Versicherungsbote: Herr Macht, Sie gehen davon aus, dass gerade kleine und mittelgroße Versicherungen künftig immer weniger selbst machen. Warum?

Christian Macht: Erstens: Die Produktwelt wird für alle in der Branche deutlich vielfältiger werden. Mit individualisierten, für spitze Zielgruppen kalkulierten Angeboten. Und zweitens: Um dabei mitzuhalten werden gerade kleine und mittelgroße Versicherer Teile ihrer Wertschöpfung zunehmend mit Partnern wie uns erledigen, gerade bei Produktentwicklung und IT. Wenn Sie so wollen: Mit Zulieferer-Betrieben. Ich glaube an neue Partnerschaften zwischen jungen Unternehmern und erfahrenen Versicherern, nicht so sehr an Disruption.

Geben Versicherer damit nicht wertvolle Eigenständigkeit auf?

Das sehe ich nicht so. Schauen Sie sich Automobilhersteller an – die produzieren nur noch ein Viertel selbst, der Rest kommt von Zulieferern. Meiner Meinung nach braucht die Versicherungs-Branche eine Zulieferer-Industrie. Das würde den Versicherern die Möglichkeit geben, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren und gleichzeitig innerhalb kürzester Zeit neue Produkte auf den Markt zu bringen. Unter eigenem Namen, versteht sich. Wer sich einen BMW kauft, macht das nach wie vor wegen BMW und nicht wegen der verbauten Teile von Magna oder Continental.

Viele Insur-Tech-Startups konkurrieren aber mit den Versicherern um Kunden.

Wir nicht, denn wir konzentrieren uns nicht auf das Ende der Wertschöpfungskette, sondern auf den Anfang: Auf Produktentwicklung und IT. Die IT stellt viele Unternehmen vor Herausforderungen: Veraltete Systeme verlangsamen das Innovationstempo. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen ist das besonders herausfordernd. Denn alle Innovationen müssen durch den Flaschenhals der IT, die oft keine Kapazitäten mehr hat. Das bremst Ideen aus und sorgt für Frust.

Fassen Sie auch Partner ins Auge, die keine Versicherer sind?

... das tun wir auch. Schon heute kooperieren wir mit dem Cyber-Sicherheits-Anbieter CPP, mit einer „eingebetteten“ Versicherung gegen Schäden durch Datenklau. Oder wir haben mit dem Fluggastrecht-Portal FairPlane eine Versicherung gegen verspätete Flüge entwickelt. Mit Baukasten-Lösungen kann nahezu jedes Unternehmen eine Versicherung anbieten. Trotzdem haben Versicherer sehr gute Karten, weil sie Vertrieb können und die Kunden kennen.

Wie verändern sich aus Ihrer Sicht Versicherungs-Produkte in Zukunft?

Ich bin überzeugt: Kunden erwarten anpassbare und individualisierte Lösungen. Denken Sie an eine Hausratversicherung für Studierende, die nur wenige Risiken wie den Klau des Laptops versichert und somit deutlich günstiger ist. Oder eine Haushaltsversicherung, die Haftpflicht, Hausrat, Cyber und Recht bündelt – und zudem mit SmartHome-Angeboten kombinierbar ist. Gerade Millennials erwarten bequeme und digitale Lösungen, die sie aus anderen Bereichen kennen.

Zudem dürfte nicht nur die Zahl der Produkte steigen, sondern sie werden auch in sich beweglicher. Etwa durch ad-hoc buchbare und abbestellbare Optionen: Ein Beispiel ist etwa eine Testfahrt-Versicherung fürs Auto, die nur kurzzeitig aktiv ist, oder eine Telematik-gesteuerte E-Bike-Versicherung, deren Preis davon abhängt, wo und wie viel man fährt.

Was bedeutet das für Vermittler?

Die Vergleichbarkeit neuer, kombinierter Produkte auf Online-Portalen nimmt ab, das ist für Vermittler erstmal keine schlechte Nachricht, weil sich attraktive Pakete schnüren lassen. Vermittler können zudem sogar selbst als Anbieter auftreten, wie das im Falle einzelner Makler-Pools schon geschieht.

Element bezeichnet sich als „White-Label Produkt-Fabrik“. Wie soll man das verstehen?

Element ist einer der neuen Zulieferer. Wir bleiben im Hintergrund und ermöglichen Partnern, neue Lösungen teilweise oder komplett umzusetzen. Wir liefern Technologie und auch ganze Versicherungsprodukte, die unsere Partner unter ihrer Marke vertreiben. Um nochmal auf das Automobil-Beispiel zurückzukommen: Sie können sich das wie die Auto-Technologie von VW vorstellen – die lässt sich für den Golf, den Audi A3 und den Skoda Octavia gleichermaßen anpassen. Und das ermöglicht uns die passgenaue Entwicklung von Versicherungsprodukten für spezifische Zielgruppen.

Die Fragen stellte Jenny Müller