Nach zähem Ringen haben sich Union und SPD am gestrigen Mittwoch auf eine Neuauflage der Großen Koalition geeinigt. Dabei wurde auch ein erster Entwurf für einen Koalitionsvertrag öffentlich. Ganze 177 Seiten umfasst das Dokument mit dem Titel: „Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für unser Land.“ Und der Koalitionsentwurf sieht konkrete Änderungen für die Finanzaufsicht der Finanzanlagenvermittler vor.

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BaFin soll künftig 34f-Vermittler beaufsichtigen

Aktuell werden die 37.450 Finanzanlagenvermittler nach § 34f der Gewerbeordnung noch von den Industrie- und Handelskammern beaufsichtigt. Doch das soll sich künftig ändern. Demnach soll zukünftig die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Aufsicht übernehmen.

Wortwörtlich heißt es im Abschnitt X.5 des Koalitionsvertrages, der dem Versicherungsboten vorliegt: „Wir werden zur Herstellung einer einheitlichen und qualitativ hochwertigen Finanzaufsicht die Aufsicht über die freien Finanzanlagevermittler schrittweise auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. Dabei wollen wir sicherstellen, dass die dadurch bei den Ländern freiwerdenden Aufsichtskapazitäten zur Stärkung der Geldwäscheaufsicht im Nichtfinanzbereich verwendet werden.“

Überraschend ist die Absicht der Koalitionäre nicht. Unter anderem hatten 2015 der Bundesrat, der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sowie die Kreditwirtschaft gefordert, 34f-Vermittler unter die Fittiche der BaFin zu nehmen (der Versicherungsbote berichtete).

Angst vor Quasi-Berufsverbot

Umso drastischer fallen die ersten Reaktionen zu dem Vorhaben aus. Das Webportal fondsprofessionell.de spekuliert in einem Worst-Case-Szenario, dass die Änderung der Vermittleraufsicht in ein Berufsverbot münden könnte, wenn der Ausnahmetatbestand für Finanzanlagenvermittler nach dem Kreditwesengesetz (KWG) entfällt.

Die Folgen für die Branche wären dramatisch. Dann müsste jedes Vermittlerbüro sich eine Erlaubnis nach Paragraf 32 Kreditwesengesetz besorgen. Oder anders gesagt: Sie müssen die selben strengen Zulassungs- und Prüfpflichten erfüllen wie Banken. Die Mehrkosten könnten mindestens im fünfstelligen Bereich pro Jahr liegen. Gerade für Einzelkämpfer und kleine Wettbewerber würde dies fast zwangsläufig das Aus bedeuten, weil sie damit überfordert wären.

AfW-Vorstand Wirth warnt vor Panikmache

Das allerdings ist eine Prognose, die Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes Finanzdienstleistung (AfW), überhaupt nicht teilt. Der Versicherungsbote erreichte Wirth telefonisch im Urlaub, wo er kurz eine erste Einschätzung abgeben konnte.

Der Fachanwalt warnte vor unbegründeter Panikmache: Wenn sich die Zuständigkeit in der Aufsicht ändere, bedeute dies zunächst nicht, dass damit auch strengere Eingriffe in die Vermittlertätigkeit verbunden seien. Es werde zunächst nur die Zuständigkeit der Aufsicht neu geregelt.

Hat die BaFin überhaupt die notwendigen Ressourcen?

Wirth wies darauf hin, dass der Passus im Koalitionsvertrag zunächst nur eine Absichtserklärung sei. Und äußerte Zweifel daran, dass sich diese überhaupt in der Praxis umsetzen lässt. Die BaFin habe mehrfach deutlich gemacht, dass sie die Aufsicht über die Finanzanlagenvermittler gar nicht anstrebe, da sich die Industrie- und Handelskammern als Aufsicht in der Fläche bewehrt hätten.

Wahrscheinlich müsste die BaFin anbauen und 50.000 neue Mitarbeiter einstellen, wenn sie zusätzlich 34f-Vermittler kontrollieren wolle, scherzt Wirth. Der personelle Mehraufwand wäre beachtlich. Ein Quasi-Berufsverbot hält er ebenfalls für unwahrscheinlich. Das würde einen Eingriff in die Berufsfreiheit bedeuten, die vor Gericht wohl keinen Bestand hätte.

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Spätestend kommende Woche wird sich der AfW mit einer eigenen Stellungnahme zu Wort melden, kündigte Wirth an.

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