Bereits seit 2001 gibt es dem Ombudsmann für Versicherungen – eine Verbraucherschlichtungsstelle der Versicherungswirtschaft, die mittlerweile auch im Sinne des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG) gesetzlich anerkannt ist. Seit dem 1. April 2008 wirkte Günter Hirsch, der frühere Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH), als Schlichter für alle Sparten jenseits der privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Mit großem Engagement: Kontinuierlich bewarb Hirsch den Weg der gütlichen Einigung über ein Schlichtungsverfahren, setzte sich auch gegenüber den Versicherern für Bürgernähe und Transparenz ein, kritisierte konkrete Missstände wie eine rechtliche Schlechterstellung des Kreditnehmers bei der Restschuldversicherung und wirkte dadurch sogar auf Gesetzgebungsverfahren ein (der Versicherungsbote berichtete).

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Das ist der neue Ombudsmann: Wilhelm Schluckebier.Versicherungsombudsmann e.V.Teils scheute Hirsch sogar unkonventionelle Wege nicht: So half er während der Pleite der KFZ-Versicherer Ineas und und LadyCarOnline in 2010, indem er Informationen zu einem Sonderkündigungsrecht an Verbraucherschützer weitergab, wie das Magazin Capital in 2011 berichtete – obwohl Hirsch gar nicht hätte juristisch beratend tätig werden dürfen. Aber die Betroffenen brauchten schnelle Hilfe, und Hirsch wollte helfen. Trotz eines solchen Engagements jedoch „zu mehr Transparenz, mehr Verständlichkeit, zu mehr Kundenfreundlichkeit in der komplexen Welt der Versicherungen“ sah sich Hirsch in seinem Amt nicht als Verbraucherschützer, sondern als Mittler zwischen Versicherungsnehmern und Versicherern: Vor seinem Schiedsspruch stand stets der Versuch, eine Einigung zwischen den streitenden Parteien zu erreichen. Nun gibt Günter Hirsch, der laut eigener Aussage 270.000 Beschwerden gegen Versicherer betreute, das Amt an Wilhelm Schluckebier weiter.

Hirsch: Systematische Benachteiligung der Kunden gibt es nicht

Für ein Interview mit dem Tagesspiegel zog Hirsch erste Bilanz zu seiner langjährigen Tätigkeit und suchte auch Gründe für den schlechten Ruf der Branche: Versicherungen seien komplexe Produkte, die Versicherungsbedingungen wenig transparent, oft kämen noch Auslegungsprobleme hinzu. Keineswegs jedoch hätte der Schlichter in den vergangenen elf Jahren seiner Tätigkeit eine systematische Benachteiligung der Kunden feststellen können. Dennoch wären Unternehmen gut beraten, mehr auf den Kunden zuzugehen, wie ein Umstand veranschaulicht: Im Schlichtungsverfahren würden manche Versicherer die geballte Kraft ihrer Rechtsabteilungen auffahren, was aber dem Verfahren schade.

40 Prozent Erfolgsquote über alle Sparten hinweg dürfen durch den engagierten Juristen für seine Schlichtungstätigkeit verkündet werden. Nur in der Lebensversicherung lagen die Erfolgswerte niedriger. Das begründet Hirsch auch mit vielen Missverständnissen – Kunden wären oft von den komplexen Produkten der Lebensversicherung überfordert. Ein zusätzliches Problem ist aber auch: Ab einem Streitwert von 10.000 Euro müssen Versicherer seinen Schiedsspruch nicht mehr anerkennen. Und Auseinandersetzungen zur Lebensversicherung betreffen oft hohe Streitwerte.

Digitalisierung verändert Tätigkeit

Eine deutliche Zunahme von Beschwerden ist für die letzten Jahre laut Günter Hirsch bei der Rechtsschutzversicherung zu beobachten: Sie hätte die Lebensversicherung als Sparte mit den meisten Beschwerden sogar abgelöst. Beschwerden gegen Rechtsschutzversicherer seien in 2015 um 32 Prozent, in 2016 um 36 Prozent und in 2017 nochmals um 5,5 Prozent gestiegen. Hirsch führt diesen Anstieg unter anderem auf automatisierte Massenverfahren und indirekt auf Skandale wie den VW-Dieselskandal zurück:

Zwei Drittel der Anträge gegen Rechtsschutzversicherer würden inzwischen Rechtsanwälte einreichen, die im Auftrag von Mandanten tätig werden, um zum Beispiel Ansprüche beim Dieselskandal oder gegen Lebensversicherer durchzusetzen. Würden doch Kanzleien mittlerweile nach wenigen Klicks im Internet alles übernehmen – bis hin zum Streit mit der Rechtsschutzversicherung über die Deckung der Kosten. Für die Stelle des Versicherungsombudsmanns schafft also die Digitalisierung auch auffallende Veränderungen des Tätigkeitsfelds.

Nachfolger Schluckebier: ein renommierter Jurist

Seit dem 01. April hat Wilhelm Schluckebier das Amt des Ombudsmanns inne. Wie Hirsch ist Schluckebier ein re­nom­mierter Jurist mit langjähriger Karriere am Bundesgerichtshof: Zunächst wirkte Schluckebier als Bundesanwalt, dann als Richter und später als Präsidialrichter an Deutschlands oberstem Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit.

Nach Wahl durch den Bundestag wurde Schluckebier 2006 dann an Deutschlands höchstes Gericht berufen – bis 2017 war Schluckebier Richter am Bundesverfassungsgericht. Trotz dieser beeindruckenden juristischen Laufbahn, die Schluckebier mit Hirsch verbindet, gibt es aber einen Unterschied: Anders als Hirsch betritt der erfahrene Jurist Schluckebier mit dem Amt des Versicherungsombudsmannes keine neue Materie. Am Bundesverfassungsgericht war Schluckebier unter anderem für das Recht des Versicherungswesens zuständig.

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Hintergrund: Der Versicherungsombudsmann ist eine Schlichtungsstelle der Versicherungsbranche. Sie verspricht, schnell und unbürokratisch die Ansprüche des Kunden zu prüfen und zwischen beiden Streitparteien zu schlichten, wenn dieser eine Beschwerde einreicht. Für Verbraucher ist das Verfahren kostenfrei. Ist das Versicherungsunternehmen zudem Mitglied des Vereins Versicherungsombudsmann e. V., muss es den Schiedsspruch akzeptieren, solange der Streitwert 10.000 Euro nicht übersteigt. Mittlerweile ist der „Versicherungsombudsmann“ eine gesetzlich anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle im Sinne des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG).

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