Zum zehnten Mal wurde nun der Melbourne Mercer Global Pension Index veröffentlicht, ein vom Australian Centre for Financial Studies (ACFS) in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Mercer erstelltes Ranking, das Rentensysteme verschiedener Länder auf ihre Leistungsfähigkeit testet. Erstmals gewinnt Deutschland die Bewertung für derzeit gewährte Versorgungsleistungen. Und dennoch landet es nur im Mittelfeld der Gesamtbewertung. Denn folgt man dem Index, hält Deutschland sein hohes derzeitiges Niveau auf Kosten der Nachhaltigkeit.

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Wie man es mutmaßlich anders machen könnte, zeigen verschiedene nordwesteuropäische Länder sowie Australien. Kann das Ranking helfen, sich mehr an anderen Vorsorgesystemen zu orientieren?

Deutschland erstmals auf Platz 1 im Bereich „Angemessenheit“

Deutschlands Rentensystem ist top - derzeit. Beim Melbourne Mercer Global Pension Index, einem nun schon zum zehnten Mal erschienenen Vergleich verschiedener Altersvorsorgesysteme, erreicht das deutsche Rentensystem 79.9 von 100 möglichen Punkten für die "Angemessenheit" und verweist damit Frankreich (79.5 von 100 möglichen Punkten) und Irland (79.0 von 100 möglichen Punkten) auf die Ränge. Mit Verweis auf den Index könnte die deutsche Politik also gut für sich werben - wäre da nicht die Sache mit der Nachhaltigkeit.

Der Bereich der „Angemessenheit“ nämlich, obwohl mit 40 Prozent stark gewichtet, bildet nur einen Teilbereich der Gesamtbewertung ab. Dieser Teilbereich untersucht die derzeitigen Bedingungen des Vorsorgesystems – Indikatoren werden bei diesen Wert berücksichtigt für steuerliche Anreize zum Vorsorgen, für das aktuelle Versorgungsniveau, aber auch Sparquote und Verschuldung privater Haushalte. Der Mercer-Index jedoch erhebt Werte für drei Teilbereiche, nutzt hierfür mehr als 40 Indikatoren. Die Rangliste, die mittlerweile 34 Länder gegenüberstellt, soll neben der „Angemessenheit“ eines Vorsorgesystems auch die „Integrität“ sowie die „Nachhaltigkeit“ vergleichen.

"Integrität" von Deutschlands Rentensystem: immerhin überdurchschnittlich

Die „Integrität“ bezieht sich auf den Bereich der Privatvorsorge – staatliche Aufsicht und Governance, Risikosteuerung sowie Kommunikation spielen für Indikatoren dieses Sub-Index eine Rolle. Die Gewichtung dieses Teilbereichs liegt bei 25 Prozent. Auch für die Integrität weist Deutschland einen überzeugenden Wert auf und liegt, mit 76.6 von 100 möglichen Punkten, fünf Punkte über dem Durchschnittswert.

Der Wert für die „Nachhaltigkeit“ hingegen verhagelt Deutschland einen vorderen Platz in der Gesamtbewertung. Dieser Teilbereich gibt an, ob das gegenwärtige System in Zukunft aufrechterhalten werden kann. Rückdeckung und Finanzierung, Demografie, Staatsverschuldung und das von der Weltbank gemessene reale Wirtschaftswachstum beeinflussen diesen Sub-Index, der mit 35 Prozent gewichtet wird. Nur 44.9 von 100 möglichen Punkten werden für die „Nachhaltigkeit“ des deutschen Rentensystems gemessen. Damit landet Deutschland im Gesamt-Ranking auf Rang 13 (und immerhin noch im „guten“ Mittelfeld) mit insgesamt 66.8 von 100 möglichen Punkten aus allen drei Indices.

Das Problem nicht nur des deutschen Rentensystems : Angemessenheit auf Kosten der Nachhaltigkeit

Ein Spannungsverhältnis zwischen Angemessenheit und Nachhaltigkeit aber betrifft nicht nur Deutschland – bei Ländern wie Österreich, Italien oder Spanien klaffen die Werte sogar noch weiter auseinander. Spanien erhält für die Angemessenheit 68.7 von 100 möglichen Punkten, für die Nachhaltigkeit hingegen gibt es nur 27.8 Punkte. Österreich erhält für die Angemessenheit 68.1 Punkte. Für die Nachhaltigkeit hingegen gibt es nur 21.5 Punkte. Und Italien erhält für die Angemessenheit 67.7 Punkte, für die Nachhaltigkeit hingegen sogar nur 20.1 Punkte. In all diesen Ländern zeigt sich das gleiche Problem: Die Leistungsfähigkeit des aktuellen Rentensystems werde auf Kosten der Zukunft erkauft.

Ergebnisse des Melbourne Global Pension Index 2018Ergebnisse des Melbourne Global Pension Index 2018Jedes Land ist auf einer Skala von 0 bis 100 bewertet. Der Gesamtindex ist der gewichtete Durchschnittswert der drei Sub-Indices Angemessenheit, Nachhaltigkeit und Integrität.@Mercer

David Knox, Autor der Studie und Senior Partner bei Mercer Australien, benennt somit auch eine wichtige Aufgabe für ein leistungsfähiges Rentensystem: Es gilt, ein Gleichgewicht zwischen Angemessenheit und Nachhaltigkeit zu finden. So sei es unwahrscheinlich, dass ein System, das kurzfristig sehr großzügige Leistungen erbringt, nachhaltig ist. Ebenso erbringe ein System, das über viele Jahre hinweg nachhaltig ist, wahrscheinlich eher bescheidene Leistungen. Die Frage stellt sich also nach dem richtigen Kompromiss.

Die vorderen Ränge als Vorbild: leistungsfähig und nachhaltig ist machbar

Dass Vorsorgesysteme aber beides sein können, sowohl leistungsfähig als auch nachhaltig sein, zeigen Länder auf den vorderen Rängen des Rankings. Beim Mercer-Index 2018 auf dem Siegertreppchen: die Niederlande mit einem Gesamtergebnis von 80.3 Punkten. 75.9 Punkte erreichen die Niederlande im Bereich der Angemessenheit (Rang 5 in diesem Teilbereich). Bei der Nachhaltigkeit trumpft man mit 79.2 Punkten auf. Den besten Wert aber verzeichnet das Siegerland bei der Integrität mit 88.8 von 100 möglichen Punkten.

Nur ganz knapp dahinter gibt sich der Vorjahressieger Dänemark geschlagen – 80,2 Punkte stehen in der Gesamtwertung. Dänemark kann die Niederlande in der Nachhaltigkeit sogar noch übertreffen: mit 81.8 von 100 möglichen Punkten besitzen die Dänen das nachhaltigste Rentensystem aller 34 Länder gemäß des Rankings.

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Ebenfalls vorbildhaft: Finnland (mit 74.5 Punkten Rang drei der Gesamtwertung), Australien (mit 72.6 Punkten Rang 4 der Gesamtwertung) und Schweden (mit 72.5 Punkten Rang 5 der Gesamtwertung).

Patentrezept Niederlande?

Was aber machen die bestplatzierten Länder wie die Niederlande anders als zum Beispiel Deutschland oder Österreich? Eine mögliche Antwort auf die Frage, wie ein nachhaltigeres Rentensystem beschaffen sein kann, gibt Kristina Antonia Schäfer in ihrem Beitrag zum Index für die Wirtschaftswoche. Sie verweist auf die oft herbeizitierten "drei Säulen" aus dem Modell der Weltbank von 1994. Ein starkes Rentensystem setzt demgemäß auf eine Kombination aus staatlicher, staatlich geförderter und privater Vorsorge. Hat Deutschland eine dieser Säulen vernachlässigt?

Um Schäfers Beispiel des Ranking-Siegers Niederlande anzuführen: Jeder, der zwischen seinem 15. und seinem 65. Lebensjahr in den Niederlanden gelebt hat, bekommt eine umlagefinanzierte Grundrente. Zudem schaffen starke Anreize, dass immerhin 90 Prozent der Angestellten eine betriebliche Altersvorsorge haben: Diese arbeitet kapitalgedeckt. Ein bisher äußerst erfolgreicher Mix für unser Nachbarland.

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Deutschlands Problem: gebrochene Erwerbsbiographien

Achim Lüder, CEO Mercer Deutschland, verweist jedoch auf ein spezifisches Problem Deutschlands, das zugleich berücksichtigt werden muss: gebrochene Erwerbsbiografien. Häufige Jobwechsel und Auszeiten stellen das deutsche Rentensystem vor Herausforderungen, ebenso der Gang vieler Menschen in die Selbstständigkeit bei nur geringem Einkommen. Zumindest auf Letzteres will die Bundesregierung nun reagieren, wie die aktuelle Diskussion über eine Altersvorsorge-Pflicht für Selbstständige zeigt. Auch Freiberufler sollen verpflichtend für ihr Alter vorsorgen, auch wenn es noch keine Details zu den Plänen gibt (der Versicherungsbote berichtete).

Erste Schritte auf dem richtigen Weg?

Folgt man Lüders Lob für das seit 2018 gültige Betriebsrentenstärkungsgesetz, könnte Deutschland aber schon erste Schritte zu einem nachhaltigeren Vorsorgesystem gegangen sein. Empfiehlt doch die Studie eine Erhöhung der Teilnahmequoten in der betrieblichen Altersvorsorge. Hier soll das Betriebsrentenstärkungsgesetz neue Anreize schaffen. Bis freilich die Betriebsrente den gleichen Zulauf gewinnt wie in den Niederlanden, ist es noch ein weiter Weg.

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Weitere Ratschläge aus dem MMGPI-Ranking für mehr Nachhaltigkeit: Die Anhebung der Mindestrenten für Niedriglohn-Rentner, eine Erhöhung der Erwerbsquote älterer Arbeitnehmer sowie die Verbesserung der Kommunikation, um zusätzliche Vorsorge zu fördern.

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