Dass die Digitalisierung in der Versicherungsbranche ein wichtiges, ja sogar essenzielles Thema ist, das die Unternehmen beschäftigt, ist mittlerweile überall im Markt bekannt. Von keinem der knapp 530 Versicherer in Deutschland dürfte Gegenteiliges zu hören sein. Fakt ist, dass sich jeder von ihnen mit der eigenen digitalen Transformation auseinandersetzt – mal mehr, mal weniger intensiv.

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Doch die Digitalisierung ist weder Selbstzweck noch ein schnelles Projekt, um eine Technikkomponente neu einzuführen. Es geht vielmehr darum, das Unternehmen ganzheitlich und nachhaltig für die neuen Anforderungen im Markt – sei es seitens des Vertriebes oder seitens der Kunden – fit zu machen. Anforderungen gibt es viele – und gerade hier ist besonders auf Nachhaltigkeit zu achten. Denn Fehler oder Ungenauigkeiten können Versicherer im digitalen Umfeld schneller einholen, als ihnen lieb sein kann.

Das Beispiel der viel diskutierten Kunden-App und der damit einhergehenden Anforderungen verdeutlicht dies: Heute ist eine schnelle, unkomplizierte Kommunikation und die Bearbeitung der Anliegen des Kunden über eine Smartphone-App oberste Pflicht für alle Versicherungen. Natürlich ist eine solche App auch der erste Schritt in die digitale, bidirektionale Kommunikation und Abwicklung mit dem Kunden. Doch genau dort liegen auch die Fallstricke und muss von Anfang an auf Nachhaltigkeit geachtet werden.

Im Klartext heißt das: Die App ist eine Oberfläche, mehr nicht. Sie lässt sich schnell erstellen und kann damit zügig zum Einsatz kommen. Aber die wenigstens Kunden möchten eine eigene App des Versicherers als Kachel auf ihrem Smartphone haben – zumal sie kaum täglich genutzt wird.

Insofern ist der erste nachhaltige Schritt, die App als sogenannte Web- bzw. Browser-App zu entwickeln. Sie funktioniert damit unabhängig vom Smartphone über die meisten onlinefähigen Endgeräte. Damit ist die App im Bedarfsfall immer einsetzbar.

Vier konkrete Schritte müssen vollzogen werden

Der erste Schritt zur Nachhaltigkeit ist also getan. Es folgt aber sogleich der zweite Schritt: Die App muss dem Kunden Funktionen bieten, die ihn unterstützen – das heißt, sie muss mehr können als den Vertrag anzeigen oder dem Versicherer eine Nachricht senden. Funktionalität bedeutet einen kompletten Überblick der Vertragsdaten, Einsicht in die aktuellste Version der Police, sofortige Änderung von Vertragsdaten, Anschrift, Bankdaten usw. Ergänzt wird das Ganze um weitere Funktionen wie umfangreiche Möglichkeiten zur Schadenmeldung.

Der dritte notwendige und wichtige Schritt hinsichtlich der Kundenanforderungen hat auch viel mit Geschwindigkeit zu tun. Ein Blick auf die unter Schritt zwei zusammengefassten Funktionen veranschaulicht dies: Der Kunde erwartet dabei nicht nur, dass er etwa seine Adressänderung absenden kann, so wie das zum Teil noch bei vielen Unternehmen der Fall ist. Denn das führt zu umständlichen Prozessen und Abläufen: Zunächst wird die Adressänderung abgegeben, diese geht in das Workflow-Management des Versicherers ein, gelangt anschließend an den Arbeitsplatz eines Sachbearbeiters, der diese Daten in allen Verträgen des Kunden manuell ergänzt und in der Vertragsabteilung noch eine Änderung der Police angibt. Danach geht das Ganze in ein Druckzentrum zum Versand an den Kunden – und kommt irgendwann auch bei ihm an.

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Das Problem dabei: Eine Kommunikation mit dem Kunden, die digital entgegengenommen wird, dann aber manuell mit einer Laufzeit von mehreren Stunden oder gar Tagen an den Kunden zurück gespiegelt wird, hat wenig Aussicht erfolgreich und nachhaltig vom Kunden angenommen zu werden. Der Kunde erwartet heute einfach bei einem einfachen prozessualen Vorgang wie einer Adress- oder Bankänderung, diese Information zeitnah und am besten sofort bestätigt und eingetragen zu bekommen. Der Kunde von heute will einfach sein Anliegen sofort erledigt bekommen – und sich nicht eine Woche später erneut mit dem Thema beschäftigen müssen, wenn der Policennachdruck eingegangen ist.

...der vierte Schritt: Transparenz

Der vierte Schritt in Sachen Nachhaltigkeit der Digitalisierung lässt sich mit einem Wort auf den Punkt bringen: Transparenz. Auch dieses Thema lässt sich anschaulich anhand der App erklären: Der Kunde hat also sein Anliegen, seine Änderung oder seinen Schaden in der App gemeldet und sie ist beim Versicherer eingegangen. Doch was ist in diesem Fall mit dem Vermittler des Kunden? Er ist zwar Vertrauter des Kunden, doch bei der sinnvollen Eingabe über die App ist er zunächst außen vor.

Dabei hat der Vermittler neben dem Vertrieb auch eine beratende Funktion. Wenn der Vermittler selbst noch keine Kenntnis über den eingegangenen Schaden hat, weil die internen Bearbeitungswege und Prozesse zu lange dauern, der Kunde aber eine schnelle Rückmeldung erwartet, führt das unweigerlich zu einer für alle Beteiligten unangenehmen Situation. Der Vermittler wird kalt erwischt, er muss sich offensichtlich erst selbst informieren – und hat genau das, was er im Angesicht des Kunden nicht haben sollte: ein Informationsdefizit.

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Dauerhafte Kundenbindung ist das Ziel

Dieses Problem lässt sich aber „leicht“ lösen. Denn die schnelle Kommunikation mit dem Kunden über ein Web-Frontend kann zu einer dauerhaften Kundenbindung führen, wenn sie nach hinten in das Back-End und auch zum Vermittler so konstruiert ist, dass sie sofort und in Echtzeit die eingegangenen Informationen des Kunden anwendergerecht und in Echtzeit annimmt, aufbereitet und verteilt.

Im Back-End bedeutet das, dass die Adressänderung sofort in der Datenbank aktualisiert und gegebenenfalls die Police angepasst wird und der Kunde unmittelbar danach mit einer Bestätigung bzw. einer neuen digitalen Police versorgt wird. Parallel zu diesem Prozess müssen dann noch alle weiteren Beteiligten – also eine interne Abteilung, aber auch der externe Vermittler – über diesen Vorgang informiert werden. Für den Vermittler ist die Information in Echtzeit über eine Adressänderung seines Kunden ein echtes Informations-Asset. Er tritt gegenüber seinem Kunden mit dem gleichen Wissen auf und kann daraus sogar noch neue Beratungsansätze ableiten.

Demnach ist es für die Nachhaltigkeit in der Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie absolut notwendig, neben den reinen technischen Funktionalitäten dafür zu sorgen, immer und jederzeit jeden Akteur transparent zu informieren. Digitalisierung will und muss ganzheitlich verstanden werden. Das Wort „Teildigitalisierung“ gibt es nicht. Entweder ganz oder gar nicht.

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Stephen Voss ist Vorstand und Gründer der Neodigital Versicherung AG mit Sitz in Neunkirchen im Saarland

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