Versicherungsbote: Der globale Handelsstreit bringt die Wirtschaft auf der ganzen Welt in eine überaus heikle Lage und geht auch an deutschen Unternehmen nicht ohne Weiteres vorbei. Wie ist die aktuelle Lage in Deutschland für Unternehmen – vom Mittelständler bis zum Konzern – einzuschätzen?

Anzeige

Christian Vollbehr: Zum aktuellen Zeitpunkt kann man durchaus sagen, dass die Handelsstreitsthematik einer Achterbahnfahrt gleicht. Die Ereignisse überschlagen sich – fast jeden Tag erwartet uns eine neue Überraschung. Diese kann einerseits unerwartet positiv ausfallen; so stieg der ifo Geschäftsklimaindex im August diesen Jahres doch um 2,1 Basispunkte auf 103,8 Prozentpunkte. Andererseits lauern nach wie vor negative Veränderungen, die durch immer neue Verlautbarungen hinsichtlich des Welthandels weiter vorangetrieben werden und so Unternehmen verschiedenster Branchen immer wieder aufs Neue unter Druck setzen. So ist auch der Geschäftsklima-Index nun im dritten Monat in Folge wieder gefallen, auf 102 Punkte im November. Zwar haben sich die USA und China Anfang Dezember am Rande des G20-Gipfels in Buenos Aires auf eine Art Waffenstillstand im Handelskrieg geeinigt, aber auch das kann sich schnell wieder ändern.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass trotz eines seit zehn Jahren währenden globalen Wachstums die Anzeichen einer zunehmenden Unsicherheit immer stärker hervortreten – geschürt durch gravierende politische Veränderungen, die das Risiko für eine Überhitzung der Weltwirtschaft steigern und das Potenzial haben, eine ökonomische Krisenperiode einzuläuten.

Was bedeutet eine weitere Verschärfung der Trumpschen „Wie du mir, so ich dir“-Verhandlungsstrategie explizit für den Mittelstand und kleinere Unternehmen? Welche Herausforderungen zeichnen sich ab, vor allem mit Blick auf die Sicherheit ihres unternehmerischen Handelns?

Christian Vollbehr ist Head of Trade Credit bei AIGAIGMan muss sich vor Augen führen, dass die durch die USA forcierten politischen Veränderungen nicht nur Unternehmen treffen, die sich direkt mit den USA in Geschäftsbeziehungen befinden. Die EU-Zone stellt nach wie vor den wichtigsten Exportraum dar; das heißt die Folgen eines „harten Brexits“ sowie auch die angespannte Finanzmarktsituation in Italien könnten die deutschen KMUs deutlich stärker treffen, als bisher angenommen. Hinzu kommen nun die scheinbar willkürlichen und ständigen Verschiebungen der Fronten des Handelskrieges, durch die es zunehmend schwerer wird, verlässliche Prognosen abzugeben.

Unternehmen brauchen in erster Linie Planungssicherheit, um Investitionen zu tätigen. Betrachtet man allerdings das große Ganze, ist das genaue Gegenteil der Fall: Weiterhin drohen zum Beispiel der deutschen Autoindustrie Strafzölle, wenn sie Fahrzeuge in die USA ausführen wollen. Strafzölle führen dazu, dass Waren nur noch verteuert importiert werden können. Hieraus ergibt sich wiederum eine Reduzierung der Absatzchancen für Exporteure und eine in der Regel verschlechterte Zahlungsmoral bei den Abnehmern, die längere Zahlungsziele in Anspruch nehmen. Sobald dieser Fall eintritt, steigt erfahrungsgemäß das Risiko für Zahlungsausfälle. Die betroffenen mittelständischen Unternehmen stehen in diesem Moment vor enormen wirtschaftlichen und finanziellen Herausforderungen.

Fokus Mittelstand: Die Möglichkeit, sich in Form einer Warenkreditversicherung abzusichern, wird nach wie vor eher großen Unternehmen zugeschrieben. Kleinere und mittlere Unternehmen sind Ihren Ausführungen nach allerdings nicht minder von den aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen betroffen. Welche Optionen haben KMUs im Hinblick auf eine adäquate Absicherung in Zeiten wie diesen?

Die Kreditversicherungsbranche hat sich mit Ihrem Angebot teilweise stark weiter entwickelt und bietet mittlerweile eine Reihe von Produkten für KMUs an. Der Fokus liegt hierbei auf der Absicherung des gesamten Umsatzvolumens. Die Prämiengestaltung in einem engen, kompetitiven Markt richtet sich zwar nach der Umsatzgröße und den Schadenerfahrungen der vergangenen Jahre, die Kreditversicherer beklagen jedoch ein seit Jahren fallendes Prämienniveau. Insofern erscheint der Zeitpunkt zum Einstieg in eine Kreditversicherung nahezu optimal.

Welchen Vorteil haben mittelständische Unternehmen von einer Kreditversicherungslösung?

Die Absicherung der Forderungen gegen Nichtzahlung schützt das eigene Unternehmen vor unliebsamen Überraschungen. Parallel ermöglicht eine Kreditversicherung Spielraum bei den Gesprächen mit Finanzinstituten und Factoring-Anbietern, die versicherte Forderungen vorfinanzieren und somit den Cash-Flow der KMUs verbessern können.

Welche Risiken sind besonders abzusichern? Worauf müssen KMUs explizit vor einem Versicherungsabschluss achten?

Beim Abschluss einer Warenkreditversicherung sollten KMUs besonders darauf achten, dass die Versicherung neben der Insolvenz auch eine Nichtzahlungsdeckung (protracted default) beinhaltet. Kombinierte Produkte zur Absicherung von Inlands- und Exportumsätzen inklusive politischer Risikodeckung erleichtern den Arbeitsaufwand. Weiterhin sollte eine Aushaftung zur Deckung von Schadenfällen nach Ablauf der Versicherungspolice geprüft werden.

Gibt es Besonderheiten / Unterschiede hinsichtlich einer Absicherung durch eine Warenkreditversicherung?

Die traditionelle Kreditversicherung hat sich in den vergangenen Jahren nicht grundlegend verändert; die Branche hat sich nach der Finanzmarktkrise zudem gut erholt. Einige Versicherer bieten ihren Kunden nun jedoch neben der Forderungsabsicherung auch zusätzliche Dienstleistungen rund um das Debitorenmanagement an. Gemein ist den klassischen Kreditversicherungsprodukten allerdings nach wie vor, dass in jedem Fall der Versicherer die Deckung festlegt – das heißt, die Entscheidung, ob ein Kreditlimit für weitere Lieferungen Bestand hat oder nicht, liegt nicht in der Gewalt des Lieferanten bzw. des Versicherungsnehmers.

Bestimmte Versicherungsprodukte sind mittlerweile explizit für KMUs ausgelegt: Was heißt das genau?

In unseren Fall liegt der Vorteil des Produkts für kleine und mittlere Unternehmen vor allem darin, dass Kreditlimits nicht von Seiten des Versicherers innerhalb der Laufzeit der Police gekündigt werden können. Dies sorgt für einen wirkungsvollen Bilanzschutz, der besonders vor dem Hintergrund der Handelskriegsszenarien und der damit verbundenen zunehmenden Marktunsicherheit eine echte Absicherung für deutsche KMUs bietet.

Unser Ansatz war es, eine Lösung zu entwickeln, die mit den Zahlungserfahrungen des Versicherungsnehmers die Kreditlimite berechnet und anschließend in Echtzeit bereitstellt. Also alles etwas einfacher macht. Die Prämie wird bei diesem Produkt auf den versicherten Umsatz gezahlt – das Deckungslimit resultiert in der Regel aus der Summe der Spitzenrisiken eines individuellen Portfolios. Im Schadenfall profitieren die Versicherten von einer deutlich vereinfachten Bearbeitung, da die Zahlungserfahrungen bereits vorliegen bzw. hinterlegt sind.

Anzeige

Das Interview wurde zuerst im Oktober 2018 im Versicherungsbote-Fachmagazin 02/2018 veröffentlicht und nun aktualisiert. Die Fragen stellte Björn Bergfeld.

Anzeige