für den Bereich der Versicherungsverhältnisse“ als treuhänderähnlicher Sachwalter des Kunden. Und für diesen Punkt folgte das Gericht auch der Argumentation des Klägers: Die Beklagte sei als Versicherungsmaklerin „mit der Abwicklung von Schadenfällen gegenüber Versicherungen“ vertraut und sei demnach auch „besonders sachkundig im Hinblick auf den Inhalt von Versicherungsbedingungen“. Dem Versicherungsnehmer hingegen seien diese Bedingungen nicht in gleicher Weise geläufig. Da der Makler im Interesse des Kunden tätig wird (und tätig werden muss), dürfe der Kunde demnach auch einen Hinweis erwarten, soweit ihm Schäden drohen.

Pflichten betreffen nur das konkrete Absicherungsanliegen

Dass die Pflichten des Maklers aber auch ihre Grenzen haben, stellt das Oberlandesgericht ebenfalls heraus. Denn das Urteil begründet sich dadurch, dass die Schadenabwicklung gegenüber der älteren Versicherung (und damit der VHV) das Absicherungsanliegen der neu vermittelten Versicherung (und damit das Absicherungsanliegen der Allrisk-Police) betrifft. Und daraus ergeben sich jene Betreuungs- und auch Haftungspflichten, die nun zur Zahlung von Schadenersatz an den Kunden führen.

Keineswegs aber muss ein Versicherungsmakler einen Kunden im Rahmen der ersten Kontaktaufnahme ungefragt einer umfassenden Analyse seiner gesamten Versicherungssituation unterziehen, wie das Oberlandesgericht zusätzlich ausführt. Zwar könnten demnach einem Makler in "augenfälligen Sachverhalten" zusätzliche Erkundigungs- sowie Aufklärungspflichten treffen – treten abzusichernde Risiken des Kunden offenkundig zutage, kann auch die Pflicht zur Aufklärung erwachsen, ohne dass der Kunde für diese Bereiche konkreten Rat und Versicherungsschutz sucht. Ansonsten aber sei das „vom Makler geschuldete Pflichtprogramm“ an das konkret vom Kunden benannte Absicherungsanliegen und die damit einhergehenden speziellen Risiken geknüpft.

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Allrisk-Policen: Anspruchsvoll oder voller Tücken?

Ein solcher Urteilsgrund übrigens veranschaulicht mögliche Tücken von Allrisk-Policen für Makler: Je umfangreicher die Absicherungsanliegen einer Police, desto schwieriger könnte es werden, auch die Vergangenheit des Kunden mit Blick auf das Schadenmanagement zu überschauen. Haftungsrisiken sind bei komplexen Produkten demnach größer, sobald diese vieles absichern sollen. Das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist online verfügbar.

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