Die Prüfung der Haftpflichtfrage ist eine versicherungsvertragliche Hauptpflicht des Versicherers. Sie klärt, ob der Anspruch begründet oder unbegründet ist, was wiederum Voraussetzung dafür ist, ob der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer Abwehrschutz oder Freistellung (Regulierung) gewährt. Liegt der vom (vermeintlich) geschädigten Kunden geltend gemachte Anspruch unterhalb der Selbstbeteiligung, kommt es mitunter vor, dass Versicherer eine Prüfung der Haftpflichtfrage ablehnen. Der Selbstbehalt hat jedoch keine Auswirkungen auf die Verpflichtung des Versicherers, sich mit der Sachlage überhaupt zu beschäftigen. Eine Ablehnung des Versicherers allein aufgrund der geringen Schadenhöhe ist nicht statthaft.

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b) Freistellung (Regulierung)

Auswirkungen hat der Selbstbehalt bei berechtigen Schadensersatzverpflichtungen. Dies ergibt sich direkt aus den Versicherungsbedingungen:

„6. Selbstbehalt des Versicherungsnehmers: An der Summe, die vom Versicherungsnehmer auf Grund richterlichen Urteils oder eines vom Versicherer genehmigten Anerkenntnisses oder Vergleichs zu bezahlen ist (Haftpflichtsumme), wird der Versicherungsnehmer mit einem Selbstbehalt beteiligt.“ (Allianz, HV 70)

Die Bedingungen beschreiben hier die „Haftpflichtsumme“. Der Versicherer zahlt die Haftpflichtsumme abzüglich des Selbstbehalts an den Geschädigten, den Selbstbehalt muss der Versicherungsnehmer grundsätzlich selbst an den Geschädigten entrichten. Übersteigt der geltend gemachte Haftpflichtanspruch nicht den Selbstbehalt, so treffen den Versicherer keine Kosten (Allianz HV 70):

„7.2 Übersteigt der geltend gemachte Ha p ichtanspruch nicht den Betrag des Mindest- oder eines vereinbarten festen Selbstbehalts, so tre en den Versicherer keine Kosten.“

c) Abwehrschutz

Umstritten ist jedoch der Fall, ob der Versicherer bei einem Anspruch unterhalb des Selbstbehalts gleichwohl seiner Abwehrpflicht nachkommen muss. In der allgemeinen Haftpflichtversicherung ist diese Frage geklärt – nach Zi . 6.4 Satz 4 AHB wird der früher umstrittene Umfang der Leistungsp icht geregelt. Danach hat der Versicherer gleichwohl seiner Rechtsschutzfunktion (Abwehr unberechtigter Ansprüche) nachzukommen. Eine solche Regelung fehlt jedoch in den Standard-Versicherungsbedingungen zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Aus diesem Grund wird die Frage nicht einheitlich entschieden. Teilweise wird auch Abwehrschutz unterhalb des vereinbarten Selbstbehalts gewährt - jedoch ohne Kostenübernahme. Teilweise wird der Abwehrschutz in solchen Konstellationen auch gänzlich verneint.

Fazit

Jeder Vermittler sollte prüfen, ob die Frage des Abwehrschutzes unterhalb des Selbstbehalts in seinen Versicherungsbedingungen abweichend von den Standardbedingungen geregelt ist oder den Selbstbehalt nach Möglichkeit auf ein Minimum zu reduzieren bzw. gänzlich auf einen Versicherer zu setzen, der auf einen Selbstbehalt verzichtet. Um nachteilige Konsequenzen zu vermeiden sei nochmals deutlich darauf hingewiesen, dass es durchaus sinnvoll ist, auch einen (vermeintlich) geringen Schaden anzuzeigen.

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