Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) ist gegen jede Art von Provisionsdeckel in der Lebensversicherung. Deswegen möchte der Verband sich bei Einführung des Deckels auch grundsätzlich einer Klage anschließen, ebenso wie der Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW). Hierin findet sich schon eine wesentlich Positionen beider Verbände: Ein solcher Deckel verstoße gegen Artikel 3 des Grundgesetzes und bedeute einen unverhältnismäßigen Eingriff in die freie Berufsausübung, der zu deutlichen Einnahmeverlusten der Vermittler führt (der Versicherungsbote berichtete).

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Bundesregierung planlos? Denn sie wissen nicht, was sie tun

In einer aktuellen Pressemitteilung erhebt der BVK jedoch einen spezifischen Vorwurf: Der Gesetzgeber weiß nicht, was er mit seinem Gesetzentwurf bewirken würde. Der Vorwurf begründet sich zum einen aus Details des Gesetzentwurfes, die der BVK durch eine umfangreiche Stellungnahme attackierte. Zum anderen jedoch weckt eine Antwort der Bundesregierung vom 10. Mai (Drucksache 19/10059) auf eine kleine Anfrage der FDP zusätzlichen Verdacht des Verbandes.

So wurde auf die Frage, um „wie viel höher“ die Renditen für Lebensversicherungen nach Einführung eines Provisionsdeckels nach Schätzung der Bundesregierung ausfallen würden, geantwortet: „Die Auswirkung des vorgesehenen Provisionsdeckels auf die Rendite ist von einer Vielzahl von Parametern abhängig, die sich nicht allesamt abschließend bestimmen lassen. Eine generelle Aussage wie sich die im Referentenentwurf vorgesehene Deckelung auf die Rendite auswirkt, lässt sich daher nicht treffen.“

Solche Versuche, sich aus der Misere zu stehlen, deuten für BVK-Präsident Michael H. Heinz schlicht auf eine Planlosigkeit hinter dem gesetzlichen Vorhaben. Ein Vorgehen ohne Plan jedoch sei „mit Blick auf die Vermittlerbranche, die die Absicherung der Bevölkerung besorgt und von ihrer Beratungs- und Vermittlungsleistung leben können muss“, schlicht „unverantwortlich“.

BDVM – trotz Kompromissbereitschaft unangenehme Überraschung

Doch nicht nur der BVK hegt mittlerweile den Verdacht, der Gesetzgeber weiß nicht so recht, was er da tut. Das wird an einer Pointe deutlich: Anders nämlich als der BKV und der AfW machte in der zurückliegenden Zeit der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) mit einer unbequemen Positionierung für die Branche auf sich aufmerksam. So äußerte Hans-Georg Jenssen, geschäftsführender Vorstand des Maklerverbandes, in einem Interview mit dem Versicherungsboten: Unter der Voraussetzung, dass die Maklerschaft eine faire Chance hat, wäre man zu Kompromissen bereit. Der Provisionsdeckel müsste nur vernünftig gewählt sein.

Eine erste Version der Deckelung, die durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vorgestellt wurde, war aus Sicht des Maklerverbandes sogar ein solcher Entwurf – man hätte sich durchaus damit arrangieren können. Umso entsetzter aber reagiert der Verband nun auf den konkreten Gesetzentwurf, der seit Gründonnerstag als Grundlage für Stellungnahmen amtlich ist.

Jenssen: Gesetzentwurf straft insbesondere den Sachwalter des Kunden ab

So schreibt Jenssen in einer aktuellen Stellungnahme: Mit dem Ansatz des aktuellen Gesetzentwurfs würde insbesondere der Sachwalter des Kunden, der Versicherungsmakler, vom Grundsatz her benachteiligt und „als Garant für die Förderung des Wettbewerbs und des Verbraucherschutzes" mehr oder weniger „abgestraft“. Damit konterkariere der Deckel gerade jene Ziele, die der Gesetzgeber erreichen wollte. Ein durchaus begründeter Verdacht mit Blick auf auf die Argumente:

Jungen Maklern droht Mindestlohnniveau

Der neue Gesetzentwurf könnte der Maklerschaft mehrfach schaden. Zum einen: Er schafft eine Markteintrittsbarriere für junge Vermittler. So hatte der BDVM schon zuvor für eine Stellungnahme errechnet: Ein junger Makler mit Schwerpunkt im Lebensversicherungsbereich bewegt sich bei einem Deckel von 2,5 Prozent jahrelang – wenn überhaupt – auf Mindestlohnniveau. Deswegen schlug der BDVM auch ein gemäßigtes Stufenmodell vor: Bis 30.000 Euro Beitragsvolumen sollte die Abschlussvergütung 3,5 Prozent betragen dürfen, zwischen 30.000 Euro und 60.000 Euro sollte sie 2,75 Prozent betragen dürfen und ab 60.000 Euro zwei Prozent. Betraf das Problem der Marktbarriere aber schon den alten, von Jenssen als BaFin-Modell des „atmenden Deckels“ bezeichneten Vorschlag, schafft der neue Gesetzentwurf zusätzliche Probleme für die Maklerschaft.

Versicherer als „Hilfspolizisten“ schwächen die Makler-Rolle

Laut aktuellem Gesetzentwurf sollen Versicherungsunternehmen „ein System“ einrichten, „das die Beurteilung der Vermittlung nach qualitativen Kriterien zulässt“. Das ist insofern angedacht, weil höhere Provisionen bis zu 40 Promille (statt 25 Promille) nur dann gezahlt werden dürfen, wenn die Vermittler bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. So sieht es ein neu an Paragraph 50 anzufügender Paragraph 50a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) vor.

Über den Weg höherer Vergütung besteht aber die Gefahr: Die Makler-Rolle wird geschwächt und Makler stärker in die Abhängigkeit des Versicherers getrieben. Und das unter Verkennung des rechtlichen Status. Dabei hätte der alte Vorschlag der BaFin noch eine Differenzierung zwischen Versicherungsvertretern und Versicherungsmaklern erlaubt, wie die Ausführungen des BDVM nahelegen. Der neue Entwurf jedoch wirft diesen Unterschied komplett über den Haufen.

Denn mit dem geforderten Überprüfungssystem über eine höhere Vergütung werden den Versicherungsunternehmen indirekt auch Kontrollrechte und Pflichten zugesprochen. Aus Sicht des BDVM ergibt sich bei dieser Konstruktion die grundsätzliche Frage, ob der Versicherer „zur Kontrolle des Sachwalters des Kunden befugt sein soll und ihm in letzter Konsequenz Vorgaben machen darf“, obwohl der Makler doch im Vertragsverhältnis mit dem Versicherungsnehmer steht. Die Gefahr eines Überwachungssystems droht – bei dem übrigens nicht gesichert ist, dass ein Unternehmen im Interesse der Kunden statt im Eigeninteresse entscheidet.

Keineswegs aber entstehen den Versicherern dadurch nur Vorteile. Denn „in die Rolle eines Hilfspolizisten bei der Überwachung von Versicherungsvermittlern geradezu hineingedrängt“ (so eine Formulierung des BDVM) drohen auch den Gesellschaften zusätzliche Kosten und droht ein hoher bürokratischer Zusatzaufwand.

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Auf ein besonderes Problem hierbei weist der BDVM in seiner Stellungnahme ebenfalls hin: Will ein Makler höhere Provisionszahlungen erlangen, müssen unter bestimmten Umständen auch Daten an den Versicherer geliefert werden, die bisher nur das Vertrags- und Vertrauensverhältnis zwischen Makler und Kunden betrafen. Der Verband schlussfolgert: „Auf die massive Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Versicherungsmaklern und seinem Kunden und dem Thema Datenschutz bei Weitergabe solcher Informationen sei ausdrücklich hingewiesen“.

Entstehen Maklern Mehrkosten durch unterschiedliche Qualitätssicherung?

Doch die angedachte Qualitätssicherung durch die Versicherer bereitet den Maklern weitere Probleme. Denn gerade die Notwendigkeit, derartige Daten zu übermitteln, könnte auch zu einem zusätzlichen Aufwand und zudem zu einem Kostennachteil für die Maklerschaft führen. Die Übermittlung notwendiger Informationen und Daten für die Gewährung höherer Provisionen wird nämlich dann zum Problem, sobald verschiedene Versicherer ganz verschiedene Qualitätssicherung-Systeme entwickeln. Ein Wettbewerbsnachteil ist demnach für jene Vermittler zu befürchten, die Produkte mehrerer Anbieter vermitteln.

Qualitative Kriterien: Der Fallstrick vager Formulierungen:

Der geplante Paragraph 50a leidet jedoch nicht nur daran, Versicherer in die Rolle von Hilfspolizisten zu drängen. Sondern auch die qualitativen Kriterien in Absatz 2 sind erschreckend vage und ungenau. Ein Beispiel: Höhere Provisionszahlungen sollen von der Zahl der Verbraucherbeschwerden und der Zahl der Beanstandungen abhängig sein. Was bedeuten aber diese Vorgaben? Wird nur die „Zahl“ der Beschwerden erfasst? Oder wird auch geprüft, ob die Beschwerden berechtigt sind? Die Stellungnahme des BDVM zu Abs. 2 Nr. 1 des geplanten Paragraphen pointiert treffsicher: Ob die Beschwerde überhaupt begründet gewesen ist oder nicht, „scheint nach der Formulierung nicht von Interesse zu sein.“

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Ebenso sorgt die Forderung des Gesetzentwurfs für Ärger, höhere Zahlungen von der Stornoquote abhängig zu machen: also die Zahl der vermittelten Lebensversicherungen ins Verhältnis zu setzen zu den stornierten Verträgen. Zu Recht weist der Verband darauf hin, dass Verträge von Stornierungen bedroht sein können, ohne dass ein Vermittler etwas dafür kann – das BDVM-Papier nennt Arbeitslosigkeit, Krankheit, Ehescheidungen als Beispiel. Solche Probleme aber lässt der Gesetzentwurf vollkommen unberücksichtigt. Zumal auch für die Prüfung solcher Fälle wieder Daten an die Versicherer fließen könnten, die eigentlich das Vertrauensverhältnis zwischen dem Makler und dem Versicherungsnehmer betreffen (zum Beispiel, wenn ein Vertrag ohne Verschulden des Maklers bei Scheidung etc. aufgelöst wird).

Drohen verteuerte Honorare?

Ein zusätzliches Ärgernis für den BDVM ist, dass zukünftig nicht nur die Abschluss-, sondern auch die Bestandsprovisionen unter den Deckel fallen sollen. Der Hintergrund: Paragraph 7 Nummer 34c Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sieht eine sehr weite Definition der Abschlussprovision vor, die auch sämtliche Vertriebsvergütung umfasst, die an den Fortbestand eines Vertrages oder mehrerer Verträge anknüpft. Auch diese Änderung war im ursprünglichen Vorschlag der BaFin nicht angedacht. Der Makler hat folglich auch keine Chancen, Einbußen bei der Abschlussvergütung dadurch auszugleichen, dass er viele treue Bestandskunden hat. Und dabei ist gar nicht sicher, ob die Einführung des Deckels in der jetzigen Form wirklich die Beratungsleistung im Sinne des Kunden stärken kann – zum Beispiel eine gewünschte Stärkung der Honorarberatung im Sinne des Kunden. Das wird am Beispiel Großbritannien ersichtlich:

Großbritannien: Provisionsverbot verteuert Honorare

Seit Einführung eines Provisionsverbots in Großbritannien sind Honorare teurer geworden gegenüber früher und teurer auch als die typischen deutschen Provisionen und Courtagen, wie Matthias Beenken, Professor am Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Dortmund, in einem Interview mit dem Versicherungsboten ausführte. Zwar unterscheidet sich das britische Honorarsystem vom deutschen, wie der Experte einwendet – es handelt sich um eine Art Gebühren, die in Deutschland auch als „Courtage“ bezeichnet werden würden. Und doch gibt es auch mit Blick auf die deutsche Honorarberatung einiges zu bedenken.

So wird in allen Stellungnahmen der Verbände darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber mit dem Le­bens­ver­si­che­rungs­re­form­ge­setz (LVRG) von 2014 zwar eine Stornohaftzeit von fünf Jahren für die Provision bei Lebensversicherungsverträgen festlegte (und damit schon eine Regelung schuf, die für eine schnelle Abschlussvergütung die Vermittler in Haftung nimmt). Für Honorare jedoch gibt es keine vergleichbare Stornohaftung. Zumal sich insbesondere Kunden mit geringem Einkommen oft gar keine Honorare leisten können. Und das wird insbesondere dann zum Problem, wenn Verträge von Stornierungen bedroht sein können – zum Beispiel bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Ehescheidungen. Gerade in solchen Fällen könnten durch teure Honorare Beratungen wegfallen.

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Gesetzentwurf wirkt nicht gut gemacht

Hier lohnt es sich, auf den Vorwurf des anderen Verbands eines „planlosen“ Handelns zurückzukommen: Der Entwurf erweckt tatsächlich den Eindruck eines „gut gemeint und schlecht gemacht“. Denn da viele Besonderheiten des Vermittler-Marktes (unterschiedlicher Status des Maklers und der Ausschließlichkeit) durch das Gesetz nicht bedacht werden, Versicherer in die Rolle von Hilfspolizisten gedrängt werden und da auch vage und unüberlegte Formulierungen des Gesetzentwurfs negativ auffallen, könnte das Gesetz letztendlich tatsächlich jenen „Sachwaltern der Kunden“ am meisten schaden, die bei größtmöglicher Unabhängigkeit von den Versicherern eine unabhängige Beratung der Kunden anstreben sowie einen stabilen Bestand.

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